250 Menschen zeigten Flagge gegen Nazis und Rassismus / 160 Ordnungshüter im Einsatz Antifa-Demo: Polizei verhindert Schlägerei
250 Demonstranten und 160 Polizisten zogen am Sonnabend durch Salzwedel. Die Antifa hatte die massiven Nazi-Schmierereien in der Hansestadt zum Anlass genommen, um zu dem Protestmarsch aufzurufen.
Salzwedel l Die Sonne ließ sich am Sonnabend nicht blicken, dennoch lagen am Nachmittag Sonnenbrillen offenbar absolut im Trend. Ab 15 Uhr sammelten sich am Salzwedeler Bahnhof rund 250 teilweise vermummte Menschen aus dem linken Spektrum zu einer Demonstration. Unter dem Motto "Den rechten Konsens brechen - Nazistrukturen aufdecken - Rassismus bekämpfen" hatte die Antifaschistische Aktion zu der Demo aufgerufen.
Kurz nach 15.30 Uhr setzte sich die Kolonne in Bewegung. Polizei vorweg und dahinter ein schwarzer Protest-Block eingehüllt von Transparenten. Es folgten ein Lautsprecherwagen und ein weiteres Banner. Am Ende schlossen sich die etwas älteren Demo-Unterstützer an. Eine Fahne der IG Metall flatterte in der Luft. Vertreter der Bürgerinitiativen kein CO2-Endlager Altmark und Lüchow-Dannenberg waren auch dabei.
Als einzige Stadträte schlossen sich Gabriele Gruner (Die Linke) und Martin Schulz (Grüne) dem Aufmarsch an. Gabriele Gruner zeigte sich enttäuscht, dass sich nicht mehr Salzwedeler und vor allem ihre Stadtratskollegen dem Zug angeschlossen hatten. "Die Stadt hätte auf jeden Fall mehr Präsenz und Flagge zeigen müssen", sagte sie.
Vom Bahnhof aus ging es über die Ernst-Thälmann- auf die Goethestraße. Dort prangen an den Häusern und an einer Bushaltestelle noch immer unzählige Nazi-Schmierereien. Angeblich sollen in der Nacht zu Sonnabend einige Kritzeleien dazugekommen sein, meinten einige Demonstranten. Das konnte die Polizei am Sonntag auf Nachfrage der Volksstimme aber nicht bestätigen.
Rechte provozierten Linke am Kaufland
Auf dem Rathausturmplatz stoppte der Protestzug für eine Kundgebung und bewegte sich von dort über die Breite Straße, am Jahngymnasium vorbei auf die Karl-Marx-Straße und schwenkte in Richtung Kaufland. An dem Supermarkt gab es den einzigen Zwischenfall der sonst friedlichen Demonstration. Einige Personen, die laut Polizei dem rechten Spektrum angehören, standen auf dem Kaufland-Dach und dem Parkplatz und provozierten die Protestler verbal. 30 bis 40 junge Männer aus der Demo sprangen auch sofort darauf an und liefen vom Expert-Markt nach links in Richtung Dach-Auffahrt des Einkaufsmarktes. Die Polizei stürmte hinterher und bekam die Linken rechtzeitig zu fassen, sodass sie nicht auf die Rechten trafen.
Nach der Beinahekonfrontation verharrte der Aufmarsch einige Minuten am Expert. Die Männer und Frauen der Bereitschaftspolizei brachten die Demonstranten wieder auf die richtige Strecke.
Der weitere Verlauf blieb ruhig. Und mit zunehmender Marschdistanz wurden die Protest-Teilnehmer immer leiser. Das letzte akustische Aufbäumen gab es am "Hanseat". Dort endete die Demo gegen 17.30 Uhr mit einer Abschlusskundgebung. Danach zerstreuten sich die Massen. Trotzdem patrouillierten weiterhin verstärkt Streifenwagen durch die Hansestadt. Doch auch in der Nacht blieb alles friedlich.
Insgesamt 160 Polizisten sicherten den Aufmarsch ab. Die altmärkischen Beamten erhielten für die Aufgabe Unterstützung von der Bereitschaftspolizei und dem technischen Polizeiamt Magdeburg. 85 Einsatzkräfte wurden für die Demo aus der Landeshauptstadt nach Salzwedel geschickt.
Landwirt Dirk Müller aus Kassuhn wollte sich eigentlich gemeinsam mit einigen Berufskollegen mit einer Schlepperparade der Demo anschließen. Das hatte aus organisatorischen Gründen nicht geklappt. Dennoch wollte er seinen Berufsstand vertreten sehen und marschierte im Zug mit: "Wir Bauern stellen uns konsequent gegen Rechts. So etwas darf in unserer Stadt nie wieder passieren."
"Ich bin traurig, dass so wenig Leute gegen rechtes Gedankengut demonstrieren", sagte Ute Schulz. Sie war gemeinsam mit ihrem Mann Herwart aus Böddenstedt zur Demo gekommen. "Wenn es darum geht, gegen Rechts aufzutreten, sind wir immer dabei", so die 72-Jährige. Allerdings gefielen ihr auch nicht alle Parolen, die die linken Demonstranten über Lautsprecher kundtaten. Zu Gewalt aufzurufen und den Staat zu verunglimpfen, lehne sie natürlich strikt ab, betonte die Böddenstedterin.
Lothar Lehmann von der Bürgerinitiative "Kein CO2-Endlager" kritisierte die Reaktion der Landesregierung: "Denen geht es doch anscheinend gar nicht um das Soziale, sondern ausschließlich um Überwachung." Die rechten Untriebe schwelten in Salzwedel so massiv, dass mit einigen Video-Kameras gar nichts erreicht werden könne.
"Ich finde das Engagement dieser jungen Leute gegen Rechts so wichtig. Darum möchte ich ihnen durch mein Dabeisein den Rücken ein klein wenig stärken. Mich haben die Demonstranten am meisten beeindruckt, die still durch die Straßen zogen. Diese Ruhe strahlt auf mich persönliche Betroffenheit aus", sagte Gunhild Heinrich, die die Kundgebung am Rathausturm verfolgte.
Bilderstrecke und Video von der Demo gibt es auf www.volksstimme.de/salzwedel