Pandemie Viel Aufwand beim Corona-Impfen für Hausärzte im Altmarkkreis Salzwedel
Seit Anfang April impfen viele altmärkische Hausärzte gegen Covid-19 . Allerdings macht nicht jeder Mediziner mit. Der bürokratische Aufwand steht in keinem Verhältnis zur Behandlung.
Altmarkkreis - Endlich die ersehnte Spritze bekommen und das auch noch in vertrauter Umgebung, dazu ein umfangreiches Beratungsgespräch mit dem Arzt, den man gut kennt: Vor allem ältere Patienten sind glücklich darüber, dass sie für die Impfung gegen das Coronavirus nicht in ein Impfzentrum fahren müssen.
Seit dem 6. April wird in Hausarztpraxen geimpft. Und viele Menschen nehmen das Angebot gern an. Weil die Mediziner ihre Patienten gut kennen, wissen, wo sie zu erreichen sind, gibt es das eine oder andere Mal sogar ein Impfangebot per Telefon. Vorher hat der Hausarzt natürlich längst gecheckt, welcher Impfstoff in Frage kommt. Ein Superservice?...?aber wohl zuweilen fast ein Verlustgeschäft. Denn der Verwaltungsaufwand rund um den kleinen Piks nimmt Formen an, die so manche Praxen an den Rand der Belastbarkeit bringen.
„Es ist ein Riesenaufwand und ständig ändert sich irgendwas“, bestätigt eine Gardelegener Hausärztin, die ungenannt bleiben möchte, auf Volksstimme-Nachfrage. „Am Anfang gab es kein Biontech, dann gab es kein Astrazeneca.“ Dieser Impfstoff sollte erst nur an unter 60-Jährige verimpft werden, dann nur noch an über 60-Jährige. „Was heute gilt, ist morgen schon überholt“, sagt die Fachärztin genervt.
Wir machen es gern, aber wir machen das nur für unsere Patienten.
Hausärztin in Gardelegen
Und das betrifft auch den mehrseitigen Aufklärungsbogen, der für jeden Patienten ausgedruckt werden muss. Auch der muss immer wieder angepasst werden. Denn ihn muss jeder Patient vor der Impfung lesen. Das wiederum braucht Zeit und füllt das Wartezimmer. Ebenso die Beobachtungszeit von 15 Minuten nach der Impfung. Da werden die Stühle im Wartebereich schon mal knapp.
Und auch die Dokumentation der Corona-Impfung ist so umfangreich wie nie zuvor. Auf einem speziellen Portal muss jeder Patient mit einer zwölfstelligen Nummer angelegt werden. Taggenau muss protokolliert werden, wie viele Patienten in welchem Alter geimpft wurden und mit welchem Wirkstoff. Dazu gehörten mindestens zwölf Abrechnungsnummern. Ihre Mitarbeiterinnen hätten mittlerweile viele Überstunden, nur durch das Impfangebot, seufzt die Allgemeinmedizinerin. Sie könne verstehen, dass nicht alle Kollegen die Impfung anbieten. „Wir machen es gern, aber wir machen das nur für unsere Patienten.“ Wirtschaftlich sei das nicht.
Auch Dr. Ilja Karl, Allgemeinmediziner in Arendsee, beschreibt den hohen Aufwand, Corona-Impfstoffe zu verabreichen: „Bei nahezu jeder anderen Impfung kommt der Patient vorbei und sagt, dass er eine Impfung möchte. Oder wir fragen bei einem Praxisbesuch, ob er eine möchte. Wenn ja, bekommt er eine.“ Wegen der Lagerungs- und Verbrauchsregeln ginge das bei Corona-Impfungen nicht. „Hier haben wir keine Einzeldosen, sondern Mehrdosisbehältnisse, aus denen sechs oder sieben Dosen bei Biontech beziehungsweise zehn oder zwölf Dosen bei Astrazeneca herauszuholen sind.“
Die Angestellten leisten echt harte Arbeit in der Impfkampagne.
Dr. Ilja Karl, Arendsee
Auch Karl bemängelt, dass die Priorisierung immer wieder geändert wurde. „Solange 80 plus bevorzugt zu impfen war, ging das problemlos.“ Ab Priorität II kämen aber zum Alter oft auch Krankheiten dazu. „Da wird es schwierig.“ Dann komme noch das Land und möchte Erzieher, Lehrer und Feuerwehrleute geimpft haben?… Dabei würde an Impfstoff nie die Menge geliefert, die bestellt sei.
Und auch der Arendseer Arzt kritisiert die viertelstündige Nachbeobachtungszeit: „Unter Abstandsbedingungen haben in unserem Wartezimmer sechs Patienten Platz. Wenn es voll ist, pausiert die Impfung, bis wieder ein Platz frei ist.“ Ob es aber schon jemals irgendwo in den ersten 15 Minuten nach der Impfung zu einem medizinisch relevanten Zwischenfall gekommen sei, könne er nicht sagen.
Eine Lanze bricht Ilja Karl dennoch fürs Impfen. Auch für den Wirkstoff von Astrazeneca: „Astrazeneca schützt sehr gut vor schweren Verläufen und Tod.“ Die Rate schwerer Nebenwirkungen sei im Alter niedriger. Bei älteren Patienten überwiegt der Nutzen die möglichen Risiken deutlich“, betont er. Deshalb appelliert er vor allem an ältere Patienten, ausreichend Gemeinsinn aufzubringen und den angebotenen Astrazeneca-Impfstoff auch zu nehmen.
„Es gibt Ältere, die ihn nicht möchten. Das gibt unschöne Diskussionen. Die Angestellten leisten echt harte Arbeit in der Impfkampagne“, so Karl. Sie müssten die Unsicherheiten aushalten, die die Politik mit ihren wechselnden Vorgaben verursache. „Und sie müssen die Nerven behalten bei fordernden und unsachlichen Patienten.“