1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Inklusion: Barrierefreiheit im Kreis Stendal: Was hat sich getan? Wo hapert es?

EIL

Inklusion Barrierefreiheit im Kreis Stendal: Was hat sich getan? Wo hapert es?

Der Inklusionsbeirat des Landkreises Stendal geht jedes Jahr auf Tour, um den Personennahverkehr auf Barrierefreiheit zu testen. In diesen Bereichen gibt es Defizite.

Von Moritz Bartz 19.11.2023, 18:00
Marcus Graubner kann mit der Hilfe von Franziska Moratschke die Stendaler Busse ohne Probleme befahren.
Marcus Graubner kann mit der Hilfe von Franziska Moratschke die Stendaler Busse ohne Probleme befahren. Foto: Stefan Rühling

Stendal/Seehausen - „Es hat sich schon viel getan, um den öffentlichen Personennahverkehr im Landkreis Stendal barrierefreier zu machen.“ Wenn Marcus Graubner aus Tangerhütte dieses Fazit zieht, dann aus persönlicher Erfahrung, aber auch aus seiner jahrelangen Mitarbeit im Inklusionsbeirat des Landkreises Stendal. Der ist mindestens einmal im Jahr unterwegs, um den Bus- und Bahnverkehr inklusive Haltestellen und Bahnhöfen unter die Lupe zu nehmen.

Lesen Sie auch: Schüler der Comenius-Schule erleben Stendal aus Sicht von Menschen mit Behinderungen

Vorige Woche stand eine weitere Tour an. Mitarbeiter der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH und vom Landkreises Stendal schlossen sich dem Inklusionsbeirat an, um öffentliche Verkehrsmitteln auf ihre Barrierefreiheit zu überprüfen. Unterstützung erhielt Marcus Graubner von Franziska Moratschke, zweite Vorsitzende des Allgemeinen Behindertenverbandes Stendal und Umgebung, sowie Annemarie Kock, Beraterin für Menschen mit Behinderung im Kreis Stendal.

Die Tour beginnt am Stendaler Hauptbahnhof. Hier habe sich in den vergangenen Jahren am meisten getan, sagt Johanna Michelis, örtliche Teilhabemanagerin des Landkreises Stendal. Sie begleitet die ÖPNV-Erkundung zum fünften Mal und ist stolz auf das, was am Verkehrsknotenpunkt bisher erreicht wurde. So biete der Bahnhof deutlich mehr Bewegungsspielraum für Menschen mit Behinderung, unter anderem mit einem Bodenleitsystem für Sehbehinderte und einem Aufzug an jedem Gleis.

Zu hohe Kante an der Rollstuhlrampe

Verbesserungsbedarf bestehe allerdings beim Eingang zur Haupthalle des Bahnhofs, sagt Johanna Michelis. Dieser ist für Rollstuhlfahrer nur über eine Holzrampe erreichbar. Aus eigener Kraft kommt man da kaum hoch, bestätigt Marcus Graubner. Er nutzt seit seiner Kindheit einen Rollstuhl und bemängelt die zwei Zentimeter hohe Kante, die die Räder überwinden müssen, um auf die Rampe zu kommen.

Lob gibt es hingegen für die Busse in Stendal. Ohne Aufforderung lässt die Fahrerin die Rampe herunter. Kritik kommt diesmal von Reiko Lühe. Er kann nur eingeschränkt hören. Mangels optischer Signale fällt es ihm schwer zu erkennen, wann der Bus hält. „Wenn man den Halteknopf drückt, sollte man irgendwo im Bus sehen können, dass er anhält“, ist sein Vorschlag. Der Bus bringt die Gruppe zum Campus der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Annemarie Kock testet die dynamische Fahrgastinformation an der Bushaltestelle am Campus der Hochschule Magdeburg-Stendal in Stendal.
Annemarie Kock testet die dynamische Fahrgastinformation an der Bushaltestelle am Campus der Hochschule Magdeburg-Stendal in Stendal.
Foto: Stefan Rühling

Dort findet Annemarie Kock das nächste Problem: die dynamische Fahrgastinformation. Sie ist zwar mit Brailleschrift für Blinde und Sehbehinderte versehen, die aber mit Rechtschreibfehlern, wie sie feststellen muss. „Was steht da? Ankunft?“, fragt Annemarie Kock, die eine Sehbehinderung hat, als sie mit dem Finger über das Wort streicht, das eigentlich „Auskunft“ bedeuten soll. „Man muss schon ein paar Tricks kennen, um sich als Mensch mit Behinderung im Landkreis Stendal zurechtzufinden. Aber es klappt“, sagt sie.

Reiko Lühe liest den Busfahrplan am Stendaler Hauptbahnhof.
Reiko Lühe liest den Busfahrplan am Stendaler Hauptbahnhof.
Foto: Moritz Bartz

Vom Bahnhof an der Hochschule in der Osterburger Straße geht es mit dem Zug nach Seehausen. Auf dem Weg dorthin steht die nächste Prüfung an. Diesmal wird ein Zug der Deutschen Bahn unter die Lupe genommen und für gut befunden. Dank einer hydraulischen Hebebühne und der Hilfsbereitschaft des Bahnpersonals gelangen alle Mitglieder der Reisegruppe problemlos in den Zug.

Damit das auch in Zukunft so bleibt, gilt es, „zusammenzuhalten und gemeinsam für den Abbau von Barrieren im öffentlichen Raum zu kämpfen“, fordert Marcus Graubner. Darum trifft sich der Inklusionsbeirat in Seehausen mit der Interessensgruppe „Barrierefreies Seehausen“. Die zehnköpfige Gruppe setzt sich für die Rechte behinderter Menschen in der Kleinstadt ein. Und das mit großem Erfolg, wie Birgit Hartmann berichtet. Sie ist Mitglied der Interessengemeinschaft und hat gemeinsam mit den anderen Mitgliedern zum Beispiel erreicht, dass die Tourist-Information der Stadt Seehausen eine Rollstuhlrampe bekommen hat.

Die bei der Exkursion gesammelten Ideen und Mängel werden in der nächsten Sitzung des Inklusionsbeirates am 29. November diskutiert. Sie bilden die Grundlage, um den ÖPNV im Landkreis Stendal in Zukunft noch barrierefreier zu gestalten.