Stadtentwicklung Streit ums Eisenbahner-Klubhaus in Magdeburg
Das Gelände am einstigen Eisenbahner-Klubhauses am Stadtpark Magdeburg ist zugewuchert. Ob der Eigentümer eine Investition prüfen darf, entscheidet der Stadtrat.
Magdeburg - Nächste Runde für das Vorhaben, auf dem Gelände des früheren Eisenbahner-Klubhauses zwischen der Trasse der ehemaligen Kanonenbahn und dem Schwarzen Weg in Magdeburg ein neues Viertel mit Wohnangeboten für Demenzkranke sowie eine Kindertagesstätte zu entwickeln: Nachdem die Idee im vergangenen Jahr knapp im Stadtrat gescheitert war, nimmt der Investor jetzt einen neuen Anlauf. In einem Verfahren könnte geklärt werden, ob unter welchen Bedingung sich ein solches Vorhaben entwickeln lässt.
Auf dem Tisch liegt sowohl die Information aus der Verwaltung, dass aus Gründen des Hochwasserschutzes und aus Gründen des Denkmalschutzes nichts gegen eine Entwicklung der Fläche spricht. Geklärt werden müsste aber in dem Verfahren, wie im Zuge eines Hochwassers das Gelände für den Verkehr erreichbar bleibt.
Unterschiedliche Voten aus Ausschüssen
Ob diese und weitere Fragen in einem Verfahren geklärt werden, sorgt erneut für Streit im Stadtrat. Das zeigt sich auch in den gegensätzlichen Voten zweier Ausschüsse: Mit drei Ja- und vier Neinstimmen empfahl der Umweltausschuss, das Satzungsverfahren nicht auf den Weg zu bringen. Mit sechs Ja- und drei Neinstimmen befürwortet hingegen der Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr, das Projekt weiter zu prüfen. Am 10. Juni 2021 soll der Stadtrat darüber entscheiden.
Zwei Tage vor der Stadtratssitzung hatte Baubeigeordneter Jörg Rehbaum in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass vor einem Bau der Flächennutzungsplan der Stadt hier bislang eine Parklandschaft vorsieht. Ein später verfasster Rahmenplan sieht indes eine bauliche Entwicklung vor – was in der Stellungnahme aber nicht ausgeführt wird.
Umfangreiche Diskussionen
Zulässig sei, so Rehbaum weiter, bislang nur, den Altbau des Eisenbahner-Klubhauses zum Natur-Kindergarten auszubauen. Für Wohnvorhaben liege bislang keine Baugenehmigung vor.
Vorangegangen waren den Voten umfangreiche Diskussionen. Auf der einen Seite steht der Wunsch, das Gebiet nicht weiter zu entwickeln oder in der einen oder anderen Form in den Stadtpark zu integrieren, zumal auf dem benachbarten Grundstück des derzeitigen Bauhofs ebenfalls eine Bebauung und Bepflanzung vorgesehen ist. Auf der anderen Seite ist da der Wunsch, alte Fundamente für die Menschen nutzbar zu machen.
Im Folgenden einige der Themen, die für Kontroversen im Stadtrat sorgen.
Hochwasser und Untergrund: Architektin Ingetraut Kossel verweist darauf, dass das Gelände bereits für die frühere Nutzung für Festungsanlagen um vier Meter aufgefüllt wurde und damit faktisch nie ein Bestandteil des benachbarten Stadtparks war. Daher sei das Gelände auch während des Hochwasser 2013 nicht überschwemmt worden. Um auch bei einem Hochwasser mit 7,80 Metern Pegelstand an der Strombrücke sicher zu sein, müssten noch 60 Zentimeter aufgeschüttet werden.
Ein Baugrundgutachten hatte ergeben, dass unter der Hälfte der Flächen Mauerreste zu finden sind. Die Entwicklung von einem Viertel mit 5000 Quadratmetern bebauter Fläche und 10.000 Quadratmetern Grünfläche würde für die Entwicklung des Gebiets also sogar eine Entsiegelung des Areals bedeuten. Ohnehin würde der überwiegende Teil des Geländes öffentlich bleiben und damit – im Gegensatz zu jetzt – für Passanten überhaupt erst begehbar.
