Gründung der SDP Ohne Büro und Papier, aber mit viel Mut
Morgen vor 25 Jahren, am 18. November 1989, wurde in Magdeburg der Regionalverband der SDP gegründet. Im Volksstimme-Gespräch erinnert sich Willi Polte, langjähriger Oberbürgermeister von Magdeburg, an die turbulenten Tage im Herbst ´89.
Magdeburg l Als am 9. November 1989 die DDR das "Tor" in den Westen öffnete, sitzen die Gründermütter und -väter der Magdeburger SDP im Keller von Willy Polte. Man denkt kurz über die neue Situation und offene Grenze nach - und macht weiter. "Wir waren so intensiv mit den Planungen beschäftigt, dass wir gar nicht dran gedacht haben, sofort Richtung Helmstedt aufzubrechen", erinnert sich Willi Polte. Hinter der Gruppe, die für den damaligen Bezirk Magdeburg die "Sozialdemokratische Partei" (in der DDR) gründen will, liegen turbulente Wochen. Und es werden noch ebensolche Tage folgen, bis am 18. November 1989 die Partei tatsächlich gegründet wird.
Anfang Oktober 1989 traf man sich das erste Mal in Niederndodeleben mit Pfarre Markus Meckel. "Es war eine sehr angespannte Stimmung, denn wir kannten uns alle nicht und jeder ging natürlich davon aus, dass auch die Stasi ihre Spitzel geschickt haben wird", erzählt Willi Polte. Man "beschnupperte" sich, und Markus Meckel erläuterte den Berliner Gründungsaufruf für die SDP vom August ´89.
Für Polte stand schnell fest, dass er bei der SDP mit dabei sein will. Er war bereits kurz vor dem Mauerbau 1961 in West-Berlin heimlich in die SPD (West) eingetreten, aktives Parteimitglied konnte er aber dann nicht werden - die "Mauer war dicht" und Polte in Ost-Berlin, der "Hauptstadt der DDR". Wichtig war ihm im Herbst ´89, dass es einen Unterschied zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschland (SPD) und der SDP in der DDR geben sollte. "Sie sollte schon auf die DDR und die Forderung nach Pluralismus und dem Ende der SED-Alleinherrschaft bezogen sein, denn eine Wiedervereinigung stand zu der Zeit noch nicht im Raum."
Als feststand, dass die SDP im Bezirk Magdeburg gegründet werden soll, begann die eigentliche Arbeit. Die war alles andere als einfach. "Es mussten zum Beispiel Kontaktlisten öffentlich ausgehängt werden. Und wer da mit seinem Namen draufstand, für den gab es kein Zurück mehr. Alle haben vorher überlegt, ob sie diesen Schritt in die Öffentlichkeit tun sollen." Willi Polte wurde eine der Kontaktpersonen für Magdeburg.
Kleine Truppe mit großer Aufgabe
"Am Anfang waren wir noch eine ziemlich kleine Truppe, die einen Haufen Aufgaben zu erledigen hatte." Wichtig war, das Anliegen unter die Leute zu bringen. "Wir hatten aber kein Büro, kein Papierkontingent, keine Druckmöglichkeiten für Flugblätter, keine Büromöbel, kein Telefon. Nachdem die Grenze offen war, haben wir von der Braunschweiger SPD einen ausgedienten Spirit-Carbon-Drucker bekommen. Das war schon eine große Hilfe."
Es wurden Telefonketten aufgebaut, um schnell Informationen auszutauschen - wobei jeder gelernte DDR-Bürger natürlich weiß, dass Telefonie 1989 in der DDR und Telefonie 2014 zwei völlig verschiedene Welten sind. Auch schwang sich Willi Polte fast jeden Tag in seinen Trabant, um übers Land zu fahren und für die SDP-Gründung zu werben. Sogar von Feuerwehr- und Volkspolizei-Gruppen wurde er eingeladen. "Wir sind dabei immer davon ausgegangen, dass die Stasi uns überwacht, aber das hat niemanden mehr davon abgehalten." Immerhin: Die geplante Gründung der SDP war zu der Zeit die einzige Gründung einer Partei in der DDR - was noch verboten war! Auch im Dom beim Friedensgebet am 16. Oktober 1989 stellt Polte die "Initiativgruppe zur Gründung der SDP" vor.
Die inhaltliche Arbeit für die SDP-Gründung war nicht weniger schwierig. Wofür sollte die SDP stehen, wie sollte die Gründungs-Präambel lauten, welche Organe sollte die Partei bekommen und vieles mehr. "Wir hatten damit doch überhaupt keine Erfahrung. In der DDR wurde von oben nach unten durchregiert und jetzt sollten die Leute auf einmal selbst entscheiden."
Am 18. November 1989 war dann das Ziel erreicht: Im Gemeindesaal der Altstadtgemeinde fand die Gründung des SDP-Regionalverbandes statt. Das Grundsatzreferat hielt Markus Meckel, Willi Polte begrüßte die Teilnehmer. "Die Leute waren sehr zurückhaltend und nahmen eher eine Beobachterrolle ein." Die Ungewissheit, was aus der ganzen Sache am Ende werden könnte, sei spürbar gewesen. Aber: 112 Unterschriften standen am Ende unter der Gründungsurkunde. Und Willi Polte wurde der erste Vorsitzende des SDP-Stadt- und Bezirksverbandes Magdeburg.
Der Rest ist Geschichte. Die SDP geht in der SPD auf, und Willi Polte wird später zum langjährigen Oberbürgermeister von Magdeburg.