Dinner-Veranstaltung Für Wahl-Magdeburger ist Knigge mehr als Tischmanieren
Der Liebe wegen kam Thomas Wiesenberg nach Magdeburg. Nach den Corona-Lockerungen will er in der Landeshauptstadt als freier Schauspieler durchstarten. Ein Herzensprojekt ist sein Knigge-Dinner, das über Tischmanieren weit hinausgeht.
Magdeburg - Wie gehen wir miteinander um? Diese Frage beschäftigt den Schauspieler Thomas Wiesenberg schon länger. Ergebnis ist ein unterhaltsamer Knigge-Abend, mit dem er künftig auch in Magdeburg zu erleben sein möchte. Das Knigge-Dinner ist ein Herzensprojekt. Denn der Schauspieler sieht im Umgang der Menschen miteinander „noch ein wenig Arbeit nach oben“. Es finde eine Vereinzelung statt, aus der heraus sich ein Gegeneinander ergebe. „Da wird dann in den sozialen Netzwerken irgendetwas geschrieben, ohne sich mit der Sache auseinandergesetzt zu haben“, sagt er. Die Fronten seien schnell verhärtet.
Dabei könnten Menschen unterschiedlicher Ansicht sein, auch ohne gleich jeglichen Respekt voreinander zu verlieren. „Respekt ist der Kitt, ohne den eine Gesellschaft nicht funktioniert“, ist sich Thomas Wiesenberg sicher und meint damit einen menschlichen Respekt, der von Herzen kommt: „Damit wären viele Probleme schon gelöst.“ Eben da knüpft auch das Knigge-Programm an. Angelehnt an Krimi-Dinner-Abende hat es der Schauspieler, der seine Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock absolviert hat, mit Schauspielerin Dürten Thielk und Vorstellungsmanager Henrik van Kathen entwickelt. Die Premiere war im Sommer 2019, damals noch in Berlin.
Der Liebe wegen hat sich der freie Schauspieler inzwischen für seinen Lebensmittelpunkt in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt an der Elbe entschieden – und fühlt sich hier wohl. „Ich mag das etwas Verbaute der Oststädte“, sagt der aus der Nähe von Cottbus in Brandenburg stammende Wahl-Magdeburger, der nicht nur Schauspieler ist, sondern auch Fitnesstrainer. „Ich habe eine Weile in einem Fitnessstudio gearbeitet. Dort wurde jemand hinter dem Tresen gesucht“, erzählt er.
Vom Schauspiel ins Fitnessstudio
Wiesenberg bekam die Stelle und lernte viele unterschiedliche Leute kennen – von der 80-jährigen Seniorin bis zum Muskelprotz. Schon dort bestand für ihn die Frage: Wie gehen wir miteinander um? „Da kamen oft Menschen rein, die gestresst und genervt waren“, erinnert er sich. Mit ein paar freundlichen Worten habe er ihre Stimmung verbessern können. Das Fitnessstudio gefiel ihm. Und da Wiesenberg bereits Stimmtraining gab und die Stimme auch ein Muskel ist, fand er, dass ein Wissen um ganzkörperliche Fitness gut dazu passen würde. Deshalb absolvierte er den Kurs zum Fitnesstrainer. Heute kann er damit Menschen, die beruflich viel sprechen müssen und deren Stimme dadurch stark beansprucht ist, helfen. „Starker Körper, starke Stimme“, lautet sein Motto.
Die Anfänge des Schauspiels liegen bei Thomas Wiesenberg in der Schulzeit. Er spielte zunächst in einer Schultheatergruppe mit und später im Theaterjugendclub des Staatstheaters Cottbus. Nach dem Abitur entschloss er sich zu einem Schauspielstudium in Rostock.
„Die Ausbildung dort war ein Segen“, erinnert er sich, auch wenn sie hart gewesen sei. Tanzen, Steppen, Fechten, Kämpfen, Singen, Sprechen – all das und noch mehr habe er gelernt und sich durch den häufigen Einzelunterricht nicht verstecken können. Aber dadurch habe er sich selbst viel besser kennengelernt. Die Ausbildung sei sehr handwerklich ausgerichtet gewesen: „Komm zur Probe, lerne deinen Text und dann mach deine Arbeit“, zählt er auf, „das ist vielleicht nicht immer brillant, aber man kann immer sein Bestes geben.“ Die Vermittlungsquote der Hochschule habe für sich gesprochen: Sie habe bei 100 Prozent gelegen.
Schauspieler braucht Ankerpunkt
Und so bekam auch Wiesenberg ein Engagement bei den Westfälischen Kammerspielen in Paderborn, wo Wiesenberg bis 2009 tätig war. „Das Schöne an kleinen Häusern ist, dass man viel zu spielen hat“, sagt er. Er schlüpfte dort zum Beispiel in die Rolle des Karl Moor und des Cyrano de Bergerac und spielte auch in modernen Stücken mit. Es sei eine schöne Zeit gewesen, weil er auf der Straße von Leuten erkannt wurde, die ihm direkt sagten, dass ihnen eine Vorstellung gefallen habe. Doch er wollte noch weiter und ging nach Berlin.
Aus einem Dorf bei Cottbus kommend, über das er sagt, freier könne man als Kind nicht aufwachsen, habe er anfangs regelrechte Hass-Attacken auf die Bundeshauptstadt gehabt. Erst später habe er sich mit der Situation arrangiert. „Ich war nicht mehr im Widerstand damit“, erinnert er sich. Und er habe entdeckt, dass alles Meckern nichts nützen würde. In Berlin entwickelte er sein erstes Soloprogramm. Schritt für Schritt ging er den Weg in die Selbstständigkeit. Und rückblickend würde er sich immer wieder für die Selbstständigkeit entscheiden. „Ich bin gern unterwegs, aber ich brauche einen festen Ankerpunkt“, erzählt er. Magdeburg sei mitten in Deutschland sehr günstig gelegen. Aber auch auf das Publikum vor Ort freut er sich.
Die Zeit der Corona-Pandemie, in der nicht die Chance bestand, ein großes Magdeburger Publikum kennenzulernen, hat er genutzt, um neue Projekte zu entwickeln. Unter anderem ein Programm für Schulen mit dem Titel „Fack ju, Schiller“, mit dem er Schüler für klassische Literatur begeistern möchte – gemeinsam mit seiner Freundin Anika Janakiev. Mit dem „Lesesturm“, gefördert von der Initiative Kultur ans Netz, hat er ein Vorlese-Projekt entwickelt. Das erste Projekt, das Wiesenberg in Magdeburg realisiert hat, fand in Zusammenarbeit mit der Villa Wertvoll statt. Es war ein Filmprojekt, für das er das Drehbuch schrieb. Es feiert im Rahmen des Magdeburger Kultursommers Premiere.