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Konzert Telemann ist wie die Pyramiden in Ägypten

Mit seinem Orchester Virtuosi Saxonia eröffnet Ludwig Güttler am 4. März die Telemania in Magdeburg.

Von Christina Bendigs 31.01.2017, 15:06

Volksstimme: Herr Güttler, Sie gestalten das Eröffnungskonzert für die Telemania mit. Was haben Sie sich für dieses Konzert überlegt?

Ludwig Güttler: Es gibt ja mehrere Möglichkeiten der Herangehensweise an so ein Konzert. Also zum Beispiel, dass man Telemann ins Zentrum rückt und in Beziehung setzt zu Zeitgenossen, Lehrern, Schülern, Freunden, wie in dem Fall auch Johann Sebastian Bach. Oder, und darauf kam es mir an, seine Vielfalt widerspiegelt. Telemann hat ja für die damaligen Verhältnisse sehr lange gelebt, und er war unglaublich kommunikativ und hat auch die Anregungen seiner musikalischen Umgebung einbezogen. Das geht so weit, dass man gar nicht mehr denkt, dass ein bestimmtes Werk von Telemann ist. Und davon habe ich mich leiten lassen und ein reines Telemann-Programm gemacht, aber in diesen unterschiedlichen Phasen und mit dieser hohen Kontrasthaltung in Tonarten, Gestus, Besetzungen.

Was ist das Ergebnis?

Die Vielfalt, muss ich zusammenfassend sagen, ist in diesem Programm wirklich ausdrucksstark aufeinander bezogen. Es ist kein Stück dem anderen ähnlich. Es ist immer wieder das Neue, das Überraschende bei ihm, und auf diesen Aspekt kam es mir bei diesem Eröffnungskonzert besonders an, so dass ich für eine Eröffnung unter der Rubrik Vielfalt einen richtigen wunderbaren Schirm mit dem Programm aufgespannt habe.

In welcher Besetzung werden Sie in Magdeburg spielen?

Wir kommen mit den Virtuosi Saxonia, das ist eine Kammerorchester-Besetzung, also Streicherbesetzung, mehrere Oboen, Fagotte, Corni da Caccia und Pauken, also eine Kammerorchestergröße, die man als groß bezeichnen kann.

Sie spielen nicht zum ersten Mal in Magdeburg. Vorige Woche haben Sie ein Konzert in der Pauluskirche gegeben, aber auch in früheren Jahren waren Sie schon hier, eröffneten zum Beispiel in den 1970er Jahren die Telemann-Konzerthalle im Kloster Unser Lieben Frauen. Was verbinden Sie mit Magdeburg?

Die Eröffnung der Telemann-Konzerthalle ist ja jetzt nicht insofern etwas Besonderes, da wir viele Konzerte spielen und auch manche andere Konzerthalle eröffnen. Die Konzerthalle hatte eine fast zu große, aber sehr schöne große Orgel bekommen und dort haben wir mehrfach musiziert, und das war für Magdeburg auch im Angesicht der vielen Zerstörungen ein Lichtblick in mehrfacher Hinsicht. Magdeburg hat auch aus anderen Gründen, aber durch Telemann fokussiert, immer eine größere Rolle für mich gespielt.

Ich frage danach, weil es für mich als Lokaljournalistin natürlich interessant ist, was Sie noch mit Magdeburg verbindet.

Na ja, aber für mich ist es nicht der regionale Bezug, sondern für mich ist der Weltkulturbezug von Telemann wichtig. Und da hat Magdeburg einfach Glück, dass Telemann dort verheimatet ist.

Sie sind auch Telemann-Preisträger. Wann ist Ihre Leidenschaft für Telemann erwacht?

Das hängt einfach mit der Kenntnisnahme und der Aufführung der einzelnen Werke zusammen. Und dann dieses Addieren und Multiplizieren mit diesen Möglichkeiten, immer wieder, und dann entwickelt man eine Zuneigung. Das Beschäftigen damit macht Freude, und etwas zu entdecken, wovon man weiß, dass es die anderen noch nicht haben, macht einem noch größere Freude, und so ist es ein wunderbar positives, Bestätigung förderndes Tun.

