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Aktion Frustration bei Bfw-Mitarbeitern

Die Beschäftigen des Berufsförderungswerks Staßfurt haben gemeinsam mit Verdi mehr Lohn gefordert.

10.04.2018, 06:00

Staßfurt l Montagmittag am Berufsförderungswerk (Bfw) in Staßfurt haben Beschäftigte und ihre Gewerkschaft Verdi eine öffentliche Aktion durchgeführt. In einer sogenannten „aktiven Mittagspause“, die anders als ein Streik in der Freizeit der Mitarbeiter stattfindet, haben sie mehr Lohn gefordert. Während der eineinhalb Stunden waren mindestens 50 Mitarbeiter der Einrichtung für Ausbildung, Umschulung, Berufsvorbereitung und berufliche Rehabilitation am Verdi-Stand vor dem Tor des Bfw.

Dort hingen Plakate wie „Für drei arbeiten, den halben Lohn kassieren“. Selbst die Gewerkschaftsmitarbeiter empfanden die Sprüche, die sie von ihren Mitgliedern vor Ort bekommen haben, auffallend hart. Die Frustration hier in Staßfurt ist groß.

Rund 130 Mitarbeiter hat das Bfw am Standort Staßfurt. Weitere rund 15 Mitarbeiter teilen sich auf vier kleine Standorte in Sachsen-Anhalt auf. Der Kern der Belegschaft aber sitzt in Staßfurt. 42 Kollegen aller Bfw-Mitarbeiter sind bei Verdi organisiert, genauer im Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung, da hier viele Lehrkräfte und Mitarbeiter der beruflichen Rehabilitation beschäftigt sind.

Das Angebot, das das Bfw seinen Mitarbeitern jetzt gemacht hat, ist den Gewerkschaftsmitgliedern zu halbherzig. Verdi hatte für sie mindestens 3 Prozent mehr Lohn gefordert. Angeboten hatte das Bfw aber nur eine Einmalzahlung von 500 Euro, die für alle Mitarbeiter im Dezember diesen Jahres fließen sollte.

Das ist ihnen vor allem zu wenig, weil das Bfw Plus macht. „Die Kostensätze, die das Bfw erhält, erhöhen sich linear“, sagt Olaf Broszeit, Landesbezirksfachbereichsleiter Bildung, Wissenschaft und Forschung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor Ort in Staßfurt. Kostensätze sind die Einnahmen, die das Bfw pro Teilnehmer einer Maßnahme bekommt. Diese sind in 2017 um 2 bis 2,5 Prozent gestiegen. Das bestätigt auch Geschäftsführer Frank Memmler im Gespräch vor Ort.

„Aber das wird hier nicht an die Mitarbeiter weitergeben“, erklärt Olaf Broszeit. Im letzten Jahr konnte man in den Tarifverhandlungen nur 1,4 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigen erreichen. Das sei schon damals zu wenig gewesen.

Patricia Schulz, die als Psychologien in der Rehabilitation des Bfw arbeitet, gleichzeitig Vertrauensfrau für Verdi am Standort Staßfurt ist und vor allem für ihre Kollegen mit weniger Lohn etwas erreichen will, sagt: „Wir brauchen eine Lohnerhöhung, die tabellenwirksam ist und die dem Inflationsausgleich gerecht werden kann.“ Denn auch für die Bfw-Mitarbeiter steigen die Lebenserhaltungskosten. Wenn der Lohn nicht oder nur gering steige, alle anderen Kosten aber in die Höhe schnellen, habe man letztendlich trotzdem weniger in der Tasche. Das Kollegium wünsche sich, dass das Unternehmen den Erfolg mit allen seinen Mitarbeitern teilt - mit den Lehrkräften, Ärzten, Psychologen, Verwaltungsmitarbeitern, Pförtnern und Servicekräften.

