1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Inklusion: Schüler der Comenius-Schule erleben Stendal aus Sicht von Menschen mit Behinderungen

Inklusion Schüler der Comenius-Schule erleben Stendal aus Sicht von Menschen mit Behinderungen

Während eines Aktionstages unternehmen Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Comenius einen Spaziergang durch Stendal. Warum sie dabei in Rollstühlen sitzen und sich mit Blindenstöcken orientieren, obwohl sie selbst keine Behinderungen haben.

Von Leon Zeitz 06.07.2023, 19:30
Mit Leitstöcken und in Rollstühlen unternahmen Schüler der Sekundarschule Comenius einen Spaziergang durch Stendal.
Mit Leitstöcken und in Rollstühlen unternahmen Schüler der Sekundarschule Comenius einen Spaziergang durch Stendal. Foto: Leon Zeitz

Stendal - Schülerinnen und Schüler der Comenius-Schule in Stendal unternehmen einen gemeinsamen Spaziergang in Richtung Innenstadt. Sie sitzen teilweise in Rollstühlen und orientieren sich mit Hilfe von Blindenstöcken. Dabei haben sie selbst keine körperlichen Behinderungen. Ein blöder Scherz?

Nein. Hintergrund der Aktion war der „Tag der Vielfalt“, der zum zweiten Mal in der Sekundarschule stattfand. Während des Projekttages konnten sich die Jugendlichen in verschiedene Gruppen eintragen, die sich mit Themen wie Alkohol und Drogen oder Seh- und Körperbehinderungen beschäftigen.

Letztere wurde von Johanna Michaelis vom Sozialamt des Landkreises und Annemarie Kock betreut. Annemarie Kock ist von ihrer Geburt an blind und klärte die Achtklässler über das Thema auf. Sie zeigte ihnen wie Braille-Schrift zu lesen ist und wie sie sich mit Hilfe von Apps durch den Alltag bewegt. „Das kommt bei den Jugendlichen immer gut an“, sagt sie. Mit einer App kann sie sich beispielsweise andere Menschen beschreiben lassen.

Keine Leitsysteme in der Breiten Straße in Stendal

Im Anschluss an die „Theorie“ war es Zeit für einen kleinen Stadtspaziergang. Ausgestattet mit Leitstöcken, Rollstühlen und Simulationsbrillen machte sich die Gruppe aus 25 Schülern auf in Richtung Innenstadt, um Stendal aus der Perspektive einer Person mit Behinderung zu erleben. Dabei konnten die Jungen und Mädchen am eigenen Leib erfahren, mit welchen Schwierigkeiten Menschen mit einer Behinderung im Alltag zurechtkommen müssen. „Mit dem Stock kann ich mich zwar gut orientieren, aber ab und zu bleibt er an Steinen hängen. Das ist schon nervig“, beschreibt die 14-jährige Johanna ihre Erfahrung.

„Im Rollstuhl konnte ich gut fahren, aber manchmal war es huckelig. Das war mal eine spannende Erfahrung, aber immer brauche ich das nicht“, sagt der 14-jährige Nico, der sich eine Zeit lang von Annemarie Kock schieben ließ. Mit dem Rollstuhl kann es an manchen Stellen in Stendal schon mal eng werden, wenn beispielsweise eine Mülltonne auf dem Gehweg steht. „Wir hoffen, die Jugendlichen mit Tagen wie diesen für das Thema zu sensibilisieren“, sagt Johanna Michaelis. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass man bereits mit Kleinigkeiten dazu beitragen kann, den Alltag für Menschen mit einer Behinderung zu erleichtern. „Mein Fahrrad habe ich zum Beispiel früher irgendwo auf dem Gehweg abgestellt. Das stört dann und nimmt Platz weg.“

Was während des Spaziergangs ebenfalls auffällt: In der Breiten Straße gibt es kein Leitsystem am Boden und in einigen Geschäften gibt es keine barrierefreien Zugänge. „Es wäre schön, wenn sich das ändern würde“, sagt Annemarie Kock. Die Schüler-Gruppe zeigte sich ihrer Einschätzung nach als sehr offen und stellte viele Fragen. „Das ist der Vorteil, wenn sich die Jugendlichen selbst aussuchen können, was sie interessiert.“