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Gerichtsprozess Versuchte Körperverletzung? Wenn aus Nachbarschaftsstreit mehr wird

Streit unter Nachbarn gibt es oft. Dass es daraufhin zu einer versuchten Körperverletzung kommt, ist die Ausnahme. Vor dem Schönebecker Amtsgericht wurde nun genau solch ein Fall verhandelt.

Von Tom Szyja 18.08.2023, 06:01
Ein Mann aus dem Bördeland ist im Amtsgericht Schönebeck wegen versuchter Körperveletzung angeklagt.
Ein Mann aus dem Bördeland ist im Amtsgericht Schönebeck wegen versuchter Körperveletzung angeklagt. Foto: imago images

Schönebeck - Ein Ast ragt auf das andere Grundstück oder Lärmbeschwerden: Gründe für Nachbarschaftsstreitigkeiten gibt es viele. Nur wenige landen mit einer Anklage wegen Körperverletzung vor Gericht. Schönebecks Strafrichter Eike Bruns musste sich nun mit einem Fall befassen, bei dem neben Uneinigkeiten über Grundstücke auch familiäre Verflechtungen für Konfliktpotenzial sorgen. Aber der Reihe nach. Kürzlich wurde eine Stadtrundfahrt mit 1,6 Promille verhandelt.

Kevin Müller (Name geändert) wohnt mit seiner Partnerin im Bördeland. Im Oktober letzten Jahres wollte er mit einem Lieferwagen zu seinem Grundstück fahren. Dabei wendete er das Fahrzeug in der Einfahrt seines Nachbarn. Daraufhin soll es zu einem Wortgefecht zwischen den beiden gekommen sein. Im Anschluss daran soll Olivia Schmid (Name geändert) – die Tochter des Nachbarn –, die in dem Verfahren als Zeugin gehört wird, ihn eindringlich aufgefordert haben, nicht auf fremden Grundstücken zu fahren. Nach diesem Vorfall gehen drei Wochen ins Land, in denen sich die beiden Parteien aus dem Weg gehen.

Dann kommt es am 29. Oktober 2022 zu dem Ereignis, welches nun vor dem Amtsgericht verhandelt wurde. Die 28-jährige Zeugin schildert es so: „Morgens ging es mit einem Wortgefecht los. Mittags bin ich dann mit meinem Pferd auf der Koppel geritten, die an das Grundstück von Herrn Müller grenzt. Gegen Ende meines Trainings hat er mich lauthals beschimpft und Steine nach mir geworfen“, so die Zeugin. Die 28-Jährige führt zudem aus, dass das Verhältnis seit Jahren wegen Grundstücksstreitigkeiten zerrüttet sei.

Der Angeklagte bestreitet über seinen Anwalt den Tatvorwurf der versuchten Körperverletzung, dass er mit Steinen nach ihr geworfen habe. Er räumt allerdings ein, dass es zu einem Wortgefecht mit der Zeugin gekommen sei, „bei dem auch unschöne Worte“ gefallen seien. Der Anwalt betont zudem, dass er sich selber das Grundstück seines Mandanten angeschaut habe und es „dort gar keine Steine zum Werfen gibt“, so der Verteidiger von Kevin Müller.

Vorschlag: Mediation statt Urteil

Bevor Richter Bruns sich entscheiden muss, welcher Version der Geschichte er glaubt, macht er dem Angeklagten einen Vorschlag: „Haben Sie Bock auf so einen Mist?“ fragt er Kevin Müller. Damit meint er, dass sich solche gerichtlichen Nachbarschaftsstreitigkeiten in die Länge ziehen würden. Der Richter meint damit, dass nach einem wie auch immer zu fällenden Urteil, der Streit nicht behoben wird und die unterlegene Seite versuchen würde, der anderen Partei etwas strafbares ankreiden zu können. Daher macht Eike Bruns den beiden einen Vorschlag: Sie sollen einen Täter-Opfer-Ausgleich bei einer Mediatorin machen. Dies hätte zur Folge, dass das Verfahren vorläufig eingestellt wird.

Während die Staatsanwaltschaft und die Zeugin dem Vorschlag sofort zustimmen, erbittet sich der Anwalt des Angeklagten eine Beratung. Man hat den Eindruck, dass er von dem Vorschlag nicht hundertprozentig überzeugt ist. Nach einigen Minuten Unterbrechung kommen der Angeklagte und sein Verteidiger zurück in den Verhandlungssaal und erklären sich bereit, an einem Mediationsverfahren teilzunehmen. „Wenn das Verfahren aufgrund von Frau Schmid scheitert, bin ich dann Schuld daran?“, will der Angeklagte vom Richter wissen. Bruns verneint dies, betont jedoch zugleich, dass sich der Angeklagte bereit zeigen müsse, auf die andere Seite zuzugehen. „Ich rate ihnen, dass sie mit der Einstellung reingehen, dass auch die andere Seite Recht haben kann“, erklärt Bruns. Über die Partnerin des Angeklagten gibt es zudem familiäre Verbindungen zu der Zeugin. Somit sei es auch möglich, dass mehrere Personen an der Mediation teilnehmen.

Letztendlich stimmen alle Beteiligten dem Vorschlag von Richter Bruns zu und das Verfahren wird, zunächst für sechs Monate, eingestellt. „Sollte es in der Zeit zu keinem Ergebnis in der Mediation kommen oder diese scheitern, wird das Verfahren wieder aufgenommen“, erläutert Strafrichter Bruns.