Ist es dann auch diese Vielfalt und dieses Interkulturelle in der Musik Telemanns, das Sie fasziniert?

Ja! Telemann ist wirklich der dafür prädestiniert zu Nennende für die verschiedenen Stilmerkmale, die ausgeprägten französischen, die italienischen, die polnischen. Er hat einmal gesagt, wenn er all die melodischen Einfälle verarbeiten müsste, hätte er für nichts anderes mehr Zeit. Das ist auch etwas, wo er die Reichhaltigkeit einfach rühmt. Ich würde nicht unbedingt sagen interkulturell, sondern ich meine, das ist eine Weltkulturangelegenheit; wie es eben manche Dinge gibt, wie das die Pyramiden in Ägypten sind, die einfach über den eigenen Kulturkreis, in dem es hervorgebracht wurde, in ihrer Bedeutung weit hinausreichen. Johann Sebastian Bach gehört nicht nach Leipzig, er gehört der ganzen Welt, zum Beispiel.

Würden Sie Ihr Konzert in Magdeburg auch Leuten empfehlen, die mit klassischer Musik nicht so vertraut sind?

Also, dazu kann ich nichts sagen, weil ich nicht weiß, wie vertraut oder unvertraut die jeweilige Person ist. Ich kann es allen empfehlen, die mit dem Namen Telemann etwas anfangen können und eine gewisse Gehör-Erfahrung haben. Denn wenn sie keine Hörerfahrung haben, können sie auch nicht den Honig aus der Tatsache saugen, dass es eine Vielfalt ist und welche Vielfalt es ist. Also, Musik erschließt sich nicht einfach durchs Hören. Neben dem Gehör muss auch der Bauch eine gewisse Aktivität mitbringen. Wenn Sie Mittag essen, brauchen Sie auch Messer und Gabel.

Magdeburg will die Telemania als einen Teil für die Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt in Europa nutzen. Wie bewerten Sie das aus Ihrer Sicht?

Dass sich die Stadtoberen dafür entschieden haben, das ist ein Pluspunkt in der Entwicklung, aber bei einem solchen Event von einer Gesamtdarstellung zu reden, wird Telemann nicht gerecht. Also, es kann vielleicht ein halbes Prozent seiner Wirksamkeit bei so einem Anlass dargestellt werden. Es ist ein wunderbarer Beitrag, ein Baustein, und dabei möchte ich jetzt nicht zählen, wie viele Bausteine notwendig wären, um das Haus Telemann sichtbar und bewohnbar zu machen.

Bislang ist Telemann in Magdeburg aber nach meinem Kenntnisstand noch nicht so intensiv gewürdigt worden wie in diesem Jahr.

Na, wunderbar.

Die gesamte Person in einer Veranstaltungsreihe aufzuarbeiten, das geht ja auch nicht.

Das ist bei jedem kulturellen Phänomen unmöglich. Und es lässt sich auch mit Worten, Sie sehen ja, wie ich mich mühe, nicht hinführend beschreiben. Man kann allenfalls versuchen, den persönlichen Anteil und den Beitrag, den man leisten will zum Gesamtwerk, etwas zu charakterisieren, oder vielleicht sogar zu würdigen, aber das Gesamte entsteht aus allen diesen Dingen. Also eine Gesamtdarstellung ist bei der Fülle der Telemannʼschen wunderbaren Einfälle fast nicht möglich.

In welcher Stadt bekommt man ein besseres, umfassenderes Bild von Telemann?

Also ich würde das für eine absolute Idiotie halten meinerseits, wenn ich die Städte und Wirkungsstätten, die miteinander sich bemühen, mit unterschiedlichem Erfolg, aber mit brennendem Herzen, wenn ich die gegeneinander in eine Reihenfolge stelle. Damit würde ich einige abqualifizieren, das ist dieselbe doofe Haltung jener Leute, die auf dem Sofa sitzen und bei der Olympiade zugucken, und ihren eigenen Bauch keine hundert Meter weit tragen, jener Leute, bei denen die Verlierer bei der Silbermedaille anfangen. Also, diesem Geiste fröne ich nicht. Ich freue mich auch über jede kleine Aktivität.