Schmalspurbahn Manöverkritik nach Winterchaos am Brocken
Im Harz wird diskutiert, wie Touren auf den Brocken sicherer werden. Zwei Züge blieben im Schnee stecken, Touristen mussten gerettet werden.
Schierke l Der 1141 Meter hohe Brocken am Wochenende: Extremwetter mit Eisregen, Schneesturm und Orkanböen mit bis zu 120 Kilometer pro Stunde. Winterwetter – punktgenau so, wie es Marc Kinkeldey von der Wetterwarte am Freitag vorhergesagt hatte. Trotzdem pilgerten Hunderte Touristen hinauf oder ließen sich von Brockenbahnzügen rauf fahren. Bis am Samstagabend erneut ein Zug in eine Schneewehe geriet, eine Lok entgleiste und am Ende gut 250 Menschen mit rund 40 Touren via Brockenstraße evakuiert werden mussten. Ganz genau so, wie zuvor schon am Dienstag. Da waren mehrere Waggons plus Lok in eine Wehe geraten und mussten in einem drei Tage währenden Kampf befreit werden.
Muss das so sein? Müssen oben auf dem Berg immer wieder Situationen riskiert werden, die für alle Beteiligten – Betroffene wie Retter und Helfer gleichermaßen – kreuzgefährlich enden können? Sollte mit Blick auf die zuweilen ahnungslosen Harzbesucher bei Extremwetterlagen wie am Wochenende nicht klarer und deutlicher gewarnt und von neutraler Stelle notfalls eine offizielle Reisewarnung ausgesprochen werden?
Eine Frage, die hinter den Kulissen bereits diskutiert wird. Der Wernigeröder Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) hatte schon am Wochenende dringenden Gesprächsbedarf mit den Verantwortlichen der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) signalisiert. Am Montag kam Gaffert nach Angaben seines Sprechers Tobias Kascha mit HSB-Geschäftsführer Matthias Wagener zusammen.
Tenor des Gesprächs: Kein unnötiges Risiko durch Brockenbahnfahrten bei Extremwetterlagen, um im Gegenzug möglichst hohe Einnahmen zu generieren. „Den Grundsatz, den Zug lieber einmal mehr stehen zu lassen, trägt der Aufsichtsrat ausdrücklich mit“, berichtete Kascha nach dem Gespräch. Zudem wünsche sich Gaffert, dass alle Kommunikationswege – interne wie externe – auf den Prüfstand gestellt werden. Und: Auch die Kommunikation zwischen HSB und Wetterwarte sollte – so lange die Warte noch personell besetzt ist – intensiviert werden. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) will die Warte zum Jahresende 2019 automatisieren.
Dem Gedanken, alle Informationen zu bündeln und bei Bedarf eine klare Warnung auszusprechen, stehe Peter Gaffert nicht abgeneigt gegenüber, so Kascha.
Das Prinzip könnte so aussehen: An Tagen mit extremen Wettersituationen im Oberharz fließen die Informationen der Praktiker vor Ort direkt und auf kurzem Weg zusammen: Die Ranger beim Loipenlegen im Wald. Die HSB-Beschäftigten, die oben auf dem Brocken die Gleise freifräsen und daher die Situation einschätzen können. Und eben auch die Profis aus der Wetterwarte, die die weitere Entwicklung einschätzen können wie kaum ein anderer. Und Brockenwirt Daniel Steinhoff als Kenner der Materie.
Am Ende könnte tatsächlich eine breit kommunizierte Warnung von neutraler Stelle stehen: Die Brockenbahn ruht und vor Wanderungen zum Brocken wird ausdrücklich gewarnt. Mit der Konsequenz, dass Rettungsaktionen, wenn sie denn nötig werden, um Unverbesserliche zu retten, entsprechend berechnet werden.
„Das würde ich absolut begrüßen“, so die spontane Reaktion von Brockenwirt Daniel Steinhoff. Der 47-Jährige kennt die Realitäten am Berg: „Wenn meine Mitarbeiter nachmittags auf der Brockenstraße Wanderer warnen, die noch bergwärts unterwegs sind, stoßen sie nicht selten auf taube Ohren und Kritik: Man müsse doch erwachsene Menschen nicht belehren.“ Das münde zuweilen in krasse Fälle wie am Sonntag, berichtet Steinhoff: Oben auf dem Brocken Orkan, keine Brockenbahn, die fährt, und gegen 15.15 Uhr auf dem Gipfel eine Schwangere, die nicht wisse, wie sie runterkommen soll. Am Ende war die Bergwacht der Rettungsanker.
Ähnlich die Reaktion bei der HSB selbst: „Wir haben Web-Cams in den Ticketschaltern, unsere Mitarbeiter raten bei entsprechendem Anlass vom Besuch auf dem Brocken ab und stoßen nicht selten auf schroffe Ablehnung und Unverständnis“, berichtet HSB-Sprecherin Heide Baumgärtner.
Auf die nötige Selbstreflektion und Gefahreneinschätzung verweist auch HSB-Geschäftsführer Matthias Wagener. Ansonsten gilt: Wir haben einen Transportauftrag, wollen den Besuchern den Harz zeigen, wägen dabei eigenständig und bei Bedarf nach Rücksprache mit der Wetterwarte eigenverantwortlich ab. Gesprächen mit dem Ziel, die Gesamtsituation mit Blick auf die Touristen weiter zu verbessern, würde sich die HSB aber keineswegs verschließen, so Wagener. „Letztlich geht es auch darum, das Gespür der Harzbesucher zu verstärken“, so Wagener.
Ob die Brockenbahn am Dienstag wieder auf den Berg hinauf fährt, werde zwischen 9 und 10 Uhr entschieden und dann auf der Internetseite kommuniziert.