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Ausflugstipp Per Fahrrad zum Concordia-See

Der Salzland-Kurier stellt eine Tour vor, wie man von Staßfurt mit dem Fahrrad zum Concordiasee kommt.

Von Kurt Großkreutz 07.07.2017, 23:01

Staßfurt l Der Name des Concordiasees zwischen Schadeleben und Nachterstedt ist von der früheren Braunkohlegrube Concordia abgeleitet. Dazu später mehr. Nach dem tragischen Erdrutsch in Nachterstedt 2009 ist das Projekt „Seeland“ zwar ins Stocken geraten, doch es besteht Aussicht, den See bald teilweise wieder zur Nutzung frei zu geben. Bis zur Katastrophe herrschte bereits reger Badebetrieb, man konnte segeln, rudern oder ein Fahrgastschiff besteigen.

Staßfurt kann sich glücklich schätzen, am Europaradweg R 1 zu liegen. Es ist ein ganz besonderer Fernradweg, führt er doch über 3500 Kilometer von der französischen Kanalküste bis ins russische St. Petersburg. Aber wir wollen nur 20 Kilometern darauf in Angriff nehmen.

Hinweisschilder verraten, dass die Strecke auch für die Radwege „Deutsche Einheit“ und „Oranier Route“ vorgesehen ist. Die Bezeichnung „3“ auf den Tafeln bedeutet, dass wir uns auch auf der „D-Route 3“ zwischen Münsterland und Oder bewegen.

Ausgangspunkt für unsere Tour ist die Südseite der Bodebrücke am Kreisverkehr. Wir treten Richtung Westen in die Pedale. Vorerst weist uns das südliche Bodeufer flussaufwärts den Weg. Die Ausschilderung ist ausgezeichnet, und so werden wir in Richtung Gänsefurth vorbei an gepflegten Gartenanlagen, beschaulichen Feldern, Wiesen und Auen geleitet.

Vor der Überquerung der Bode auf der Rossbahnbrücke, die ihren Ursprung im Jahre 1856 hat, seit 1993 für den R 1 benutzt und 2013 erneuert wurde, lohnt sich ein kurzer Halt. Denn eine Anschauungstafel klärt darüber auf, dass die Vorgängerbrücke Kulisse für das den Film „Vergiss Amerika“ (2000) war.

Auch in Gänsefurth kann man sich auf dem R 1 nicht verfahren, und wir wechseln am Sport- und Freizeitzentrum die Fahrtrichtung. Nach dem Kreuzen von Bahnlinie und Kreisstraße 1306 (Hecklingen – Groß Börnecke) verlassen wir die Bodeniederung, und es wartet ein längerer Anstieg auf uns, wobei ein Höhenunterschied von etwa 100 Metern zu bewältigen ist. Es geht am Objekt der Hecklinger Schützengilde vorbei, und man kommt mit dem betonierten Untergrund gut zurecht.

Haben wir die Höhe erreicht, macht das Radeln auch deshalb mehr Spaß, weil ein tadelloser Asphaltweg im Schutz der Bäume auf uns wartet. So entspannt geht es bis zur Überquerung der B 180 weiter. Hier sollte man absteigen und wegen der hohen Geschwindigkeit der Kraftfahrzeuge das Rad über die Straße schieben. Hier ist mit elf Kilometern etwa die Hälfte der Strecke geschafft.

Leider wird der Weg nun spürbar schlechter, obwohl wir immer noch auf dem R 1 fahren. Ein schwacher Trost, dass wir einen Blick auf den Flughafen Cochstedt werfen können und es bergab geht. Interessant: Wir befinden uns auf der alten Heerstraße, die einst Staßfurt mit dem Harzareal verband.

Nur eine Buschgruppe, etwa 400 Meter vom R 1 entfernt, markiert auf der Höhe die Stelle, wo einst das „Vorwerk Tiefenbrunn“ 1607 für den Herren der Burg Schneidlingen errichtet wurde. Man hatte eine eigene Eselzucht, um den 79 Meter tiefen Brunnen zu bedienen. 400 Jahre lang wurde hier Landwirtschaft betrieben. Zwei Jahre dauerte der Bau des Brunnens, nun ist von der Meisterleistung nichts mehr zu erahnen. Auch diese Ruine diente mal als Filmkulisse.

Erst kurz vor Neu Königsaue werden wir wieder mit Asphalt, aber auch mit einer schönen Aussicht auf Frose, Aschersleben, bis zum Harz verwöhnt.

In Neu Königsaue ist die Beschilderung des Europaradweges ebenfalls hervorragend.

Man sollte aber nach dem Monolithen schauen, der am Ortseingang, wenige Meter von der Route entfernt, auf die Entstehung des Ortes im Jahre 1753 und seinen Namensgeber König Friedrich II. hinweist. In den 1960er Jahren wurden unterhalb des Bruchberges von (Alt)Königsaue reichhaltige Spuren der Tätigkeit mitteleiszeitlicher Großwildjäger gefunden. Sie haben am Ufer des Sees Löwen, Mammute, Hyänen oder Bären erlegt. Teile der Ausgrabungen kann man im Museum Aschersleben in Augenschein nehmen.

