Asylpolitik Elbingeröder hoffen auf Rückkehr von iranischem Mitarbeiter
Mitarbeiter der Elbingeröder Fleischerei Müller wurde in den Iran abgeschoben.
Elbingerode. Karin Müller erinnert sich gut an den Tag, als die Polizei kam. „Zu siebt sind sie angerückt“, berichtet die Elbingeröderin, die mit ihrem Mann Harald die Fleischerei Müller betreibt. Die Beamten holten ihren Mitarbeiter Reza Nighadari ab: Der Iraner lebte seit Ende 2015 in Deutschland, hoffte auf eine Zukunft im Harz – doch weil sein Asylantrag abgelehnt worden war, wurde vor wenigen Wochen die Abschiebung vollzogen.
Das Ehepaar schmerzt dies, weil beide den 37-Jährigen liebgewonnen haben und er sich als fähiger Mitarbeiter erwiesen hat. „Er hat sich ganz offiziell und ordentlich bei uns beworben“, erinnert sich Karin Müller. Ende September kam Reza Nighadari, der in der Asylunterkunft in Rübeland lebte, zum Vorstellungsgespräch. „Da war sofort Sympathie“, sagt Karin Müller.
Zwar war der Iraner nicht vom Fach: Seine Eltern bewirtschaften im Iran einen Bauernhof, auf dem er mitarbeitete. In der Fleischerei lernte Reza Nighadari aber schnell. „Er hat sich gut eingearbeitet, ist geschickt und scheut sich vor keiner Arbeit“, sagt Harald Müller. Er sei sehr interessiert und habe jedes Gerät bedienen können, was manche nach Jahren noch nicht beherrschen, sagt seine Frau Karin. „So wissenshungrig ist heutzutage kein Lehrling mehr.“
Mühevolle Suche nach Mitarbeitern
Mit den Sprachkenntnissen haperte es zwar deutlich, doch für die Müllers war das zweitrangig. Sie suchten seit Jahren Mitarbeiter für ihr Geschäft – ein mühevolles Unterfangen, so Karin Müller. „In der Fleischerbranche bekommt man niemanden, schon gar keine ausgebildeten Fleischer.“ Zudem sei Nighadari respektvoll und aufmerksam: „Er hat mich Vater genannt“, berichtet Haraldd Müller.
Reza Nighadari erhielt einen unbefristeten Arbeitsvertrag, im Bungalow auf dem Familiengrundstück konnte er wohnen. Harald Müller fuhr mit ihm zur Ausländerbehörde des Harzkreises in Halberstadt, um die Formalitäten zu klären. „Da wurde gesagt, es gebe keine Probleme. Aber es wurde auch gesagt, dass er nur geduldet ist“, so Karin Müller.
Ihr und ihrem Mann war nicht klar, was das bedeutet – dass Reza Nighadari jederzeit abgeschoben werden konnte. „Bei einem abgelehnten Asylverfahren steht immer die Ausreisepflicht im Hintergrund“, sagt Jacqueline Fischbach von der Ausländerbehörde des Harzkreises. Eine Duldung werde erteilt, damit die betreffende Person sich bis zur Abreise im Land aufhalten könne. „Es ist möglich, im Rahmen einer Duldung eine Beschäftigung zu erlauben“, so Jacqueline Fischbach – wie es bei Reza Nighadari der Fall war.
Anstellung heißt nicht Aufenthaltsrecht
Doch wenn jemand wie er eine Anstellung gefunden habe, bedeute das nicht, dass er bleiben könne. „Ein unbefristeter Arbeitsvertrag schließt nicht ein, dass man einen unbefristeten Aufenthaltstitel bekommt“, so die Sachgebietsleiterin. Der Iraner hätte lediglich der Abschiebung zuvorkommen können, indem er freiwillig ausreist und sich im Anschluss im regulären Verfahren um ein Visum bemüht.
All dies sei ihrem Mann nicht klar gewesen, als er vom Besuch bei der Ausländerbehörde zurückkehrte, sagt Karin Müller – ebenso wenig wie ihrem Mitarbeiter selbst. Nach Deutschland kam er, weil er Angst vor der Polizei hatte, schreibt Reza Nighadari an die Volksstimme über den Messengerdienst WhatsApp. Er sei mit Alkohol erwischt worden, was im Iran verboten ist, Polizisten hätten gedroht, ihn zu schlagen und ins Gefängnis zu werfen. Er sei von der Türkei über den Seeweg nach Griechenland gelangt und von dort binnen 37 Tagen zu Fuß nach Deutschland gelaufen.
In Halberstadt stellte er einen Asylantrag, der jedoch abgelehnt wurde. Er lebte in mehreren Unterkünften im Harz, konvertierte zum christlichen Glauben und bemühte sich um einen Job. Die Ausländerbehörde habe mitgeteilt, dass er arbeiten könne, wenn er seinen Pass abgebe, schreibt Reza Nighadari. Das habe er getan, bis „eines Tages plötzlich unerwartet“ die Polizisten in die Fleischerei kamen.
Wie ein Überfallkommando
Der 37-Jährige habe gleich mitkommen müssen, Zeit, um zu packen oder Geld mitzunehmen, gab es nicht. „Wir hätten nie damit gerechnet. Das war wie ein Überfallkommando“, sagt Karin Müller. Jacqueline Fischbach verteidigt das Vorgehen der Beamten, die „für alles gerüstet“ sein müssten. „Abschiebungen haben immer eine besondere Brisanz. Das ist für niemanden schön.“
Von Elbingerode wurde Reza Nighadari nach Berlin gebracht und kurz darauf nach Teheran ausgeflogen. Er habe sie angerufen, sagt seine gute Freundin Malika – die 21-jährige Afghanin lebt in Halberstadt und absolviert eine Ausbildung. Sie hätten sich in der Zentralen Anlaufstelle (ZASt) kennengelernt und gegenseitig unterstützt. Als sie von der Abschiebung hörte, habe sie sich gleich ins Auto gesetzt. „Doch es war zu spät.“
Mittlerweile ist Nighadari wieder bei seiner Familie, in einem Dorf nahe der Großstadt Shiras im Südwesten des Landes. Doch sein Wunsch ist es, im Harz zu leben: Die Arbeit in der Fleischerei habe ihm gefallen, mit seinen Arbeitgebern habe er sich gut verstanden. Mithilfe eines Anwalts will er die Rückkehr organisieren. Auch Familie Müller hätte ihn gern wieder. „Da helfen wir ihm gewiss“, so Karin Müller.