Gericht Blick in die Zellen: Landgericht Stendal öffnet verschlossene Türen
Zellen im Keller, eine Verhandlung, 15 Kilogramm schwere Einsatzausrüstung - das Landgericht Stendal hat seinen Besuchern viel geboten. Vor allem Werbung für die Justiz.

Stendal - „Warum ist denn da keiner drin?“, fragte ein junges Mädchen und schaute erstaunt in die leeren Vorführzellen. Ganz einfach: „Weil heute Tag der offenen Tür ist“, antwortete Justizhauptwachtmeister Justin Bartels. Er führte Besucher ins Untergeschoss des Stendaler Landgerichtes und zeigte die insgesamt sechs Verwahrzellen für Inhaftierte, denen der Prozess gemacht wird.

Die Verweildauer in den abgeschlossenen Räumen beträgt im Schnitt etwa 15 Minuten. Die Personen werden aus der Justizvollzugsanstalt Burg nach Stendal gefahren, gründlichst auf Waffen oder Drogen untersucht und warten in den Zellen, bis ihre Verhandlung beginnt.

Das Landgericht Stendal gewährte einen Blick hinter die Kulissen – und das auf Wunsch der Bevölkerung, wie Vizepräsidentin Haide Sonnenberg erklärte. So einen Aktionstag gab es letztmalig vor sieben Jahren und dieser verlangte aufgrund der guten Resonanz eine Wiederholung. Auch, um eine mögliche Hemmschwelle vor der Judikative zu verlieren. Respekt sollte man haben, aber keine Angst, betonte Haide Sonnenberg.
War es 2016 eher das Ansinnen, sich der Öffentlichkeit vorzustellen, sei der Fokus dieses Jahr auf einen anderen Aspekt gelegt worden, sagte Pressesprecher Dr. Michael Steenbuck. „Wir haben Nachwuchssorgen.“ Es sei schwierig, junge Menschen für die verschiedenen Berufsfelder zu gewinnen. Zwar nicht bei den Juristen, da diese immer in der Öffentlichkeit präsent sind. Jedoch im mittleren und einfachen Dienst, wie etwa bei Rechtspflegern oder Wachtmeistern. Im Landgericht erhalten Berufsstarter ihr Grundgerüst. Aber, so Steenbuck, viele stammen aus dem Süden Sachsen-Anhalts und gehen nach ihrer Ausbildung wieder in die Heimat zurück.

Das Erdgeschoss war Anlaufstelle für all jene, die sich über Berufe informieren wollten. Vertreter des Gerichts, der Staatsanwaltschaft, der Notarkammer oder der Polizei standen Rede und Antwort. Auf dem Hof zog der Gefangentransporter der Justizvollzugsanstalt Burg das Interesse der Besucher auf sich. Daneben war auf einem Tisch die umfangreiche und insgesamt knapp 15 Kilogramm schwere Schutzausrüstung für eine Person der Einsatztruppe zu betrachten. Justizvollzugsbeamter Roy zeigte auf Schlagschutzweste, Protektoren für Arme und Beine, Helm, Gasmaske und Genitalschutz. Die Einsatztruppe ist zur Stelle, wenn sich Gefangene im Haftraum verschanzen. Sich etwa selbst verletzen mit suizidalen Absichten.
Kein einziger freier Sitzplatz mehr im Plenarsaal 218. Eine nachgestellte Strafverhandlung, inklusive Zeugenbefragung, beschäftigte sich mit einem Mann, der schon einiges auf dem Kerbholz hatte. Angefangen von Diebstahl bis Körperverletzung.

Wo grade noch für das interessierte Publikum Recht gesprochen wurde, ging es später um Pfandsachen, die unter den sprichwörtlichen Hammer kamen. Obergerichtsvollzieher Remo Kirpeit leitete die Versteigerung und sprach vorher über sein Arbeitsfeld. Zuständig für das Amtsgericht Stendal, sind seine Aufgaben breitgefächert. Ein Gerichtsvollzieher kümmert sich bei Geldeinforderungen, ist bei Zwangsräumungen im Einsatz, bei Kindswegnahme und bringt Männer zur DNA-Probe ins Gesundheitsamt, um eine Vaterschaft feststellen zu können. Er arbeitet allein, doch sei Gefahr in Verzug, nimmt er die Polizei zur Hilfe.
Die zu versteigernde Objekte waren ein bunter Mix aus Kettensäge, Standfernrohr, Stühlen, beleuchteter Globus oder auch Bügeleisen. Der Erlös aus dieser Aktion kommt dem Stendaler Hospiz zugute.