Geschäftsführer Frank Memmler, der am Mittag auch am Stand ist, sieht das Thema anders: „Wir zahlen hier sehr gute Gehälter, deutlich mehr als unsere Mitbewerber in der Branche.“ Er verweist auf den Haustarifvertrag und auf die gängigen Stundenlöhne, die anderswo niedriger als beim Bfw sind. Bestimmte Entgeltgruppen würden im Branchenvergleich viel mehr als bei einem anderen Arbeitgeber verdienen: „Da liegen wir teilweise ein Drittle bis die Hälfte über dem Durchschnitt.“

Das Angebot der Einmalzahlung sei im Ansatz zwar gut gewesen, aber es gibt den Mitarbeitern keine dauerhafte Sicherheit, findet Patricia Schulz. Die Gewerkschaft geht da noch weiter: Die Argumentation der Geschäftsleitung, nicht dauerhaft mehr zahlen zu wollen, bringe Angst und Unsicherheit unter die Mitarbeiter. Denn während der Tarifverhandlungen wurde sogar argumentiert, man wolle jetzt nicht mehr zahlen, falls das Bfw später eventuell mal unternehmerisch in die Schieflage gerät. Reale Anzeichen dafür seien laut Gewerkschaft aber nicht erkennbar.

Bei den Verhandlungen sei auch ins Feld geführt worden, man könne die Arbeit der Pförtner und der Mensamitarbeiter in Staßfurt in externe Firmen auslagern. Das habe man zwar gesagt, um zu erklären, was theoretisch passieren könne, bestätigt Frank Memmler, aber er betont gegenüber Volksstimme: „Es gibt aktuell keine Pläne, die Pforte oder die Mensa auszulagern.“

Die Gewerkschaft zieht mit solchen Aussagen hart ins Gericht: Man wolle Unsicherheit bei den Mitarbeitern verbreiten, damit sie aus Angst um ihren Job, von ihren Forderungen Abstand nehmen.

Was Mitarbeiter und Gewerkschafter noch ins Feld führen: Dem Bfw geht es wirtschaftlich gut. Ein Plus für das Jahr 2017 von 500.000 Euro steht zu Buche. „Wenn wir ein großes Plus machen, haben wir keine Argumente für Einsparungen am Personal“, findet Patricia Schulz.

Warum gibt das Bfw die höheren Einnahmen pro Teilnehmer nicht an die Beschäftigten weiter? Frank Memmler antwortet gestern vor Ort: „Die Steigerung der Kostensätze betrifft nur jeden neuen Teilnehmer.“ Das heißt, für alle Menschen, die schon seit einiger Zeit - maximal dauern die Maßnahmen zwei Jahre - am Bfw ihre Umschulung oder anders machen, bekommt das Unternehmen nicht mehr. Nur für die, die neu mit einer Maßnahmen anfangen.

Sein zweites Argument: „Die 2 Prozent Kostensatzsteigerung ist ja nicht nur für das Personal vorgesehen. Wir haben davon höhere Energiekosten zu zahlen, Investitionen, Material und so weiter.“ Man könne nicht die kompletten 2 Prozent einfach auf die Konten der Mitarbeiter weiterleiten.

„Für drei arbeiten, den halben Lohn kassieren“. Das Plakat umschreibt überspitzt die Personalsituation, die bei Bildungsträgern wie dem Bfw vorherrscht: „Viele Stellen können im Bildungsbereich nicht nachbesetzt werden“, erklärt Olaf Broszeit die „Frustration hier am Bfw“. Es fehlt an Personal. Die Folge ist: Die Lehrkräfte vertreten in weiteren Klassen den Unterricht. „Sie sind teilweise in zwei, drei Klassen unterwegs und springen hin und her“, sagt Olaf Broszeit. Das führt zu hohem Krankenstand und noch größerer Frustration.

Einen weiteren Grund für den Frust sieht er in der Arbeit an sich: „Die Klientel wird immer schwieriger.“ Der psychologische Aspekt spielt eine größere Rolle, die Betreuung der Personen ist herausfordernd, nervlich aufreibend bis überfordernd. Früher konnte man große Klassen führen, heute können schon drei Teilnehmer „sehr betreuungsintesiv“ sein.