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Minister Hartmut Möllring besichtigt bundesweit einzige Außenstelle des Berliner Instituts Robert-Koch-Institut: In Wernigerode geht es gefährlichen Erregern an den Kragen

Von Julia Bruns 30.07.2013, 03:09

Mitten in Wernigerode geht es Bakterien an den Kragen. In der bundesweit einzigen Außenstelle des Robert-Koch-Instituts erforschen 100 Mitarbeiter seltene Salmonellenerkrankungen, Antibiotikaresistenzen und Krankenhauskeime.

Wernigerode l Krankheitserregende Bakterien sind gefährlich und unberechenbar - hinter den Mauern der Burgstraße 37-39 in Wernigerode wimmelt es nur so von ihnen. Dort, in der bundesweit einzigen Außenstelle des Robert-Koch-Instituts mit Hauptsitz in Berlin, erforschen Wissenschaftler, wie sich die Genstrukturen von Bakterien verändern, wie sie sich verbreiten und wie sich Menschen besser vor ihnen schützen können.

100Mitarbeiter - die Hälfte von ihnen hochspezialisierte Wissenschaftler - sind in zwei großen Fachbereichen und zwei kleineren Forschungsgruppen damit beschäftigt, vor allem die Spezialdiagnostik von Erregern auf dem neusten Stand zu halten.

Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) überzeugte sich bei einem Besuch in der Forschungseinrichtung vor wenigen Tagen von der Arbeit der Experten. Er war auf Einladung der Landtagsabgeordneten Angela Gorr (CDU) zu Gast im Institut, das von 1996 bis 2003 für mehr als 25Millionen Euro saniert und mit einem hochmodernen Labor ausgestattet worden war.

So stellte Professor Antje Flieger die Arbeit ihres Forschungsteams vor. Dass exotische Haustiere wie Bartagamen, Schildkröten und andere Reptilien gefährliche Salmonellen in Deutschland verstärkt auf Kleinstkinder übertragen, haben sie und ihre Kollegen herausgefunden. "Reptilien werden in manchen Familien wie Kuscheltiere behandelt", so Antje Flieger. "Weil sie durch ihre eigenen Ausscheidungen kriechen, können Salmonellen aus dem Tierkot beim Streicheln auf die Kinder übertragen werden."

Sobald Fachwissen gefragt ist, das über die normale Routine-Diagnostik hinaus geht, wenden sich andere Institute, Labore, Ärzte sowie Mitarbeiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes an das Robert-Koch-Institut. Erkrankt ein Patient schwer und zeigt ungewöhnliche Symptome, versuchen die Mitarbeiter der Wernigeröder Außenstelle herauszufinden, welcher Erreger für die Krankheit verantwortlich ist und helfen die Quelle der Keime aufzuklären.

"Die Mitarbeiter meines Bereichs beschäftigen sich mit Erregern, die Durchfall und Lungenentzündungen verursachen können. Wir analysieren Legionellen, bakterielle Darmerreger und sind Nationales Referenzzentrum für Salmonellen", erklärt sie. Die Außenstelle in Wernigerode koordiniert ein nationales Netzwerk von elf Referenzlaboren. "Normalerweise bearbeiten wir pro Jahr um die 6000 Proben, im Jahr 2011 waren es durch die EHEC-Epedemie nahezu 10000", so die Professorin.

Ein enormer Ausbruch von Infektionen mit diesen speziellen E.coli-Bakterien erschütterte Deutschland im Mai 2011. 3842 Menschen erkrankten zum Teil sehr schwer, 53 starben. Antje Flieger und ihr Team untersuchten den Erreger und charakterisierten ihn. Das half Ärzten entscheidend bei der Diagnose der Krankheit.

Die Erkenntnisse der Forscher fließen in Hinweise und Hygienetipps ein, die auf der Internetseite des Robert-Koch-Instituts veröffentlicht werden. "Unser Motto ist, Gesundheit schützen, Risiken erforschen", sagt Antje Flieger.

Neben Durchfallerkrankungen untersucht der zweite große Fachbereich rund um den Wissenschaftler Guido Werner das weite Feld der nosokomialen Infektionen, die von Krankenhauserregern verursacht werden, darunter Harnwegs-, Wund- und Blutinfektionen sowie Lungenentzündungen.

Für frisch Operierte, deren Immunsystem geschwächt ist, können sie gefährlich werden, erläutert Guido Werner dem Minister. Untersucht werden in Wernigerode auch Bakterien, gegen die verschiedene Antibiotika nichts mehr ausrichten können, die resistent sind.

Den Wernigeröder Wissenschaftlern gelang auf diesem Gebiet vor rund zehn Jahren ein beachtlicher Forschungserfolg: Professor Wolfgang Witte, der ehemalige Leiter der Außenstelle, trug maßgeblich dazu bei, dass Antibiotika in Tiermastfutter von 2005 an EU-weit verboten wurden.

Seine Forschungen haben maßgeblich dazu beigetragen, die Übertragung von Antibiotikaresistenzen zwischen Masttieren und Infektionserregern beim Menschen zu belegen.