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79-jähriger Ehrenamtlicher Halbes Leben im Kirchturm: Magdeburger zieht händisch die Uhr auf

Der Magdeburger Henning Bollmann zieht seit 40 Jahren händisch die Uhr der St.-Laurentius-Kirche in Alt-Olvenstedt auf. Was er dafür tun muss, wer die Aufgabe im Urlaub übernimmt und welche Symbolik das für ihn hat.

Von Lena Bellon 24.09.2024, 07:00
Der 79-jährige Henning Bollmann sorgt seit 40 Jahren dafür, dass die Uhr am Laufen bleibt.
Der 79-jährige Henning Bollmann sorgt seit 40 Jahren dafür, dass die Uhr am Laufen bleibt. Foto: Lena Bellon

Magdeburg - Alle fünf Tage läuft Hennig Bollmann aus Alt-Olvenstedt die zahlreichen Treppenstufen fast bis nach ganz oben in den Turm der St.-Laurentius-Kirche. Dort stellt er die Uhr, dreht sie neu auf. Wenn das niemand macht, bleibt sie nach fünf Tagen stehen. Der 79-Jährige sorgt nun schon seit 40 Jahren, also sein halbes Leben lang, fast durchgängig dafür, dass die Uhr am Laufen bleibt. Wenn er mal im Urlaub ist, übernimmt sein Sohn diese Aufgabe. Hinter Holztüren verbirgt sich das alte Schätzchen.

„Von dem Aufziehen bin ich doch ganz schön aus der Puste“, sagt Bollmann, der über Minuten an der Kurbel dreht. „Um zwischendrin Pause zu machen, genieße ich die Aussicht über Olvenstedt oder sogar bis nach Irxleben.“ Dass er eine Pause braucht, ist verständlich – schließlich muss er mit der Kurbel die Gewichte, die an dem Uhrwerk hängen, wieder hinaufziehen, wie er erklärt.

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Glocke von 1610 in Magdeburg-Olvenstedt

Wenn er schon oben ist, geht er manchmal auch noch ein Stockwerk höher, um sich die drei Glocken im Turm anzusehen. Eine der Glocken existiert bereits seit 1610. „Im Zweiten Weltkrieg wurde sie weggenommen, aber zum Glück nicht eingeschmolzen. Auf einem Glockenfriedhof in Hamburg wurde sie wiedergefunden. Heute hängt sie wieder bei uns“, erklärt er. Zu nahezu jeder Ecke der Kirche kennen er und seine Frau Kristine Bollmann eine Geschichte. Seit den 1970er Jahren seien die beiden in der Kirche aktiv, er war im Kirchengemeinderat tätig, sie im Förderverein.

Das ist die Uhr am Kirchturm der St.-Laurentius-Kirche, die dank Henning Bollmann nie stillsteht.
Das ist die Uhr am Kirchturm der St.-Laurentius-Kirche, die dank Henning Bollmann nie stillsteht.
Foto: Lena Bellon

Das 300-jährige Bestehen der Kirche, das kürzlich auch mit einem großen Fest gefeiert wurde, nehmen die beiden Alt-Olvenstedter zum Anlass, ihr Wissen zu teilen. „Dass er seit 40 Jahren die Uhr aufzieht, muss mal erwähnt werden“, sagt Kristine Bollmann. Ihr Mann hingegen sieht das nicht als große Sache an und winkt ab. Die Kirche liege den beiden am Herzen, daher zeigen sie den unermüdlichen Einsatz dafür. „Auch wenn die Besucherzahlen im Gottesdienst sehr übersichtlich geworden sind, merkt man, dass die Kirche den Menschen hier wichtig ist“, sagt Kristin Bollmann.

Bei Festen oder wenn es um Hilfe für die Kirche geht, seien immer viele Anwohner vor Ort. Als 2003 die Kirche so restaurierungsbedürftig war, dass sie geschlossen wurde, gründete sich der Förderverein. „Die Kirche muss im Dorf bleiben. Das war damals unser Motto“, erzählt die Alt-Olvenstedterin, die den Verein mitgegründet hat.

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Kirchturm-Uhr hat Symbolik

Der Plan ist damals aufgegangen: 2008 wurde die Kirche wieder eröffnet und ist seitdem auch Veranstaltungsort für Konzerte, Treffpunkt für Frauenabende und den Posaunenchor, der in Alt-Olvenstedt aus 46 Menschen besteht. Im nächsten Jahr würden wieder Erhaltungsmaßnahmen anstehen, berichtet das Ehepaar.

Sich um die Uhr zu kümmern, sie zu stellen und zu warten, habe auch einen symbolischen Charakter: „Mit einer funktionierenden Kirchturm-Uhr zeigen wir auch nach außen, dass es bei uns weitergeht, egal was ist.“ Daher wolle er dieser Aufgabe auch noch eine Zeit lang nachgehen.