Kreistag Stendal Start mit wenig Harmonie
Kreistag Stendal: Sebastian Stoll tritt als 1. Beigeordneter und Thomas Lötsch als 2. Beigeordneter den Dienst in der Kreisverwaltung an.
Stendal l Wer das Bild vom zerschlagenen Porzellan bemühen möchte, könnte noch hinzufügen: Was da in den vergangenen Tagen zusammengekommen ist, hätte für mehrere Polterabende gereicht. Wann und ob das Zerbrochene überhaupt – zumindest behelfsmäßig – geklebt werden kann, ist völlig offen. Landrat Patrick Puhlmann (SPD) streckte schon vor der Wahl der Beigeordneten seine Hand aus: „Ich schulde es mir und meinem Amt, meinen Teil zum Aufbau von Vertrauen beizutragen, auch wenn es noch eine Zeit dauern wird.“ Seinen Kritikern versicherte er: „Meinen eigenen Kopf werde ich noch eine Weile behalten.“
Um Vertrauen geht es insgesamt – und bei der Vorgeschichte zur Wahl. Wie berichtet, hatte der Landrat Anfang der Woche in einem Schreiben allen Kreistagsmitgliedern mitgeteilt, dass ihm „schlicht die Basis für eine solide und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit dem derzeitigen 2. Beigeordneten Sebastian Stoll (CDU) fehle. Das brachte ihm den Vorwurf ein, auf die Beigeordnetenwahl Einfluss nehmen zu wollen. Puhlmann wies dies während der Kreistagssitzung am Donnerstag noch einmal zurück mit Verweis auf das Kommunal-verfassungsgesetz und ein Urteil des Ober-verwaltungsgerichtes Sachsen-Anhalts, die sein schriftliches Agieren rechtlich decken würden. „Meine Position ist unverändert“, machte der Landrat darum klar.
Geändert hat er aber seine Position zu einem anderen Vorgang, in dessen Mittelpunkt wieder Sebastian Stoll steht und der dem Landrat ebenfalls heftige Kritik eingebracht hat. Es geht um eine Dienstanweisung in Corona-Zeiten. Der Landrat hatte darin festgelegt, dass der 2. Beigeordnete sein Büro aus dem Altbau des Landratsamtes ins Hufelandhaus in der Wendstraße verlegen soll, weil sich dort viele Ämter seines Zuständigkeitsbereiches befinden. Vor allem aber, um das Risiko einer gemeinsamen Corona-Infektion zu minimieren, denn beider Büros liegen nur durch Sekretariat und Büroleitung verbunden nah beieinander.
Das Vorgehen sei sachlich begründet gewesen, so Puhlmann, „rechtlich ist die Sache geprüft und sicher“, zudem habe er als Dienstherr Weisungsrecht. Am Donnerstag habe er dennoch die Dienstanweisung vorerst zurückgenommen, weil die Tage davor gezeigt hätten, dass es technische Probleme gibt und „dass die Präsenz beider Personen teilweise notwendig ist“, zum Beispiel bei Telefonkonferenzen mit Landesministerien.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Staudt warf dem Landrat Mobbing seines 2. Beigeordneten vor und kritisierte, dass das Thema am Donnerstag voriger Woche im Kreisausschuss schon hätte angesprochen werden müssen. Puhlmann räumte ein, dass die Anweisung „ungünstig zum jetzigen Zeitpunkt“ gewesen sei. Aber: „Zwischen beiden Sachen (Wahl und Anweisung – A.d.Red.) gibt es keinen Zusammenhang“, reagierte er auf Wortmeldungen von Nico Schulz (Pro Altmark) und Jürgen Teubner (AfD), die bezweifelten, dass das Corona-Schutz-Ansinnen der wirkliche Grund für die Anweisung gewesen sei.
Auf die Frage von Arno Bausemer (AfD), ob der Landrat mit seinem Agieren die beiden Beigeordneten für die kommenden Monate „fachlich ausschalten“ wolle, antwortete Puhlmann: „Ich schulde meinem Amt, mit allen zusammenzuarbeiten.“
Als die beiden Wahlen gelaufen und auch der Rest der Tagesordnung abgearbeitet waren, nahm Chris Schulenburg (CDU) das Thema noch einmal auf. Dem Landrat sei es in den wenigen Tagen und Wochen seiner Amtszeit gelungen, das „Ansehen des Landkreises zu beschädigen“. Er erwarte von einer Führungskraft, „dass man Differenzen im Vier-Augen-Gespräch klärt“, so Schulenburg. Mit dieser öffentlichen Debatte über fehlendes Vertrauen (O-Ton: „Schmähschrift gegenüber einem Beigeordneten“) gebe der Landkreis derzeit „nach außen kein Bild der Geschlossenheit“ ab. Er erwarte eine öffentliche Erklärung, wie die künftige Zusammenarbeit laufen soll, und eine „offene Fehlerkultur“. An Puhlmann gewandt sagte der Christdemokrat: „Mit einer Entschuldigung hätten Sie Größe gezeigt.“
Nachdem Arno Bausemer dem Landrat vorgeworfen hatte, „ein klassisches Eigentor geschossen“ zu haben und „ein bisschen wie ein roter Elefant durch den konservativen Porzellanladen“ gegangen zu sein, ergriff Juliane Kleemann (SPD) das Wort, um die Diskussion zu beenden. Jetzt sollte hinter das Thema ein Punkt gemacht werden. Sie erwarte, „dass das Führungstrio miteinander für den Landkreis arbeitet und das Davor dann Geschichte ist.“
Die Wahl von Sebastian Stoll zum 1. Beigeordneten war mit Blick auf die Sitzverteilung im Kreistag keine Überraschung. Das konservative Lager aus CDU, Pro Altmark und AfD ging mit seiner Mehrheit selbstbewusst in die Abstimmung, für Stoll gab es zudem Stimmen aus anderen Fraktionen.
Auch die Stimmen für Thomas Lötsch, der im zweiten Wahlgang die notwendige Mehrheit holte, dürften aus dem konservativen Lager gekommen sein, das den Ausgang der Abstimmung mit kräftigem Beifall kommentierte und aus dem nach der Sitzung Sätze wie „Ein guter Tag für die CDU“ zu hören waren. Er selbst sei bisher immer gut mit überparteilicher Arbeit gefahren, sagte Lötsch im Volksstimme-Gespräch.
Der 39-jährige Sebastian Stoll, der nun nach sieben Jahren als 2. Beigeordneter zum 1. Beigeordneten aufsteigt, zeigte sich nach der Wahl souverän: „Ich werde das Amt loyal ausführen, auch loyal gegenüber dem Landrat.“