Bojan verlässt nach 599 Tagen seine Heimat - er soll für Nachwuchs sorgen Ein Königreich für einen Tiger
Er ist erst eineinhalb Jahre alt und legt schon eine Strecke von gut 900 Kilometern zurück. Der junge Amur-Tiger Bojan trat gestern seine erste große Reise an - nach Schweden.
Stendal l Die Ziffern der Uhr stehen auf 10.09 Uhr, und ein schwarzes Auto rollt die Auffahrt des Tiergartens in Stendal hinauf. Der Insasse wird bereits sehnsüchtig erwartet. SDL IB - Es ist Ingo Bormke, "Er ist etwas besonderes, unser Haus- und Hoftierarzt", sagt Tiergartenleiterin Anne-Katrin Schulze lächelnd.
20 bis 25 Fotografen, Pfleger, Journalisten (schwedische und deutsche), Dolmetscher, und Mitarbeiter des Tiergartens empfangen den Tierarzt. Er soll die Narkose für Bojan vorbereiten, damit er zügig in die Transportkiste verfrachtet und in den Volvo-Truck geladen werden kann. Aber schon kommt das erste Hindernis: "Der Truck ist zu groß, er kann nicht aufs Gelände fahren", erklären Dolmetscher, Pfleger und Leiterin zugleich.
Es wird telefoniert, organisiert, abgesprochen - und gewartet. Wie bekommen wir den Tiger von der Transportkiste in den Truck? Wie fahren wir zu ihm? Und, wo ist eigentlich der Fahrer vom Truck? Er kommt. Zusammen mit Bojans zukünftiger Tierpflegerin Mia Abrahamsson aus Schweden. Die beiden begleiten den Transport, ungefähr 24 Stunden wird die gesamte Rückfahrt dauern. Und es muss an so vieles gedacht werden: Impfpass, der "Personalausweis" von Bojan - CITES genannt, Zollpapiere und die Schenkungsurkunde des Schweriner Zoos. Obwohl Bojan in Stendal geboren ist, haben die Schweriner ein gewisses Recht auf ihn. Denn sein Vater Buran siedelte 2006 aus Schwerin nach Stendal über. Plötzlich: "Es geht looooos!" Die weiße Transportkiste steht bereit. Aber, Rückzug! "Bojan wird jetzt in Narkose gelegt, und in knapp 20 Minuten können Sie alle dazustoßen", erklärt Frau Schulze.
Es ist 11.28 Uhr. Bojan liegt in Kurzzeitnarkose und wird gründlich untersucht: Zähne, Hoden, Augen, Krallen, und er bekommt die ein oder andere Spritze. "Katzenschnupfen- und seuche, Tollwut, Parasiten - das ist das wichtigste", weiß der Tierarzt. Mia Abrahamsson hält Bojan indes zärtlich die Pfote, ihre Hand ist nicht mehr zu sehen. Sie freut sich auf das neue Mitglied im "Nordens Ark" - Bojans zukünftiger Heimat. Hier wird er ein riesiges Gehege haben und Sparta - seine neue Partnerin. Und die Fressgewohnheiten werden sich ändern. In Stendal gibt es sechs Tage die Woche jeweils fünf Kilo Kuhfleisch. In Schweden: nur zwei Mal in der Woche. Mittwochs acht bis zehn Kilo und sonntags zwölf. Hier wird hauptsächlich Pferdefleisch verfüttert. "Ohne Kopf, ohne Hufe", so Mia. Na, guten Appetit! Mit "einem lachenden und einem weinenden Auge" verabschieden sich seine drei Pflegerinnen Anke, Sabine und Ellen von ihrem Schatz. "Er hat es in Schweden gut getroffen!" Dann fallen die beiden Gitterstäbe ins Raster. Bojan schläft in der Kiste und wird gleich zum Truck befördert. Mia Andersson beschreibt: "Ein riesiges Teil für eine solch kleine Kiste. Mit dem Truck könnten wir 20 Elefanten befördern!" Aber es ist Zeit für Bojan. Ein letztes Streicheln durch die Stäbe, ein "Tschüss, mein Süßer" von den Mitarbeitern und ein letzter liebevoller Blick von seiner Schwester Tassja, sie bleibt uns zum Glück erhalten. Mach\'s gut, Bojan...