Verkehrsbetriebe Fest für Magdeburger Straßenbahntrasse
Ab 9. August 2018 rollen in Magdeburg die Straßenbahnen durch die Wiener Straße. Das wurde bereits am Mittwoch gefeiert.
Magdeburg l Mit historischen Straßenbahnen und einem bunten Programm haben die Magdeburger Verkehrsbetrieb (MVB) am 8. August 2018 gemeinsam mit Anwohnern und weiteren Besuchern die neue Straßenbahntrasse in der Wiener Straße eröffnet. Als Anziehungspunkte des Nachmittags erwiesen sich Glücksrad, Imbiss, Eis und der Tumdrehkran, mit dem die Besucher einen Blick aus 14 Metern Höhe auf die Strecke werfen konnten.
Ab dem Tag darauf, der gleichzeitig den Schulbeginn in Sachsen-Anhalt nach den Sommerferien markiert, rollen die Bahnen auf zunächst zwei Linien auf der Strecke zwischen bestehenden Strecken durch die Halberstädter sowie die Leipziger Straße nach Fahrplan. Im Einsatz sind die Linien 6 und 9.
Die Neubaustrecke hat 19,8 Millionen Euro gekostet hat und ist knapp einen Kilometer lang ist. Die Fertigstellung hatte sich um mehrere Monate verzögert, nachdem Fehler in der Planung korrigiert werden mussten. Die Arbeiten führten auch zur Sperrung der Wiener Straße für den Autoverkehr. Diese Sperrung wird noch bis in den Herbst 2018 andauern, da trotz der freien Strecke für Straßenbahnen an der Kreuzung Wiener Straße/ Leipziger Straße weiter gebaut wird.
Die Strecke ist Teil der Zweiten Nord-Süd-Verbindung für die Straßenbahn durch Magdeburg, für die mehrere Neubaustrecken gebaut werden. Das Gesamtprojekt soll im Jahr 2021 fertiggestellt werden, für das u. a. der Magdeburger Ring auf einem Abschnitt um einige Meter verlegt werden soll.
Für das Gesamtpojekt laufen Arbeiten in der Raiffeisenstraße, die sich an die Wiener Straße anschließt. Hier soll ein Lückenschluss zur Trasse nach Buckau erfolgen. Außerdem wird zwischen Lorenzweg und Albert-Vater-Straße gebaut. Hier entsteht einer von drei Abschnitten im Norden Magdeburgs. Der derzeit im Bau befindliche Teil ermöglicht Straßenbahnfahrten zwischen Hermann-Bruse-Platz und Damaschkeplatz. Weiter nördlich soll die Strecke durch den Milchweg bis hinein in den Kannenstieg verlängert werden.
Zu denen, die zum Feiern in die Wiener Straße gekommen waren, gehörte auch Mathias Goto. Als Anwohner in der Raiffeisenstraße und als Mitarbeiter im Puppentheater ist er doppelt vom Streckenbau betroffen und sagte: „Die Bauarbeiten sind für die Menschen im Viertel mit großen Einschränkungen verbunden. Ich denke aber auch, dass nach der Fertigstellung die neuen Linien gut angenommen werden.“ Zwischenzeitlich habe es sich an der Raiffeisenstraße so ruhig gelebt wie nie zuvor. „Das hat sicher auch etwas mit der guten Abstimmung zu tun und dass die Bauleute sich genau an die Arbeitszeiten gehalten haben“, sagte der Anwohner.
Ebenfalls direkt mit den Bauarbeiten zu tun hatte Frank Bonse. Er ist Vorsitzender der Elterninitiative Kinderkasten. Er berichtete: „Als wir 2006 die Kindertagesstätte Villa an der Wiener Straße übernommen haben, hätten wir sicher kaum gedacht, dass hier einmal wirklich eine Straßenbahn fahren würde.“ Und im Kindergarten habe man genau verfolgt, wie kritisch das Vorhaben diskutiert wurde. „Letztendlich war die Bauzeit für die Kinder im Kinderkasten natürlich eine sehr spannende Zeit. Tagtäglich haben sie verfolgt, was es auf der Baustelle zu sehen gibt“, berichtete er.
