1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Milde Strafen für Eltern des toten Oskar

Urteil Milde Strafen für Eltern des toten Oskar

Vierfach-Mutter aus Wefensleben kommt auf Bewährung frei. Der Vater muss drei Jahre in Haft.

Von Matthias Fricke 16.03.2021, 00:00

Wefensleben/Magdeburg l Nach dem Tod des 14 Monate alten Oskar aus Wefensleben hat das Magdeburger Landgericht gestern überraschend das Urteil gegen die Eltern verkündet. Die 43-jährige Mutter wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die auf Bewährung ausgesetzt ist. Der 38-jährige Vater muss für drei Jahre ins Gefängnis.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Eltern trotz der schweren Erkrankung ihres Kindes keinen Arzt holten. Oskar hätte dadurch aber gerettet werden können.
Im Laufe des am 25. Februar begonnenen Prozesses gab es mehrere Überraschungen. So ergab die Auswertung einer feingeweblichen Untersuchung der Leiche, dass Oskar an einer Leukämie litt. Die Anklage war zunächst von einer Mittelohr- und späteren Hirnhautentzündung als Ursache ausgegangen. Es konnte nicht mehr sicher nachgewiesen werden, ob und zu welchem Zeitpunkt das Kind hätte gerettet werden können.
Allerdings hätten laut des Vorsitzenden Richters Dirk Sternberg beide Eltern erkennen müssen, dass Oskar ernsthaft erkrankt war und dringend Hilfe benötigte. Außerdem habe der psychiatrische Gutachter eine wahnhafte Störung bei Colin G. nicht sicher feststellen können, sagt Sternberg in seiner Urteilsbegründung. Aus diesem Grund war der Unterbringungsbefehl für eine psychiatrische Klinik bereits am vergangenen Donnerstag in einen normalen Haftbefehl umgewandelt worden. Die Kammer kam im Verfahren zu der Überzeugung, dass der Angeklagte seine Steuerungsfähigkeit nicht verloren hat, so dass er schuldfähig ist.
Zum Prozessauftakt hatte sich der Vater noch in den Gerichtssaal tragen lassen. Später legte er ein Geständnis ab und sagte in seinem letzten Wort, dass er erst jetzt erkannt habe, dass er viel falsch gemacht habe. Er übernahm die volle Verantwortung. Der Haftbefehl bei ihm bleibt bestehen. Für die Mutter wurde eine Psychotherapie und ein Bewährungshelfer angeordnet.
Oberstaatsanwältin Martina Klein hatte zuvor vier Jahre Haft für beide Angeklagten gefordert.
Die Familie hatte sich der sogenannten Selbstverwalter-Szene angeschlossen, lebte minimalistisch. Während die ersten beiden Kinder mit einer Hebamme geboren wurden, kamen die anderen beiden ohne Hilfe zur Welt. In der spärlich ausgestatteten Drei-Raum-Wohnung gab es keinen Strom. Die Familie ernährte sich nur von Fallobst, Blättern und Tierfutter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.