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Hundeschulen Wie Zweibeinern in Staßfurt, Hecklingen und Güsten Hundesprache beigebracht wird

Wie kommen Mensch und Hund am besten miteinander klar, während ihre Lebensräume immer enger werden ? Wie verhindern Halter, dass sich ihre Lieblinge ankläffen? Und sind Zwei- und Vierbeiner tatsächlich füreinander geschaffen? Es gibt nicht wirklich die eine Antwort. Hundeschulen helfen aber bei solchen Fragen – und sind eigentlich in erster Linie für die Halter da.

Von Falk Rockmann 04.06.2021, 16:51
Anja Kerger (links) lädt unter anderem auch zu Gruppenstunden ein. Hier auf einer Koppel im Ilberstedter Ortsteil Cölbigk lernen Vierbeiner verschiedenster Größen und Arten, miteinander klarzukommen.
Anja Kerger (links) lädt unter anderem auch zu Gruppenstunden ein. Hier auf einer Koppel im Ilberstedter Ortsteil Cölbigk lernen Vierbeiner verschiedenster Größen und Arten, miteinander klarzukommen. Foto: Falk Rockmann

Staßfurt - Jedes Mal, wenn Paula bei ihrer Runde durchs Dorf einem Fahrradfahrer begegnete, erwachte ihr Jagdtrieb. Nicht gerade angenehm für den Radler. Und natürlich auch nicht für das Herrchen dieses aufgeweckten Hütehundes. Heiko Trostdorf suchte eine Hundeschule, damit Paula besser hört.

Schon nach der dritten Stunde ist er „zuversichtlich, dass das was wird“. Seine fünfjährige Fellnase lässt jedenfalls die Dame, die da gerade über den ehemaligen Groß-Börnecker Sportplatz radelt, mit jeder Runde näher an sich ran. Offensichtlich hat Heiko seine Paula inzwischen im Griff. Er ist Andrea Schirmer sehr dankbar für die Hinweise, die er bei der Hundeerzieherin und Verhaltensberaterin lernte.

Damit erst gar keine Probleme entstehen

Die Hecklingerin gründete vor zehn Jahren ihre Hundeschule „Pfote in Hand“. Ihr Schwerpunkt ist, möglichst präventiv mit Welpen und Junghunden zu arbeiten. „Ich möchte, dass gar nicht erst Probleme entstehen“, so die 54-Jährige.

Bis zu einem gewissen Punkt beschäftigt sich Andrea Schirmer auch mit „Problem“-Hunden, die ja eigentlich immer in einem Atemzug mit dem anderen Ende der Leine genannt werden müssten.

Ich brauche den Menschen und seine Mitwirkung.

Andrea Schirmer, Hundeschule „Pfote in Hand“ HecklingenDabei kennt sie allerdings ihre Grenzen, verweist dann an Tierpsychologen und Verhaltenstherapeutische Tierärzte. Auch mit Hundetrainern arbeitet sie diesbezüglich zusammen.

Sie ist sich bewusst, dass sich „die Hundeerziehung in den vergangenen 20 Jahren total revolutioniert hat“. Die Zeiten, wo Fehler mit Schreck- oder Schmerzreizen bestraft wurden, sollten ihrer Meinung vorbei sein. Erlebnisse mit sogenannten Wurfketten hätten sie jedenfalls schockiert.

Andrea Schirmer hält ebenfalls nichts von solchen Methoden, wo Belohnungen komplett verpönt sind. „Nähe wird bei mir belohnt, Leckerlis dienen dabei als Verstärker.“ Hunde seien eben Opportunisten, und Futter beruhigt.

Es gebe aber noch ganz viele andere Möglichkeiten, die Vierbeiner an sich zu binden. Mit Stop-and-Go beispielsweise: Zieht der Hund, bleibt man stehen. Ist die Leine locker, geht’s weiter.

