Rezension „Mamma Medea“ am Theater in Stendal - Von Rache, Tod und Leidenschaft
Die Eröffnungspremiere „Mamma Medea“ am Theater der Altmark in Stendal war ein voller Erfolg. Warum sich der Besuch des Theaterstücks lohnt.
Stendal - Endlich wieder eine Premiere auf der großen Bühne. Nach langer Sanierungszeit eröffnet das Theater der Altmark mit einem großen zeitlosen Klassiker. Ein junges aufstrebendes Paar startet verheißungsvoll in die Zukunft. Auf dem Weg zum gemeinsamen Glück bricht alles zusammen und sie werden zu Mördern. Dorotty Szalma und ihr Ensemble rücken den antiken Medea-Stoff dicht an das Publikum heran. Ganz im Sinne großer Dramatiker wie Schiller und Shakespeare machen sie mit ihrer Stendaler Inszenierung menschliches Handeln nachvollziehbar, ohne dabei den Betrachter zu entmündigen.
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Als Textgrundlage wählten sie eine Bearbeitung von Tom Lanoye, der mit „Mamma Medea“ nah an den antiken Vorlagen bleibt. Die Übersetzung von Rainer Kersten spielt mit verschiedenen Sprachebenen. So prallen saloppe Alltagssprache für die neue Welt und klassische Theatersprache für die alte Welt aufeinander. Endlich gibt es wieder Programmhefte, klug zusammengestellte Texte von Dramaturgin Sylvia Martin. Das liest sich gut und ist hilfreich.
Raffinierte Beleuchtung und imposantes Bühnenbild
Medea ist von göttlicher Abstammung und mit magischen Zauberkräften ausgestattet. Doch trotz dieser Macht hat sie ihren Stand in Kolchis, dem alten Königreich ihres Vaters, noch nicht gefunden. Als der heldenhafte Grieche Jason in ihr Land kommt, fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Sie wittert die Chance, aus ihrem rückschrittlichen Umfeld in die „moderne“ Welt zu entkommen. Ihre Leidenschaft wächst und mit ihr auch unethisches Handeln. Um Jason zu unterstützen, lässt sie ihren eigenen Bruder ermorden. Auch Jason macht sich schuldig. Für seinen königlichen Aufstieg verlässt auch er den Pfad der Tugend und folgt Medeas Blutspur. Einmal zu Mördern geworden, schrecken beide nicht vor weiteren Morden zurück. Am Ende töten sie gar ihre eigenen Kinder.
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Das imposante Bühnenbild von Janos Mira und Sophia Mazzoni zeigt marode Wände und zerschlagene Säulen. Die alte antike Welt und das private Glück brechen zusammen. Obwohl sich die Bühnenelemente nicht ändern, erzeugen raffinierte Beleuchtungseffekte von Ronald Gehr rasch wechselnde Szenenbilder. Das Ensemble spielt mit Mikroports, was zunächst irritiert, aber dezent ausgesteuert und für szenische Effekte genutzt wird. Susan Ihlenfeld als Medea und Paul Worms als Jason spielen deutlich und kraftvoll, ziehen nahtlos hinein in innere Zustände. Wenn sie im Ehe- und Kinderrechtsstreit sich gegenseitig Vorwürfe machen, reagiert das Publikum heftig. Zeitlose Themen. Zärtlichkeit und Hass liegen dicht beieinander.
Zerfressen von Eifersucht und Rache
Paul Worms macht glaubhaft, dass Jason kein Gespür für das Anspruchsdenken und die Kränkung Medeas hat. Er folgt der Logik des materiellen Aufstiegs. Susan Ihlenfeld zeigt uns eine starke Frau, die sich mit ihrer leidenschaftlichen Liebe und dem Wunsch nach sozialer Verortung abhängig gemacht hat. In dem Moment, wo sie für eine andere Frau verlassen wird, bricht alles zusammen. Zerfressen von Eifersucht und Rache greift sie zum Äußersten.
Die große Personage wird von Hannes Liebmann, Kerstin Slawek, Siri Wiedenbusch und Mathias Hinz in wechselnden ernsten und heiteren Rollen gespielt. Ihnen zuzuschauen, macht Freude und lässt auf weitere überzeugende TdA-Premieren hoffen. Zweieinhalb Stunden vergehen wie im Fluge.