Vegetation: Der Investor möchte 35 Millionen Euro investieren. Von dieser Summe soll eine Million Euro in die Begrünung des Geländes fließen. Außerdem werden Dächer und Teile der Fassaden begrünt. Tierschutzpartei-Stadtrat Burkhard Moll jedenfalls hält es für falsch, das Gelände in seinem heutigen Zustand als Biotop zu bezeichnen: Hier müsse etwas im Sinne der Stadt entstehen. Anderer Ansicht war Grünen-Stadtrat Jürgen Canehl.
Tierwelt: Was sich genau für Tiere auf dem Gelände angesiedelt haben, müsste im Rahmen des jetzt vom Stadtrat auf den Weg zu bringenden Satzungsverfahrens geprüft werden. Im Falle eines möglichen Schulneubaus auf dem benachbarten Bauhof-Grundstück hatte zuletzt der Horst eines Rotmilans für Aufsehen gesorgt. Die Greifvögel sind streng geschützt und dürfen während der Brut nicht gestört werden. Das Beispiel des Ikea-Neubaus auf dem früheren Milchhof-Gelände im Sülzegrund zeigt aber auch: Wenn Rotmilane ein städtisches Areal als Brutstätte wählen, können sie sich gegebenenfalls auch mit einer Baustelle arrangieren.
Verkehr: Zwar hat die Verwaltung in ihrem Papier die Erreichbarkeit des Grundstücks im Hochwasserfall als kritischen Punkt benannt. Ingetraut Kossel verweist aber auf die Einigung mit dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks, über dessen Gelände der Verkehr abseits der Straße Am Winterhafen hochwassersicher fließen könne. Auch die alte Eisenbahntrasse wäre eine zu prüfende Variante, da auch sie höher liegt als die Umgebung.
Schallschutz: Linke-Stadträtin Anke Jäger sieht auch Fragen des Schallschutzes als Problem. Nicht weit entfernt ist schließlich der Messeplatz. Ingetraut Kossel hält dem entgegen: „Genau das soll ja im Satzungsverfahren mit einem Schallschutzgutachten geklärt werden.“
Verfahren: Unter anderem signalisieren die SPD-Stadträte Niko Zenker und Falko Grube, dass das Vorhaben geprüft werden müsse. Niko Zenker: „Im Moment ist das Gelände ein Schandfleck, auf dem etwas passieren muss.“ CDU-Stadtrat Reinhard Stern fordert in diesem Zusammenhang auch Verlässlichkeit gegenüber den Investoren: Alles andere werfe auch ein schlechtes Licht auf die Stadt. Mit einem Projekt für Alt und Jung können hingegen sogar ein Modell mit Außenwirkung für die Stadt entstehen.
Wenngleich der Bauausschuss einen Änderungsantrag formuliert hat, dass auch Ideen vorgelegt werden müssen, wenn eben keine Kita gebaut wird, zum Beispiel wenn entsprechend der Jugendhilfeplanung keine neue gebraucht wird.
Kritiker wie Linke-Stadtrat René Hempel besänftigen die Visionen von Jung und Alt indes nicht: Ihm fehlt die Gesamtidee zur Entwicklung des Gebiets.
Brief vom Investor
Vor der Sitzung des Magdeburger Stadtrats hat sich der Investor jetzt noch einmal mit einem Brief an die Fraktionen gewandt. Er erinnert daran, dass das Grundstück erworben worden sei, nachdem seitens der Verwaltung und der Stadtpolitik ein deutliches Interesse an der gemeinsamen Entwicklung dieses Projekts signalisiert worden war.
Eine Versachlichung der Diskussion mahnt Detlef Dörries, kaufmännischer Leiter der „Freytag & v. d. Linde Projekt-, Management- und Baugesellschaft“, an: Es sei angebracht, miteinander und nicht übereinander zu sprechen. So sagte er nach der Diskussion im Ausschuss gegenüber der Volksstimme: „Wir wollen insgesamt 1,25 Millionen Euro in die Außenanlagen investieren. In Abstimmung mit dem Umweltamt wird in diesem Zusammenhang auch festgelegt, welche Bäume erhalten werden sollen.“