Wichtig ist Andrea Schirmer: „Der Klient muss immer dafür bereit sein. Ich brauche den Menschen und seine Mitwirkung. Ich muss mein Vorgehen erklären können und er es verstehen.“ Und Vertrauen sei das A und O, wie in einem Rudel, sonst funktioniere es nicht. „An der Leine zu gehen, ist nicht hundetypisch. Auch ,Sitz’ und ,Platz’ machen nicht. Ich muss dem Hund aber einen Weg zeigen, wie er aus Stress rauskommt und nicht rumbaldowert.“

Und sie kommt nochmal auf solche – verbotenen – Methoden wie Elektroschock-Halsbänder zu sprechen. Mit denen würden meist Fehlverbindungen hergestellt. Und Schreck- und Schmerzverknüpfungen werden nicht selten gefährlich.

Ein Hund braucht Leckerlis, ein anderer Spiel, der nächste besondere Strenge.

Anja Kerger, Hundeschule „Glücks-f( a) elle“ Güsten/SanderslebenMit Hunden möglichst sozialisiert durch die immer dichter besiedelte Gesellschaft zu kommen, verlangt ihnen mehr ab als früher, weiß auch Anja Kerger. „Hunde sollen die Menschen glücklich machen – und umgekehrt“, erklärt die 33-Jährige den Namen ihrer Hundeschule.

„Hundeflüsterin“ macht Hobby zum Beruf

Mit „Glücksf( a )elle“ hat die ehemalige Güst’nerin ihr Hobby zum Beruf gemacht. Eine große Rolle spielt bei ihrer Arbeit mit Hunden Geduld und unendlich viel Einfühlungsvermögen. Bereits als Teenager gewann sie mit ihrem damaligen Border Collie einen Dogdance in Dortmund. Zuletzt einen ähnlichen Trickwettbewerb mit ihrer aus Mischlingen bestehenden Vierergruppe in Münster.

„Die Herkunft eines Hundes spielt überhaupt keine Rolle“, beschreibt sie ihr Klientel. Und auch das Alter eines Vierbeiners sei nicht entscheidend dabei, „ihm Grenzen zu setzen und wieder Freiheiten zu geben, wenn der Hund die Einschränkungen befolgt hat“. Für Anja ist es besonders wichtig, „dass nicht so methodenblind gearbeitet wird. Ein Hund braucht Leckerlis. Ein anderer wird mit Spiel belohnt, während beim nächsten besondere Strenge das richtige Mittel ist.“ Das Vorgehen müsse immer auf den Charakter des Hundes abgestimmt sein.

Zwei Lager von Methoden würden sich ihrer Meinung nach herauskristallisieren: Neben der positiven, wo mit Leckerlis und einer positiven Bestärkung gearbeitet wird gebe es die ganz kontrollierende, die nur über Einschränkungen läuft. Anja Kerger findet es schade, dass dabei ein gesundes Mittelmaß immer mehr verloren geht.

Vor Anschaffung eines Vierbeiners sollte man in jedem Fall prüfen, welcher Typ Hund zu einem passt. Auch die mittlerweile in Sandersleben wohnende „Hunde-Flüsterin“ bietet diesbezügliche Beratung an, ob der Charakter einer gewünschten Rasse tatsächlich zu einem betreffenden Menschen – und nicht zuletzt auch zu dessen Umfeld passt.

Kein Futter in der Tasche! Und eine Beißwurst dabei!

Daniel Roedel, Hundeschule „Respekt&Vertrauen“ StaßfurtSeit Frühjahr ist Daniel Roedel mit seiner Hundeschule „Respekt&Vertrauen“ in Staßfurt und Umgebung unterwegs. Mal mit einer „Meute“, mal mit einem „Gespann“. Auch das Ziel seiner Auftraggeber ist es, ihre Vierbeiner ohne zu Kläffen aneinander vorbeizuführen. Der 33-Jährige geht dabei straff voran und macht deutliche Ansagen: „Kein Futter in der Tasche! Grundausstattung: Leichte Lederleine, weil sich der Hund ohne Zug und Druck auf Herrchen/Frauchen zu orientieren hat. Und eine Beißwurst zum Triebabbau!“ Voraussetzung für den Meute-Spaziergang ist bei dem jungen Mann, dass die „Gespanne“ zuvor individuell von ihm eingearbeitet sind.

