Inklusion Greta Strobel aus Schönebeck besucht die Oskar-Kämmer-Sekundarschule, sitzend im Rollstuhl: Schulbegleiterin Daniela Knopf organisiert Projektwoche
Schulbegleiterin Daniela Knopf organisierte eine Projektwoche unter dem Motto „Weniger einsam, mehr gemeinsam“ und sorgte bei der Schulklasse der Oskar-Kämmer-Schule für Aha-Momente.
Schönebeck - Greta Strobel kennt sie ganz genau: die Hindernisse auf dem Gelände der Oskar-Kämmer-Schule in der Magdeburger Straße. Sie fährt mit ihrem Rollstuhl zielgerichtet auf eine Stufe zu, um zu zeigen, welche Probleme sie bereitet. Alltag für die Schülerin und ihre Schulbegleiterin Daniela Knopf. Grund genug, um auch auf die Lebenssituation anderer Menschen mit Einschränkungen hinzuweisen.
Knopf organisierte eine ganze Projektwoche, die von „Demokratie Leben!“ gefördert wurde, für die siebte Klasse der integrierten Sekundarschule. Am vergangenen Montag waren verschiedene Vertreter zu Gast und informierten die Schüler über ihre ganz besondere Tücken im Alltag. Einer von ihnen: Frank Brehmer. Brehmer ist blind. Sein Alltag spielt seit einigen Jahren komplett im Dunkeln ab. „Können Blinde eigentlich Auto fahren?“, fragte ein Schüler während einer eindrucksvollen Gesprächsrunde. Brehmer stand den Jugendlichen in seiner typischen ruhigen und aufgeschlossenen Art Rede und Antwort. „Können schon“, meint er und fügt hinzu: „Dürfen allerdings nicht.“
Blind kochen und backen
Doch das ist für den Schönebecker das wohl geringste Problem. Im Alltag verstecken sich ganz andere Hürden, die Sehende auf den – pardon – ersten Blick nicht wahrnehmen. „Blinde können ohne Probleme kochen und backen“, meint Brehmer. Dafür brachte er einen Haushaltsgegenstand mit in die Klasse. Seine Küchenwaage sagt auf Knopfdruck an, welche Gewichte auf ihr lasten. Bei den Schülern erfreute sich auch der sprechende Taschenrechner großer Beliebtheit. „Das wäre ganz schön laut in der Klasse, wenn alle so einen benutzen würden“, lautete das Fazit.
An der Gesprächsrunde nahm auch Greta Strobel teil. Sitzend. Auf den ersten Blick wirkt die Schülerin voll integriert in die Abläufe. Doch dass es Probleme im Alltag gibt, daraus macht sie keinen Hehl. „Ich bin ja die einzige in der Klasse, die so eine Behinderung hat.“ Ihre Mitschüler erlebt sie durchaus hilfsbereit und zuvorkommend. Dennoch ist ihr Aufklärung wichtig. „Es ist einfach wichtig, dass man darüber spricht“, sagt die Jugendliche, die sich auch im Kinder- und Jugendbeirat der Stadt engagiert.
Zu Tränen gerührt
Ihre Schulhelferin Daniela Knopf stellt gelegentlich durchaus Schwierigkeiten im sozialen Miteinander der Klasse fest. „Mir ist wichtig, dass die Menschen mit oder ohne Beeinträchtigung näher zusammenrücken“, sagt sie am Rande der von ihr organisierten Projektwoche. „Nicht-Behinderte sollten sich in die Lage von Menschen mit Einschränkungen versetzen können“, meint sie. „Schließlich kann es ganz plötzlich passieren, dass eine Behinderung eintritt.“
So wie bei Claudia Richter. Ihre Mutter Christiane berichtete davon, wie bei ihrer Tochter vor Jahren ein Hirntumor festgestellt wurde. Seither sitzt Claudia Richter im Rollstuhl. Während ihrer Schilderungen ist es ganz still in der Gruppe. „Das hat einige zu Tränen gerührt“, wie Daniela Knopf berichtet.
Solche Geschichten veränderten, so Knopf, die Sichtweise der Jugendlichen. Bei einer Aktion beschäftigten sie sich mit ihren Wünschen. Während bei einigen Wünsche wie mehr Geld oder Sachgeständen auf die Kärtchen wanderten, wünschen sich andere eben Dinge, die für die allermeisten ganz normal sind. Greta Strobel jedenfalls kennt auch diese Wünsche ganz genau.
Kommentar von Andre Schneider
Nein, für Berührungsängste im Umgang mit eingeschränkten Menschen muss sich niemand schämen. Rollstuhlfahrer haben eben andere Bedürfnisse als Fußgänger. Das liegt in der Natur der Sache. Genauso in der Natur der Sache sollte aber im Sinne des guten Zusammenlebens liegen, eben jene Berührungsängste abzubauen. Wie das gehen kann zeigten die Schüler der Oskar-Kämmer-Schule. Sie setzten sich nämlich aktiv mit Themen auseinander, die nicht ganz in ihren Alltag gehören – oder eben doch. Das hat Vorbild-Charakter. Nur wer sich mit dem Nächsten beschäftigt, erlangt Verständnis und Empathie. Das gilt für viele Bereiche des Zusammenlebens. Aufeinander zugehen, heißt die Devise.