Abwasser-Anschluss In fast jedes Haus ein Pumpwerk
Vier Werbener Straßen werden ans Abwassernetz angeschlossen. Dies geht zumeist auch mit dem Einbau eines Hauspumpwerkes einher.
Werben l Diese Einwohnerversammlung machte ihrem Namen alle Ehre. Der Sitzungssaal des Rathauses war am Donnerstag zu klein, um den rund 50 Bürgern Platz zu bieten. Nicht verwunderlich, dieses Interesse. Schließlich geht‘s den Bürgern auch ans eigene Portemonee, wenn der Wasserverband Stendal-Osterburg die Straßen Am Wehl, die Lange Straße, Fischerstraße und Promenade ans zentrale Abwassernetz anschließt. Und das ist in diesem Fall nicht ganz so einfach, wie Olaf Schmidt, Investbauleiter beim Wasserverband, in Werben gemeinsam mit Karsten Braunschweig vom Planungsbüro darlegte.
Wie die Stadt Werben und der Wasserverband es Mitte der 1990er umsetzten, läuft die Entwässerung in genannten Straßen der Altstadt bis dato über ein Mischwasserkanalsystem. Die Bewohner haben Sammelgruben oder Kleinkläranlagen. Der Überlauf der Kleinkläranlagen und das Regenwasser laufen in den Mischwasserkanal beziehungsweise den Stadtgraben, „für den es schon seit Jahren gar kein Wasserrecht mehr gibt“, so Schmidt.
Es sei nun höchste Zeit, dass in genannten Straßen etwas passiert. Das sollte laut Wunsch des Wasserverbands eigentlich so aussehen: Der Mischwasserkanal bleibt Mischwasserkanal, wobei das Regenwasser mittels neuem Abschlagsbauwerk vom Schmutzwasser getrennt und in den Wehl geleitet wird, das Gewässer in gleichnamiger Straße. Während die Untere Wasserbehörde dazu ihr Okay gab, legte die Obere ihr Veto ein. „Sie fürchten, dass der Wehl umkippt“, so Schmidt.
Da die Straßenkörper mittlerweile komplett belegt seien, mit neuer Trinkwasserleitung, mit der Gasleitung, mit Kabelsystemen, wäre es ein nicht bezahlbarer Aufwand, Schmutzwasserleitungen im Freigefälle zu legen. „Das gesamte System müsste neu sortiert und die Straßen komplett aufgenommen werden“, so Schmidt, der die Variante, die nun umgesetzt werden soll, als alternativlos bezeichnet: Der bestehende Mischwasserkanal wird zum reinen Regenwasserkanal, wobei das Regenwasser über drei Zuleitungen zum Wehl geführt wird. Es bedarf hierfür zweier Regenwasserdruckleitungen und zweier Regenwasserpumpwerke, wobei die Abführung des Regenwassers betreffend die Stadt Werben finanziell aufkommt.
Das Abwasser betreffend werden die Lange Straße und die Fischerstraße mit ganz neuen Abwasserdruckleitungen versehen, die dann über das Freigefälle in der Promenade ans bestehende Abwassernetz angeschlossen werden. Schließlich landet das Schmutzwasser dann in der Kläranlage Werben. Die Sammelgruben und Kleinkläranlagen müssen nachweislich rückgebaut und abgepumpt werden, informierte Schmidt, der sich auch noch zu den Kosten äußerte. Über den Baukostenzuschuss hinaus, der sich nach Gebäudehöhe und Grundstück richtet (eingeschossig bis 600 Quadratmeter 1150 Euro), kommen Kosten für ein Hauspumpwerk, das sich die meisten Bewohner zulegen müssen. Installiert entweder im Hof oder im Keller, wobei die Kosten je nach Typ von rund 1600 bis 3100 Euro schwanken, „das kann heute schon wieder anders aussehen“, betonte Schmidt, der empfahl, Sammelbestellungen mit einzelnen Rechnungen aufzugeben.
Ein paar Scheine werden die Anwohner alles zusammengenommen trotzdem los, was in der Versammlung kritische Äußerungen provozierte. „Warum müssen wir für das bezahlen, was die damals falsch gemacht haben?, fragte ein Mann. Bürgermeister Bernd Schulze sagte sinngemäß, dass man sich auf den Kopf stellen könnte, „das ist jetzt so, damals vor der 1000-Jahrfeier wollten sie die Straße schnell wieder zu haben“. Für den Kompressor, mit dem die Abwasserdruckleitungen gespült werden, gebe es Schallschutzwerte, beantwortete Schmidt noch eine Frage. Und es bestehe die Möglichkeit, die Kosten beim Wasserverband abzustottern.
Das Gute: Die Lange Straße und Fischerstraße, wo Druckleitungen verlegt werden, müssen nicht komplett, sondern nur punktuell hochgenommen werden. „Wir verlegen im Bohrspülverfahren.“ Trotzdem würden die Bauarbeiten über weite Teile unter Vollsperrung stattfinden. Baubeginn soll am 8. April sein, das Ende der Baumaßnahme ist für September angesetzt. Es werde wöchentlich öffentliche Bauberatungen geben. Für die Müllentsorgung würden Sammelstellen eingerichtet.
Die Gesamtbaumaßnahme kostet rund 1,1 Millionen Euro, der Anteil des Wasserverbandes wird mit 65 Prozent vom Land gefördert. Auch die Stadt Werben bekommt ihren Anteil aus dem Topf für Städtebaumittel gefördert, allerdings ist er aufgrund der Marktlage (nur zwei Anbieter) mit etwa 500 000 Euro rund doppelt so hoch wie erwartet. Das gesamte Städtebaumittel-Geld für dieses Jahr wäre dahin, weswegen Bauamtsleiterin Simone Kuhlmann zu denken gibt, ob die Stadt ihren Part (Regenwasser) nochmal vertagt, „wenn das technisch möglich ist“.