Lutz Neise bietet in Gröningen ab sofort Wohngruppen für Senioren an Berliner Schulleiter richtet alte Steinvilla des Zuckerfabrikanten Friedrich Karl Hecker wieder her
Im Gröninger Zuckerpark wurde die alte Fabrikantenvilla renoviert. Drei Jahre lang werkelte Lutz Neise aus Falkensee an dem Gebäude, das ihn wegen seines Ambientes sofort in den Bann zog.
Gröningen l Dort, wo sich einst eine Zuckerfabrik in Gröningen befand, können nun bald Senioren in einer Wohngemeinschaft zusammen leben. Möglich macht das Lutz Neise aus Falkensee bei Berlin. 2007 hat er die alte Fabrikantenvilla im Südgröninger Tor 6a ersteigert.
Damals wurde das historische Gebäude von der Wohnungsbaugesellschaft "Umland" abgestoßen. "Ich fand es architektonisch sehr reizvoll", sagt Neise. "Das Ambiente passt, und ich sehe das als eine Art Hobby, hier handwerklich aktiv zu sein."
Objekte wie die altehrwürdige Fabrikantenvilla zu renovieren, bereite ihm Freude. Allerdings sei er keineswegs ein Profi auf dem Gebiet. "Eigentlich leite ich einen Bildungsträger in Berlin, der Integrationskurse anbietet", verrät er.
Alle zwei Wochen ist der Hobbyhandwerker derzeit in Gröningen. Seit drei Jahren arbeitet er an dem Haus, zunächst wöchentlich. Zwei Familien wohnen bereits im Obergeschoss. Nun soll im Untergeschoss für fünf bis sechs Bewohner mit Demenz oder Behinderungen ein gemütliches Zuhause entstehen.
"Die Mieter bringen ihre Möbel selbst mit", erklärt er den Unterschied zum Heim. "Sie haben ein großes gemeinsames Wohnzimmer mit Kaminofen und teilen sich die geräumige Küche." Die Bäder hat er schwellenfrei gebaut. "Solche Wohngruppen gibt es in Berlin schon etwas länger", erklärt er.
In der Fabrikantenvilla lebte einst der Halberstädter Fabrikant Friedrich Karl Hecker, der gemeinsam mit dem Gutsbesitzer Andreas Wiersdorff aus Dahlenwarsleben die Zuckerfabrik in Gröningen gründete.
Zwischen 1876 und 1879 boomt die Industrieanlage
Die 1863 gebaute Fabrik entwickelte sich rasant und war insbesondere von 1876 bis 1879 die größte und bestausgerüstete Zuckerfabrik in der preußischen Provinz. Rüben, Kohlen und Zucker wurden in Massen transportiert und machten damit auch den Bau eines Bahnanschlusses erforderlich.
Über ein Betriebsanschlussgleis wurde die Fabrik 1879 mit der Staatsbahn im Bahnhof Nienhagen verbunden. Im Jahr 1914 wurden ein neues Kontor- und Geschäftsgebäude und der dritte Fabrikschornstein errichtet. Eine Geschichte, die sich erzählt wird, berichtet, dass in Gröningen so viel Zucker produziert wurde, dass man damit einen Eisenbahnzug mit einer Länge von Gröningen bis zu den ägyptischen Pyramiden hätte füllen können. Die Erfolgsgeschichte der Gröninger Zuckerfabrik war allerdings nicht endlos.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam auch das Ende für die Industrieanlage. Unter sowjetischer Besatzung wurde die Firma enteignet.
Reparationsleistungen für Schäden in der damaligen Sowjetunion wurden schließlich mit dem Abbau von Maschinen und Anlagen beglichen. Ab 1946 wurde damit der größte Arbeitgeber der Stadt Gröningen zerstört. 700 Arbeiter saßen auf der Straße.
Die Pläne, die Zuckerfabrik größer und moderner wieder aufzubauen, wurden nie in die Tat umgesetzt. In den Folgejahren nutzten einige kleinere Unternehmen die vorhandenen Gebäude und Anlagen. Die Firmen wurden nach der Wende zwischen 1989 und 1992 abgewickelt und geschlossen. Das hatte auch Folgen für die Gebäude, denn ungenutzt verwandelten sie sich in unansehnliche Ruinen.
Nach der Wende finden sich keine Nachnutzer
Da sich für das Gelände und die Gebäude keine Nachnutzer fanden, entschloss man sich 1996, die Industriebrache abzubrechen.
Zwischen Juni 2001 und Mai 2002 erfolgten die Abbrucharbeiten, die auch mit der Sprengung des 75 Meter hohen Schornsteins - übrigens einst ein Gröninger Wahrzeichen - und des Kesselhauses verbunden waren. Der heutige Zustand mit dem sogenannten "Zuckerpark" wurde im zweiten Bauabschnitt hergestellt, in dem das Gelände rekultiviert und ein Ort der Erholung für die Gröninger und ihre Gäste geschaffen wurde.
Das 3,9 Hektar große Areal wurde mit viel Initiative zu einem Park umgestaltet. Er ist von ausgedehnten Wiesenflächen und einer lockeren Bepflanzung mit zumeist einheimischen Bäumen und Sträuchern geprägt.
Insgesamt 27 unterschiedliche Baumarten, darunter auch zahlreiche "Bäume des Jahres" sind dort zu finden. Darunter die Stieleiche, Rotbuche, Winterlinde, Feldulme, Speierling, Gemeine Eibe, Bergahorn, Hainbuche, Eberesche, Wildbirne, Silberweide, Sandbirke, Gemeine Esche und Gewöhnlicher Wacholder. Aber auch der Fächerblattbaum "Ginko bilboa", der zum Baum des Jahrtausends gewählt wurde und zu den Nadelbäumen gehört, hat einen Standplatz im Zuckerpark gefunden, ebenso wie der aus China stammende Götterbaum "Ailanthus altissima".
Mittlerweile dient das Gelände der Erholung
Sogar ein Mammutbaum, der zur 1075-Jahrfeier der Stadt Gröningen im Oktober 2009 gepflanzt wurde, befindet sich im Park. Auch ein alter Brunnen wurde saniert, und eine Schautafel und ein Monument über die Gründer der Zuckerfabrik erinnern an die Geschichte der einstigen Zuckerfabrik.
Lutz Neise bietet übrigens am 11. Januar ab 14 Uhr an, sich die alte Fabrikantenvilla anzuschauen.
Anmeldungen sind erbeten unter Tel. (0179)2969849.