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Ausgehtipp für das Schauspielhaus Theater Magdeburg zeigt Effi Briest im neuen Gewand

Mit einer Adaption des Fontane-Romans geht das Theater Magdeburg Fragen rund um Rollenbilder aus heutiger Sicht nach.

Von Martin Rieß 05.10.2024, 07:00
Isabel Will in der Effi-Briest-Version am Theater Magdeburg.
Isabel Will in der Effi-Briest-Version am Theater Magdeburg. Foto: Kerstin Schomburg/TM

Magdeburg - Das Theaterstück „Effibody's Darling“ von Annette Müller ist ein Stück für eine Frau mit Isabel Will, die auf Theodor Fontanes Klassiker „Effi Briest“ basiert. Premiere hatte das Schauspiel, das die klassische Literaturvorlage in ein modernes Gewand packt, diesen Donnerstag im Schauspielhaus des Theaters Magdeburg.

Magdeburger Ausflug in die Geschichte

Die Adaption des Romans beleuchtet zentrale Themen wie die Unterdrückung und den inneren Konflikt der Protagonistin Effi Briest: Diese wird mit grade einmal 17 Jahren mit dem mehr als 20 Jahre älteren Baron von Innstetten verheiratet.

Isabel Will in „Effibody's Darling“ im Casino des Schauspielhauses des Theaters Magdeburg.
Isabel Will in „Effibody's Darling“ im Casino des Schauspielhauses des Theaters Magdeburg.
Foto: Kerstin Schomburg/TM

Fortan bewegt sich Effi in einer bedrückenden Welt gesellschaftlicher Pflichten und Ängste: Wie sie sich in der Rolle als Gattin eines konservativen Mannes einfindet, der weniger an ihr als an der Zeitungslektüre interessiert zu sein scheint, wie sie sich im ungewohnten Terrain der örtlichen Oberschicht zurechtfinden muss, wie sie sich nach den Menschen und den Örtlichkeiten ihrer Heimat zurücksehnt. Diese – so eine Theorie – habe Fontane im heutigen Jerichower Land angesiedelt: Vorlage für Fontane sei die Geschichte der Elisabeth Freiin von Plotho aus Zerben gewesen. Doch so ganz sicher ist das nicht, andere Wissenschaftler sehen das Vorbild für die literarische Figur der Effi Briest eher bei der Familie gleichen Namens im Brandenburgischen.

Innstettens Haus an der fernen pommerschen Küste wird indes von Effi als Spukhaus wahrgenommen, in dem alte Geister umhergehen und Effis Lebensfreude rauben – ein Symbol für die unausgesprochenen Lasten der Vergangenheit.

So viel ist all jenen bekannt, die artig in der Schule die Pflichtlektüre gelesen haben oder die eine von mehreren Verfilmungen gesehen haben. Doch Annette Müllers Inszenierung geht weiter. Sie hinterfragt aus der heutigen Sicht die Rollenbilder, die durch eine patriarchale Gesellschaft geformt werden, und wie sie bis heute auf Frauen und Männer wirken. Durch die Interpretation als Ein-Frau-Stück bekommt die Erzählung einen fokussierten, intimen Blickwinkel auf Effis inneres Leben und die geistige Unterdrückung, die sie durch ihre Umgebung und die Erwartungen ihrer Zeit erfährt – so der Anspruch der Inszenierung.

Laufsteg statt Bühne

Dabei wird die klassische Bühne durch eine Art Laufsteg ersetzt. Das ist inhaltlich durchaus schlüssig: Die nicht weiter benannte Hauptrolle ist nämlich gar nicht Effi Briest, sondern eine Frau aus dem Hier und Jetzt, die die Geschichte von Effi Briest dem Publikum präsentieren soll.

Verstehen kann man diesen Laufsteg durchaus sinnbildlich: Auf ihm geht es meistens darum Mode zu präsentieren, also die attraktive Hülle, die sehenswerte Schale. Die inneren Werte – nebensächlich. Und genau das ist das Dilemma, in dem Effi Briest steckt: Ihr Mann Geert von Innstetten erfreut sich an ihr, da er in ihr ihre Mutter wiedererkennt. In diese war er zwei Jahrzehnte zuvor verliebt. Auch als Zuhörerin für seine Vorträge über Politik oder Kunst wird Effi gebraucht – aber eben nicht als Gesprächspartnerin in einem gleichberechtigten Nebeneinander.

Freilich gibt es einen guten Grund, warum nicht jedes Theater statt einer Bühne über einen Laufsteg verfügt. Models, die Mode präsentieren, sprechen nicht. Und Pop-Größen, die sich in einem Konzert auf einem solchen präsentieren, verfügen über ein Mikrofon. Über dieses verfügt Isabel Will nicht. Und so ist es für sie eine Herausforderung, jene Menschen zu erreichen, denen sie aufgrund der räumlichen Situation gerade den Rücken zuwenden muss.

Na klar: Es geht um Sex

Auch wenn Annette Müller den tragischen Weg der Romanvorlage nachzeichnet – immer wieder lenkt sie den Blick auf das heutige Leben. Das beginnt bei der verklausulierten Sprache, der sich die Figuren in Effi Briest bedienen und die auch durch Toneinspielungen aus Verfilmungen dem Publikum nahe gebracht werden. Wenn Isabel Will in der Rolle der Effi-Briest-Erzählerin diese zum Teil mitspricht, dann geschieht dies mit Unterbrechungen, nicht immer synchron, mit einem ungläubigen Blick: Ist das jetzt wirklich wahr, reden die Personen tatsächlich in dieser Weise miteinander?

Und klar: Wo die Moral des 19. Jahrhunderts eine Rolle spielt, spielt mit dem Blick auf heute natürlich wenigstens verbal der Geschlechtsverkehr eine Rolle. Ob dies das Stück ebenso wie gymnastische Übungen auf einem aufblasbaren Hai der Handlung zuträglich ist, muss das Publikum selbst für sich entscheiden.

Termine und Tickets

Vorstellungen sind bislang geplant für den 6. Oktober um 18 Uhr sowie für den 29. Oktober, 5., 6. und 27. Dezember jeweils um 19.30 Uhr im Schauspielhaus in der Otto-von-Guericke-Straße 64.

Eintrittskarten sind im Vorverkauf an der Kasse des Theaters Magdeburg im Opernhaus am Universitätsplatz 9, soweit noch verfügbar aber auch an der Abendkasse direkt vor den Vorstellungen im Schauspielhaus erhältlich.