1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Lichtmess: Vorbereitungen in Glinde: Kuriose Doppelthemen und Traditionen

Lichtmess Vorbereitungen in Glinde: Kuriose Doppelthemen und Traditionen

Am 4. Februar wird in Glinde Lichtmess gefeiert. Aktuell treffen sich die Herrengemeinschaften in rund 20 Bautrupps in den Höfen, um die Festwagen zu gestalten.

Von Thomas Linßner 22.01.2024, 16:07
Lichtmessvorbereitungen in Glinde. Diese Bautrupps bedienen ausversehen den Doppel-Wumms gleich zwei Mal. Doppelungen sind selten, kommen aber immer mal wieder vor.
Lichtmessvorbereitungen in Glinde. Diese Bautrupps bedienen ausversehen den Doppel-Wumms gleich zwei Mal. Doppelungen sind selten, kommen aber immer mal wieder vor. Foto: Thomas Linßner

Glinde. - Wenn man in Glinde die Bautrupps gegenwärtig nach ihrer Tätigkeit befragt, darf man zwei Dinge nicht erwarten: die Wahrheit und ernsthafte Antworten. Ersteres ist der Tradition geschuldet. Lichtmess-Nestor Wilhelm Trittel (†) wurde dereinst nicht müde, von einer „geheimnisvollen“ Vorbereitungszeit zu sprechen. Was darin geschieht, geht niemand etwas an, außer die Akteure.

Und zweitens? Ein Beispiel: Als am vergangenen Sonnabend der Reporter von den Lichtmess-Vorständen Christoph Randel und Henrik Fabian flankiert durch das Dorf stiefelte, kamen ihnen fünf Kerle und ein Knäblein entgegen. Einer davon war Maik Roggisch, der den Lichtmessumzug moderiert und jeden Bautrupp im Vorfeld aufsucht. Dabei stellte der alte Glinder, dann Braunschweiger und nun wieder neuer Glinder, fest, dass etwas Ungeheuerliches geschehen war: Zwei der rund 20 Bautrupps bedienen dasselbe Thema. (Ach-du-Jott!!!)

Und zwar den markig-blumigen Doppel-Wumms von Kanzler Scholz, mit dem der rasante Anstieg der Energiepreise gebremst werden sollte. Was in Sachen Lichtmess eigentlich kein Wunder ist, denn an derart griffigen Themen kommt kein Satiriker vorbei.

Der eine Trupp baut auf dem Franz-Hof, der andere in der Weinhardt-Scheune. Nicht erst durch Maik Roggisch, sondern den gut informierten Dorffunk, erfuhren die Brigaden voneinander. Doch jede Gemeinschaft hatte nicht nur die Wumms-Idee im Kopf verankert, sondern bereits handfeste Grundgerüste gebaut.

Solche Dinge kommen selten vor, aber sie kommen. Als vor Jahren ein Otto-Film über die Sieben Zwerge die Kinos füllte, fühlten sich auch zwei Trupps davon angesprochen. Woraufhin im gehörigen Abstand beim Festumzug 14 Zwerge über das Pflaster schlurften.

In solchen Fällen müssen Leute wie Lichtmess-Sprecher Maik Roggisch zu Moderatoren werden. Im direkten wie übertragenen Sinne.

Aber weil über die Glinder das Humor-Gen scheinbar mit dem Füllhorn ausgeschüttet wurde, wäre es quatsch, die Geschichte über Gebühr zu dramatisieren. Denn man kommt in der Regel schnell zu einer Einigung.

Was freilich nicht immer gleich zugegeben wird. Als Beispiel sei Lichtmess-Handwerker Matthias Natho zitiert, der im aktuellen Fall erklärt: „Wir sind zwei Trupps, Ü 40 und die U40. Normalerweise hätten wir die Ärmel schon zum Kampf hochgekrempelt: Aber wir lassen die Ü-40er machen.“ Eine dezente Anspielung auf das „gebrechliche Alter“ der Über-Vierzig-Jährigen.

Ideen-Brutzeit

Die Ideenfindung, was gebaut wird, brüten die Glinder Männer oft über Weihnachten aus. Denn zur Auftaktveranstaltung der Lichtmess kurz vor Silvester muss halbwegs feststehen, was Phase ist. Auch kommen hin und wieder Krankheiten und anderes Ungemach hinzu.

Wie Lichtmess-Vorstand Christoph Randel sagt, rechne man am 4. Februar mit rund 20 „Festbildern“.

Alle Jahre wieder wird zuvor der sogenannte Kommitee-Beitrag von den männlichen Akteuren eingesammelt. Das ist so etwas wie ein Vereinsbeitrag, der den Bratwurst-Frohsinn finanzieren hilft. In diesem Jahr sind es rund 140 Glinder Herren, die ihn berappen. Kinder sind davon befreit. Das Dorf hat aktuell 329 Einwohner. Was zeigt, dass es eigentlich niemanden gibt, der kein Lichtmess-Mitglied ist.

Jeder männliche Glinder ist automatisch Mitglied im Lichtmessverein. Ab dem 16. Lebensjahr zahlt er den jährlichen Komitee-Beitrag. Das Geld wird nicht etwa überwiesen, sondern eingesammelt. Die Kassierer ziehen von Haus zu Haus. Diese persönliche Geste ist zwar aufwendig, fördert aber nicht zuletzt das gemeinsame Miteinander. Allerdings müssen die Geldeintreiber hart im Nehmen sein. Denn in einigen Haushalten wird zur Begrüßung ein geistiges Getränk gereicht. Das würde beim schnöden Geldüberweisen ja nicht passieren.

Offiziell ist es auch so, dass jeder Hausvater eine Bratwurst für das Männerfest beisteuert. Damit bekräftigt er seine Verbundenheit. Weil aber hundertprozentige Teilnahme nach Wahlergebnissen längst vergangener Zeiten klingen, gab es zuweilen ein, zwei Glinder, die sich unfügsam dagegen sträubten. So wird von einem Mann berichtet, der die Wurstgabe bockig verweigerte. Dessen Mutter spielte sie – ohne das es der Filius bemerkte– den Wurstbläsern heimlich am Gartenzaun zu. Was uns zeigt, dass es auch „weibliche Heimlichkeit“ in Glinde geben kann.