Leckerlis werden in Konfliktsituationen möglicherweise ignoriert

Einer seiner Grundsätze bei der Hilfe für den Menschen im Umgang mit dem Hund: Bewegungseinschränkung von Anfang an – der Hund kann nicht machen was er will, sondern was er soll. Dazu sei die Körpersprache des Rudelführers – in diesem Fall der Mensch – ausschlaggebend. Leckerlis funktionieren in der Natur nicht, ist Roedel überzeugt. In Konfliktsituationen würden sie unter Umständen ignoriert werden. Vielmehr benötige der Hund eine Aufgabe. Wenn der die nicht kriegt, sucht er sich eine. Je nach Zucht und Trieb.

Der Mensch muss seiner Meinung nach Verständnis für die Hundesprache entwickeln, damit er ihm Rudelführer sein kann. Ziel 1 ist: Der Hund soll nicht hören, sondern folgen wollen.

Ob der Hund tatsächlich zum Menschen passt? Die zunehmende Vermenschlichung habe nicht viel mit dem Leben des Hundes zu tun, denkt Roedel, auch wenn der sich angepasst hat. Die Verbindung Mensch-Hund sei jedenfalls viel stärker als Hund-Hund.

Auch wenn die Methoden von Hundeschulen möglicherweise recht unterschiedlich erscheinen. Das Ziel eines friedlicheren Miteinanders, sowohl von Zwei- und Vierbeinern als auch untereinander, dürfte sie einen.

Rund um den Hund

Das Interesse am Hund, war bereits vor Corona gestiegen, meint Hundetrainerin Anja Kerger. „Der Trend geht sogar zum zweiten oder dritten Hund“, so die ehemalige Güst’nerin, die dabei ist, sich neben ihrer Hundeschule eine Hundepension in Sandersleben aufzubauen.

Die 8. bis 16. Woche im Leben eines Hundes sind ganz wichtig für das Training, sagt Daniel Roedel. Der Staßfurter Hundelehrer denkt, dass es nie zu spät ist für einen Vierbeiner, etwas zu lernen. Es sei aber dann mit mehr Aufwand verbunden. Roedel macht übrigens auch vor „Problem“-Hunden nicht Halt. Da fange die Herausforderung erst an.

Der Beruf des Hundetrainers ist nicht geschützt. „Aus dem Grund wurde ein Berufsverband gegründet“, erklärt Hundeerzieherin und Verhaltensberaterin Andrea Schirmer aus Hecklingen. Dessen Ziel sei es, einen Lehrberuf daraus zu machen, um modernes Tiertraining zu lehren. Mittlerweile gibt’s den Beruf des Hundefachwirts in Zusammenarbeit mit einigen Industrie- und Handelskammern.

Kontakte zu den vorgestellten Hundeschulen:

Anja Kerger über www.gluecksf-a-elle.jimdofree.com, info@gluecksfaelle.de

Daniel Roedel: respektundvertrauen@t-online.de

Andrea Schirmer: www.pfote-in-hand.de, hundeschule@pfote-in-hand.de

Andrea Schirmer beim „Fahrrad-Training" mit Heiko Trostdorf und Hütehund Paula auf dem Platz zwischen Groß Börnecke und Schneidlingen.
Andrea Schirmer beim „Fahrrad-Training" mit Heiko Trostdorf und Hütehund Paula auf dem Platz zwischen Groß Börnecke und Schneidlingen.
Foto: Falk Rockmann
Daniel Roedel (vorn) beim entspannten Meute-Spaziergang in der Neundorfer Feldflur mit Haltern ganz unterschiedlicher Hunderassen.
Daniel Roedel (vorn) beim entspannten Meute-Spaziergang in der Neundorfer Feldflur mit Haltern ganz unterschiedlicher Hunderassen.
Foto: Falk Rockmann