Innenstadt Unternehmerin schreibt offenen Brief an Bürgermeister und beklagt Situation in Calbe
Mit einem offenen Brief hat sich Unternehmerin Helga Rehbein an den Calbenser Bürgermeister gewandt. Darin beklagt sie vor allem die Probleme in der Innenstadt.
Calbe - Als sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Kröber auf dem Calbenser Marktplatz ansagte und sich zusammen mit Bürgermeister Sven Hause um die Bürgeranliegen kümmern wollte, griff Helga Rehbein zur Feder.
Die Eigentümerin eines Mode- und Gästehauses in der Schloßstraße, nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt, schrieb einen offenen Brief an den Bürgermeister. Darin fasste sie vor allem die Hinweise ihrer Gäste zusammen. „Calbes Innenstadt ist wirklich kein Aushängeschild mehr, die Innenstadt sollte aber der Anziehungspunkt für die Calbenser Bevölkerung und ihren Gästen sein. Alte Calbenser schlagen die Hände zusammen, wenn sie zu Besuch kommen. Und Radler, die nur eine Nacht bleiben, sind froh, wenn sie Calbe wieder verlassen können. Wir müssen uns von den Gästen beschimpfen lassen, die mit dem Motorrad, Auto oder Radel kommen“, schreibt Helga Rehbein in dem offenen Brief an den Bürgermeister der Saalestadt.
Gäste in Calbe unzufrieden
Dazu hat sie eine kleine Auswahl an Kommentierungen mitgeschickt, die die Gäste bei ihr zurückgelassen haben. Ärgerlich finden manche Besucher, dass montags keine Gaststätte geöffnet habe, gibt sie weiter. „Die Umgebung von unserem Gästehaus gefällt keinem Gast, da rings rum nur Ruinen und zerstörte Häuser stehen“, fasst sie die Einschätzung ihrer Gäste zusammen. Besucher hätten bei ihr den Eindruck, dass Calbe keine touristisch geförderte Stadt sei. Besucher erlebten kaputte und dreckige Straßen sowie beschmutze Sitzbänke. „Das Gästehaus Rehbein kann sich die größte Mühe geben, wenn das Umfeld und die Straßen und die Versorgung in der Innenstadt scheitern“, habe ihr ein Gast mitgeteilt, gibt sie weiter.
Dabei sieht sie die Situation nicht als hoffnungslos an. „Calbe hat so viel Potenzial und Sehenswürdigkeiten, die ein Calbenser nicht mehr sieht, aber den Gästen könnte man sehr viel mehr anbieten, wenn das drum herum stimmen würde“, ist sie überzeugt. Die im Internet nachlesbaren Äußerungen von Tagestouristen und Besuchern in der Stadt schaden der Kommune in der Zukunft, ist sie überzeugt. Wer besuche schon Calbe, wenn er zuvor die Kommentare im Netz über die Saalestadt gelesen hat, fragt sie.
Mehr als 40 Millionen Euro investiert
Die Probleme sind zudem nicht neu. Wie reagiert Bürgermeister Sven Hause auf den Brief? „Seit meinem Amtsantritt haben wir alle Wege und Möglichkeiten ausgelotet und auch realisiert, um die Stadt Calbe attraktiver zu machen. Über 40 Millionen Euro wurden seither investiert. Ich gehe davon aus, dass auch in den nächsten sechs Jahren noch einmal deutlich zweistellige Millionenbeträge hinzukommen. Ein großer Teil davon soll auf die Innenstadt entfallen“, reagiert er auf Nachfrage.
„So stehen grundhafte Sanierungen der Bernburger Straße, August-Bebel-Straße, Tuchmacherstraße, Große Angergasse, Scheunenstraße, Große Deichstraße sowie die Sanierung des Schulstandortes Schiller-Gymnasium als auch die Errichtung eines innerstädtischen Bürgerparks auf der Agenda. Der öffentliche Parkraum in der Innenstadt soll zudem spürbar aufgestockt werden. Die Aktivitäten zur Sanierung der Fuß- und Radwegeinfrastruktur wurden bereits umschrieben. Wir schauen dabei stets nach vorne, können aber unterlassene Unterhaltung beziehungsweise Sanierung von Straßen und Wegen in der Zeit zwischen 1990 bis 2014 und davor jedoch nicht ungeschehen machen“, teilt er mit.
