Fritz-Walter Giesecke betrieb einen Kürschner-Laden Fast ein ganzes Leben im Traumberuf gearbeitet
In der Volksstimme-Serie "Hinter alten Inschriften" schauen wir hinter die Fassaden historischer Gewerbe in Stendal. Wir spüren die Menschen hinter diesen Schriftzügen auf und lassen sie ihre Geschichte erzählen. Heute Teil 3: Fritz Giesecke.
Stendal l Ein Leben als Kürschner, so hatte sich Fritz-Walter Giesecke das vorgestellt. Bis zur 10. Klasse besuchte er die Goetheschule, absolvierte dann eine Lehre in Osterburg, arbeitete vorübergehend in Leipzig auf einer Fachschule, machte seinen Meister und übernahm 1969 den väterlichen Betrieb. Und diesem blieb er dann auch treu, viele Jahrzehnte lang, ohne Unterbrechung.
Es war im Jahre 1911, als Gieseckes Großvater nach Stendal zog. 1922 folgte der Umzug in die Breite Straße, wo er mit seinem Pelzgeschäft das Gebäude bezog, an welchem noch heute die Inschrift "Fritz Giesecke" zu finden ist. Damals befanden sich dort noch zwei andere Läden, eine Druckerei und ein Fachhandel für Hochprozentiges.
Anfang der 30er-Jahre übernahm Gieseckes Vater schließlich die Kürschnerei. 1945 dann der erste schwere Schlag für das Familienunternehmen: Der Betrieb wurde von den Sowjets unter Sequestrierung, also Zwangsverwaltung, gestellt. Doch schon zwei Jahre später wurde Giesecke Senior wieder Herr über seinen eigenen Laden.
"Ich habe wirklich gut verdient mit dem Laden."
Erneut abgeben musste er ihn erst 1969, diesmal jedoch ohne Zwang, denn Sohn Fritz-Walter übernahm nach Abschluss der Lehre und Erlangung des Meister-Grades die Führung des Betriebs. Fortan konnte Giesecke seinen "absoluten Traumberuf" im eigenen Laden ausüben. Auch wenn der Staatsapparat Einwände gegen die Übergabe vom Vater zum Sohn hatte, setzte sich Giesecke durch. Sein bestes Argument: "Ich habe wirklich gut verdient mit dem Laden."
Und dies sollte auch in den kommenden Jahren so bleiben. "Es lief gut", wie Giesecke rückblickend feststellen kann.
Er beschäftigte bis 1988 durchgehend neun oder zehn Mitarbeiter und - bis heute schwärmt Giesecke von diesen Reisen - durfte in den 70er Jahren regelmäßig zu Modenschauen in sozialistischen Bruderstaaten fahren. So präsentierte er seine Pelzmode unter anderem in Moskau, Kattowitz oder Ulan Bator.
Doch 1993 musste er seinen Laden aufgeben. Die Kürschner-Branche hatte sich gewandelt, Pelze waren nicht mehr so gefragt. Ihnen haftete plötzlich ein negatives Image an. Fritz-Walter Giesecke sieht sogar eine Zusammenhang mit dem geplanten AKW-Bau in Stendal. "Damals kamen die Umweltschützer, die auch Pelzhändler zu ihren Gegnern zählten." Doch er sagt dies ohne Gram oder gar Hass.
Gegen Ende waren es nur noch drei Mitarbeiter im mittlerweile wegen der Sonneneinstrahlung zurückgebauten Geschäft. Giesecke verpachtete den Laden und fing selbst als Verkäufer in einem Sportgeschäft an. Ab 2000 war er dann für zwei Jahre arbeitslos, bevor er in Rente ging. Und die genießt er nun.
"Ach, von mir aus können sie das Schild auch abmontieren."
Er macht Domwache, spielt gerne Skat mit Freunden und besucht regelmäßig seine Lebensgefährtin in Berlin. Auf die Frage, was er fühle, wenn er an dem Schild "Fritz Giesecke" vorbeigehe, antwortet er in seiner typischen trockenen Art: "Ach, von mir aus können sie das Schild auch abmontieren. Das wäre mir lieber."
So ganz ohne Erinnerung an die vergangenen Zeiten scheint es aber doch nicht zu gehen. Wer sich in Gieseckes Wohnung genauer umschaut, entdeckt die eine oder andere Reminiszenz an sein altes Geschäft. Insbesondere der Eisbär - damals so etwas wie das Logo des Ladens - scheint es Fritz Giesecke noch immer angetan zu haben. In der Küche kann er tagtäglich auf Eisbär-Bilder schauen.
Und wer aufmerksam durch die Breite Straße in Stendal läuft und auf Höhe der großen "Fritz Giesecke"-Schrift nach oben schaut, erkennt noch immer recht deutlich die Aufschrift an der Fassade: "Pelzwaren Hüte Mützen". Und direkt daneben ein weißer Eisbär. Aktuell befindet sich in den Räumlichkeiten ein Bekleidungsgeschäft, in dem unter anderen auch Artikel der in rechtsradikalen Kreisen äußerst beliebten Marke "Thor Steinar" vertrieben werden.