Am Ortsende ist die weitere Benutzung des R 1 nicht zu empfehlen, weil der schmale Pfad nach einigen Metern völlig zugewuchert ist. Deshalb wird geraten, die Straße L 73 in Richtung Schadeleben bis zum Abzweig nach Frose zu benutzen. Hier biegen wir nach links in Richtung Abenteuerland ein, und wir befinden uns wieder auf dem R 1. Falls es der Spieltrieb verlangt, kann man täglich 10 bis 19 Uhr auf dem größten Spielplatz Sachsen-Anhalts im Freien auf über 80 000 Quadratmetern spielen, toben, grillen oder sich entspannen.

Haben wir den Spielplatz hinter uns gelassen, biegt der Radweg rechts ab. Der Concordiasee tut sich vor uns auf. Nachterstedt ist auf der Nordseite zu erkennen, auf der anderen Uferseite, zur Rechten Schadeleben.

Ein Prunkstück des Fahrradtourismus am See ist der 2013 fertig gestellte Fahrradrast- und Informationsstützpunkt. Wechselnde Ausstellungen können besucht werden. Wer ein Problem mit dem Rad hat, dem wird geholfen.

Um uns zu stärken, ist einen Kilometer weiter die Gaststätte Arche Noah zu empfehlen (Öffnungszeiten täglich 10 bis 18 Uhr). Mit der Aussichtsplattform ist nach 20,2 Kilometer auch unser Ziel erreicht. Nun hat man die Möglichkeit, den gleichen Weg zurück zu nehmen oder noch einen Abstecher nach Frose zu wagen, wo ein Badesee einlädt. Auch die berühmte romanische Stiftskirche St. Cyriakus, deren Entstehung bis ins 9. Jahrhundert zurück reicht und in der Thomas Münzer wirkte, ist einen Besuch wert.

Der Concordiasee hat viel zu erzählen. Vor Jahrtausenden war hier eine wassergefüllte Niederung mit reicher Pflanzen- und Tierwelt. Nach der letzten Eiszeit vor etwa 10 000 Jahren füllte ein ausgedehnter See die Senke zwischen Harz und Hakel, um den die Siedler der Jungsteinzeit sesshaft wurden. Viel später entstanden neben vielen Ortschaften im Mittelalter auf der Westseite des Sees die Burg Gatersleben und auf der Ostseite die Askanische Burg. Um der fortschreitenden Versumpfung entgegenzuwirken, wurde das Gelände auf Initiative von Bischof Burchard von Halberstadt 1446 mit frischem Wasser wieder aufgefüllt.

Es wurden dadurch große Landbereiche dem Wasser geopfert, unter anderem auch die Dörfer Haseldorf und Hargersdorf. Doch so konnte Fischfang betrieben werden, um in der Fastenzeit die zahlreichen seenahen Klöster und Siedlungen mit der Fleischalternative zu versorgen. Als die Region 1648 preußisch geworden war, stand die Landgewinnung unter König Friedrich I. auf der Tagesordnung, und der Ascherslebener See wurde von 1703 bis 1709 trocken gelegt. Der „Alte Fritz“ gab ab 1770 pfälzischen Kolonisten in Königsaue eine neue Heimat. Einige davon zogen weiter nach Staßfurt.

Die nächste Metamorphose bahnte sich für das ehemalige Seegelände ab 1828 an, als bei Aschersleben Kohle gefunden wurde. Die Ortschaften Nachterstedt (1928) und Königsaue (1965) fielen dem industriellen Kohlehunger zum Opfer, wurden aber am Rande der Tagebaue neu aufgebaut.

Wo sich einst Kirchtürme, Häuser und Gärten befanden, entstanden riesige Kohletagebauanlagen, um die besonders wertvolle bitumenreiche Braunkohle zu fördern. Als die Kohlevorkommen erschöpft waren, wurden die ehemaligen Gruben ab 1996 geflutet, der Concordiasee und unweit davon der kleinere Königsauer See füllten sich. Mit der Grube Concordia zwischen Schadeleben und Nachterstedt hatte man etwas ganz besonderes vor. So wie wir es vom Löderburger See kennen, nahm man auch hier die Errichtung eines Erholungsgebietes in Angriff, mit dem Concordiasee als Mittelpunkt. Allerdings gestaltet sich das schwieriger als erwartet. Siehe Erdrutsch...

Die Staßfurter kennen sich ja mit Problemen im Zusammenhang mit dem Bergbau bestens aus.

Quellen: Tafeln am R 1; Museum Aschersleben, Dauerausstellung; Gerhard Krämer - Zusammenfassende Darstellung der Chronik des Dorfes Königsaue 1751 bis 1964.