Bahnhofstunnel Magdeburg Tunnelbau: Kostenschock mit Ansage
Im Januar 2015 soll der Stadtrat Nägel mit Köpfen machen in Sachen Tunnelbau am Damaschkeplatz. Die Vergabe der Bauleistungen steht an. Der Oberbürgermeister kündigt in Kenntnis der Ausschreibungsergebnisse einen Kostenschock an.
Magdeburg l Anlass für die staatstragende Rede, die Lutz Trümper (SPD) zum Thema am Montagabend im Stadtrat hielt, war eine Anfrage. Helga Boeck (Linke) wollte wissen, ob angesichts der sich abzeichnenden Finanzierungsprobleme nicht in Frage stehe, "ob wir uns den Luxus des Tunnels noch leisten können".
Das Stadtoberhaupt beantwortete die Frage nicht, wie üblich, von seinem Platz auf dem Podium aus. Trümper schritt mit ernster Miene ans Rednerpult. Ein Achtungssignal.
"Das Thema wird uns in wenigen Wochen mit voller Wucht erreichen", konstatierte Trümper. Im Baudezernat lägen die Ausschreibungsergebnisse für die Vergabe der Bauleistungen vor. "Alles, was ich bisher gehört habe, ist nicht erfreulich."
Trümpers Tonfall legte das Bild einer Expertenrunde nahe, die ratlos auf die Angebote blickt und ihren Augen nicht traut. Summen mochte Trümper am Montag nicht öffentlich machen. Die Papiere würden erst geprüft, von Fach- und Rechtskundigen sozusagen durch die Mangel gedreht. Zudem müsse errechnet werden, auf wen wie viele Mehrkosten entfallen. Am Projekt ist nebst der Stadt zuvorderst die Bahn beteiligt, daneben MVB, SWM und weitere Partner.
Die alte Rechnung - sie stammt aus 2006 - ging so: Gesamtkosten 58 Millionen Euro, städtischer Anteil 28 Millionen abzüglich Fördermittel in Höhe von 20 Millionen macht unterm Strich 8 Millionen Euro, die aus der Stadtkasse in den Bau fließen sollten. Es kommt anders.
Auf Nachfrage legte Trümper gestern doch erste Zahlen nach: "Für die jetzt zu vergebenden Lose, die den Hauptteil der Bauleistungen ausmachen, sollten nach Planung 40 Millionen Euro anfallen. Unter dem Angebot stehen 68 Millionen." Die Gesamtkosten nähern sich damit noch vor dem echten Baustart (im Sommer 2015 geplant) der 90-Millionen-Marke an.
Man musste kein Hellseher sein, um angesichts des Alters der Planungsunterlagen eine Kostensteigerung vorherzusehen; das Ausmaß indes erschüttert. Hinzu kommt, dass das Land beileibe keine 20 Millionen Euro mehr in den Tunnel stecken will. Stattdessen soll die Stadt bis 2019 in Häppchen 27 Millionen Euro bekommen - zur Unterhaltung aller Straßen- und anderen Verkehrsbauprojekte; pro Jahr flössen 4,5 Fördermillionen, was einem Tropfen auf die heißen Tunnelbauangebote gleichkommt. Kostensteigerung plus Fördermittelausfall summiert, spekuliert Trümper: "Ob auf die Stadt am Ende 20 oder 25 Millionen zukommen, kann ich heute nicht sagen." Trümper räumt Ratlosigkeit ein: "Ich überlege schon 14 Tage lang, wie man damit umgeht. Was ist die Alternative? Kein Tunnel, sondern Absenkung und Verbreiterung? Dafür müssten wir bei Null anfangen. Allein ein neues Planfeststellungsverfahren würde fünf Jahre dauern. Ob da die Bahn mitspielt?"
Die Bahn meldet seit 2004 Bedarf zur Erneuerung der maroden Brücken am Damaschkeplatz an. Werden sie angefasst, muss die Durchfahrtshöhe für die Straßenbahn erweitert werden, sonst darf sie nicht mehr passieren. Das ist Hintergrund der 2006 und 2009 nach jahrelangen Debatten im Stadtrat mit jeweils nur knapper Mehrheit bewilligten Tunnelbaupläne. Der Kostenschock mit Ansage spielt den Tunnelgegnern erneut in die Hände. Trümper will das Gespräch mit der Bahn suchen, notfalls die Ausschreibung aufheben und so (Preis-)Druck auf die Anbieter erzeugen, gesteht aber: "Eine richtige Alternative habe ich im Moment nicht".