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Kinder- und Jugendarbeit Wenn das „Pio“ zumacht: Wo sollen wir hin?

Kinder starten Unterschriftensammlung für den Erhalt des Jugendfreizeitzentrums in Osterburg. Landkreis Stendal hat als Hauseigentümer den Mietvertrag gekündigt.

Von Astrid Mathis 23.07.2024, 08:46
Danny Weinert (rechts) aus Osterburg setzt sich für den Erhalt des Jugendfreizeitzentrums Osterburg ein.  Vor zwei Wochen startete er mit zahlreichen Kindern, die gern die Freizeitstätte nutzen,  eine Unterschriftenaktion.
Danny Weinert (rechts) aus Osterburg setzt sich für den Erhalt des Jugendfreizeitzentrums Osterburg ein. Vor zwei Wochen startete er mit zahlreichen Kindern, die gern die Freizeitstätte nutzen, eine Unterschriftenaktion. Foto: Astrid Mathis

Osterburg. - So einfach wollen sie das Feld nicht räumen. Die Rede ist von Kindern, die ihr Jugendfreizeitzentrum (JFZ) in der Stendaler Straße 33 weiter nutzen möchten. Mit Danny Weinert an der Spitze haben sie eine Unterschriftensammlung gestartet. „Wir kämpfen für den Erhalt der Freizeiteinrichtung“, sagt der 20-Jährige. Was ist passiert?

Als vor wenigen Wochen die Nachricht die Runde machte, der Landkreis Stendal hätte sich als Eigentümer entschieden, dass das JFZ-Gebäude zum Verkauf angeboten werden soll, fiel nicht nur Danny Weinert aus allen Wolken. Ebenso Mario Lehmann, der als Mitarbeiter des Internationalen Bundes (IB) die Kinder und Jugendlichen im JFZ betreut.

Die Kreisverwaltung kündigte alle Verträge, weil die Jugendarbeit im Landkreis Stendal insgesamt neu sortiert werden soll. Dafür finden in allen Verbands- und Einheitsgemeinden sogenannte Regionalkonferenzen statt. Was das JFZ in Osterburg betrifft, wurde zudem noch festgestellt, dass das Gebäude in der Stendaler Straße 33 Mängel aufweist und nicht mehr der Norm entspricht.

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„Wo sollen wir hin?“ Das fragen sich nun die Nutzer des Jugendfreizeitzentrums, das in Anlehnung an die erste Wirkungsstätte im DDR-Pionierhaus, kurz: Pio genannt wird.

Dort anzutreffen, ist auch der 20-jährige Osterburger. „Ich bin seit meiner Kindheit hier “, sagt Danny Weinert. Heutzutage begleitet er seine kleine Schwester Michelle, die im Pio Freundschaften geschlossen hat. „Wir wollen die Schließung verhindern, weil die Einrichtung für Kinder und Jugendliche einen riesigen Stellenwert hat“, betont Weinert. Die einen kommen zum Basteln, die anderen reden hier über ihre Sorgen und Nöte. Und nun?

Eine mögliche Alternative könnte das frühere Arbeitsamt in der Biesestadt sein, wo der Hort bereits Räume nutzt, sagt Osterburgs stellvertretender Bürgermeister Detlef Kränzel (parteilos) auf Volksstimme-Nachfrage. Der IB-Mitarbeiter Mario Lehmann gibt sich in dieser Hinsicht jedoch skeptisch. „Auch wenn Außenstehende vielleicht denken, besser das als gar nichts“, so Lehmann.

Korbflechten mit Mama: Matilda genießt das Freizeitangebot im IB Osterburg (Kreis Stendal).
Korbflechten mit Mama: Matilda genießt das Freizeitangebot im IB Osterburg (Kreis Stendal).
Foto: Astrid Mathis

Seit 25 Jahren genießen Kinder und Jugendliche die Kooperation mit der Anne-Frank-Schule, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft des JFZ-Gebäudes befindet. Gern werde der Fußballplatz genutzt, Billard und Tischtennis seien möglich. Zum Chillen sei ausreichend Platz und „sogar ein Tanzspiegel gehört zum Inventar im Schulgebäude. Woanders ist zu klein“, sagt Lehmann.

Selbst in den Ferien wird im Osterburger Jugendfreizeitzentrum trotz geringer finanzieller Mittel für Unterhaltung gesorgt: Mal geht es zum Minigolf nach Arendsee, mal in den Zoo nach Magdeburg, mal spielen die Kinder auf dem Hof Verstecken, mal Federball. In der Schulzeit hilft Mario Lehmann gern auch bei den Hausaufgaben und fragt nach einem Test, wie es gelaufen ist.

„Ich bin froh, dass meine Kinder hier gut aufgehoben sind“, sagt Stefanie Weinert aus Osterburg.„Ich weiß, ich kann meine Tochter hierherschicken. Hier fühlt sie sich wohl“, fügt Sabrina Krüger hinzu. Die Mütter sind sich einig, dass um diese Heimstätte für Kinder gekämpft werden muss. „Ich freue mich jedes Mal darüber, dass die Leute sich hier für uns Zeit nehmen und auf uns aufpassen“, ergänzt die achtjährige Matilda Krüger. Ihr ist wie Theo Tagsdorf wichtig, dass man im Pio wie nebenbei höflichen Umgang lernt, „Guten Tag!“ und „bitte“ und „danke“ sagt. „Hier spielen wir alle zusammen. Keiner wird ausgegrenzt“, berichtet der elfjährige Tyler Brahms, der mit seinem Bruder Levin (11) Stammgast ist.

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Im Juli 2024 zogen die JFZ-Nutzer das erste Mal durch Osterburg, um Unterschriften für den Erhalt zu sammeln. 570 Personen haben schon unterschrieben. „Wir wollen noch in den Schulen, in Discountern und Vereinen darauf aufmerksam machen“, sagt die Mutter Stefanie Weinert. Unterstützung soll auch im Rathaus in Osterburg gesucht werden. Noch vor der Stadtratssitzung am 17. August „wollen wir mit der Kinder- und Jugendbeauftragten Marie Weitz und dem Bürgermeister Nico Schulz ins Gespräch kommen“, kündigt Weinert an.

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Mario Lehmann arbeitet derweil ein neues Konzept für das JFZ und die Mobile Jugendarbeit aus. Am 5. September findet die Regionalkonferenz für die Jugendarbeit in Osterburg statt. Über die Zukunft „entscheidet der Landkreis Stendal“, so Lehmann und fügt hinzu: „Wenn man nichts macht, passiert auch nichts.“

Das Jugendfreizeitzentrum in der Stendaler Straße 33 in Osterburg ist wochentags von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Die Unterschriftensammlung liegt dort aus.