Spannend für die Erwachsenen auch, wenn die Wegführung einmal durch die Baustelle einmal wieder geändert wurde. „Jetzt wird uns die Straßenbahn aber nutzen. Unter anderem werden Mitarbeiterinnen die Möglichkeit nutzen, mit der Bahn schnell und ohne Stress ins Zentrum zu gelangen.“ Die Kinderkastenkinder trugen jedenfalls auf der Bühne drei Songs vor – einer davon handelte, dass derjenige, der fleißige Handwerker sehen möchte, sich doch am besten bei ihnen einfinden möge – sie hatten aus dem Fenster schließlich den Logenplatz zum Baugeschehen.
Straßenbahnfahrlehrer Steven Rausch steuerte die Bahn zur Jungfernfahrt, die parallel zu einem der in der Zwischenzeit zwischen Südring und Hertzstraße pendelnden historischen Triebwagen der IG nah in einem Konfettiregen auf dem Festgelände einrollte. Er sagt: „Alle Fahrer sind für die Wiener Straße theoretisch geschult worden.“ Es ging dort beispielsweise darum, welche Ampeln wo stehen und welche Geschwindigkeiten zu beachten sind.
Steven Rausch sagte: „Aufgeregt bin ich wegen der Jungfernfahrt zwar nicht. Aber etwas Besonderes ist es schon.“ Etwas Besonders auch, da die Streckeneröffnung zeige, dass sich die Stadt zum Straßenbahnverkehr auch für die Zukunft bekennt.
Oberbürgermeister Lutz Trümper sieht in der neuen Strecke einen wichtigen Meilenstein für die zweite Nord-Süd-Verbindung für die Straßenbahn durch ganz Magdeburg. Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Thomas Webel lobt die neue Strecke als Beitrag, mehr Menschen zum Umsteigen auf Bus und Bahn zu bewegen. Wenngleich MVB-Geschäftsführerin Birgit Münster-Rendel darauf hinwies, dass die neue Strecke ihre volle Wirkung erst mit der Inbetriebnahme des derzeit in Bau befindlichen Anschlussstücks durch die Raiffeisenstraße bis in die Schönebecker Straße entfalten werde.
Was die Zukunft angeht, so nannte Lutz Trümper als Investitionen nach Fertigstellung des 190-Millionen-Euro-Projekts die Große Diesdorfer Straße, die Schönebecker Straße, vielleicht auch die Erschließung Otterslebens als Perspektiven für den weiteren Ausbau des Straßenbahnnetzes. Thomas Webel berichtete in diesem Zusammenhang, dass der Bund seine Förderung über 60 Prozent entsprechender Projekte für weitere Jahre zugesichert habe – jetzt sei es an ihm, die Mitglieder des Landtags von der Fortsetzung der Landesförderung über 30 Prozent zu überzeugen.
Unter anderem stand der Magdeburger Kabarettist Lars Johansen auf der Bühne, der nicht zuletzt Verzögerung zur Freigabe der neuen Trasse um mehr als zwei Jahre aufs Korn nahm. Unter anderem müsse das wohl daran liegen, dass es heute keine Ingenieure, sondern nur noch Bachelors gebe, die sich wundern, dass es im Untergrund einer Stadt Leitungen gibt.
Immerhin seien die beiden neuen Schnurbäume an der Kreuzung Halberstädter Straße/ Wiener Straße echte Hingucker. Dass der Vorgängerbaum trotz eines großen Aufwands durch die MVB bei einem Sturm zerstört worden sei, sei angesichts der neuen Bäume zu verschmerzen: „Die neuen Bäume sind ja keine Schnurbäume, das sind richtige Seilbäume“, so der Kabarettist.
Mit in das Fest eingebunden waren Gewerbetreibende aus der Nachbarschaft, die unter den Verkehrsbehinderungen der vergangenen Monate leiden mussten. Für einen sehr kreativen Beitrag sorgten Jugendliche aus dem Gröninger Bad mit einer Performance in Bauarbeiterkluft.