Doch gibt es bereits Ideen, die Innenstadt wieder mehr mit Leben zu erfüllen und mehr zu beleben? „Ob jemand Gastronomie oder Hotellerie erweitert oder gar neu schafft, liegt am Ende in den Händen der Unternehmer. Wir werden jedenfalls auch im touristischen Bereich weiterhin Geld einwerben, um die in den letzten Jahren deutlich verbesserte Infrastruktur zu erhalten und weiter auszubauen. Zur Entwicklung des unmittelbaren Stadtzentrums führen wir darüber hinaus wiederkehrend Gespräche mit Interessenten, zu denen wir Kontakt aufnehmen und umgekehrt“, sagt der Bürgermeister.
Anreize für die Gastwirtschaft
Doch kann die Kommune überhaupt Anreize geben, damit sich beispielsweise mehr in der Gastwirtschaft tut? „Genau daran arbeiten wir, insbesondere im Bereich Gastwirtschaft. Allerdings müssen alle wissen, dass damit gegebenenfalls hier und da Einschnitte in bisherige Traditionen oder Gewohnheiten verbunden sind. Interessenten haben eben auch ihre Vorstellungen und Erwartungen, um wirtschaftlich erfolgreich agieren zu können“, teilt er weiter mit.
Was die Entwicklung der Innenstadt angeht, ist Calbe nicht allein.
„Was den Handel anbelangt, muss die Situation deutlich differenzierter betrachtet werden. Hier vollzieht sich seit 2000 ein kompletter Wandel. Einerseits endet zunehmend altersbedingt die Erwerbsbiografie von Personen, die bisher selbstgeführte Einzelhandelsgeschäfte betrieben haben“, schätzt der Bürgermeister ein und nennt Gründe für das Aus von Einzelhandelsgeschäften in der Innenstadt. „Die Suche nach Nachfolgern gestaltet sich dabei in der Regel sehr schwer. Andererseits brechen durch die weiterhin wachsenden Möglichkeiten des elektronischen Handels erhebliche Potenziale für einen lokalen Handel weg. Die damit verbundenen Auswirkungen sind in der gesamten Bundesrepublik erkennbar. Auch in nicht zentral gelegenen Stadtbezirken größerer Städte zeigt sich dieses Bild“, sagt er.
Handel benötigt mehrere Standbeine
Handel sei heutzutage nur noch mit mehreren Standbeinen möglich. Wer erfolgreich sein möchte, muss neben einem Ladengeschäft auch über Internet seine Waren und Dienstleistungen anbieten und diese möglichst noch logistisch bis zum Kunden befördern, analysiert er die Situation für die Händler. „Die Entwicklungen im Einzelhandel zeigen zudem, dass kaum noch junge Menschen bereit sind, die finanziellen und wirtschaftlichen Risiken, verbunden mit einer hohen Zeit- und Arbeitsbelastung, auf sich zu nehmen. Dies müssen wir zur Kenntnis nehmen. Von daher scheint feststellbar zu sein, dass wir uns bei der Gestaltung und Nutzung unserer Innenstädte mitten in einem Umbruch befinden. Bei meinen bundesweiten Gesprächen höre ich daher sehr oft, dass die Innenstädte wieder stärker Aufenthaltsorte und Orte der Begegnung als des Handels werden. Wir sollten Raum für beides entwickeln und schrittweise die infrastrukturellen Anpassungen planen und umsetzen. Daran arbeiten wir intensiv“, verspricht er.
Auch im erst vor wenigen Monaten beschlossenen Stadtentwicklungskonzept hat sich der Stadtrat darauf verständigt, die Innenstadt in der Zukunft wieder attraktiver zu gestalten. Dass das nicht über Nacht geschieht, ist den Stadträten dabei klar.
Zentum soll aufgewertet werden
In der Zukunft will die Kommune auch die bislang brachliegenden Grundstücke im Zentrum wieder nutzbar machen und dafür die Rahmenbedingungen schaffen, dass sie wieder bebaut und bewohnt werden. Bislang ist dies noch nicht gelungen, weil auch die Nachfrage nach Wohnraum nicht so hoch ist. Noch ist es einfacher am Stadtrand ein neues Wohngebäude zu bauen als freie Flächen in der Innenstadt zu nutzen.
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Die Stadträte haben sich dabei bereits in der Vergangenheit beschäftigt und wollen hier ein Umdenken erreichen. Künftig soll die Innenstadt bessere Wohnbedingungen bieten und die Nachfrage nach Wohnraum steigen lassen. Dann könnten vor allem die großen Lücken im Herzen der Stadt neu bebaut und genutzt werden. Offen ist dabei, in welchem Zeitrahmen dies geschehen kann. Das Stadtentwicklungskonzept gibt hierfür nur grob einen Rahmen vor. Es gilt deutlich länger als zehn Jahre, heißt es.