SPD-Kreisparteitag Einmischen und Bürgernähe suchen
Die Sozialdemokraten im Harz wollen mehr in die Offensive gehen. Das machten sie auf ihrem Kreisparteitag in Ilsenburg deutlich.
Ilsenburg l Katzenjammer Fehlanzeige. Trotz Schlappe bei der Bundestagswahl schaut der SPD-Kreisvorstand Harz nach vorn. Viel Positives, so Kreischef Tobias Kascha, sei in den zurückliegenden Monaten verzeichnet worden. Wie bundesweit registriert, haben auch die Harzer Sozialdemokraten Zulauf in ihren Reihen. Auf dem Kreisparteitag am Sonnabend wurden drei neue Mitglieder herzlich begrüßt, zwei aus Halberstadt, ein Zuwachs aus der Gastgeberstadt Ilsenburg. Insgesamt hat der Kreisverband rund 400 Mitglieder im Harz.
Auf dem Parteitag in Ilsenburg, der nicht, wie früher üblich, nur Delegierten aus den Ortsvereinen vorbehalten war, sondern jedem Mitglied offenstand, ging es weniger um „Erneuerung“, als vielmehr um die Tugenden einer Partei, die sich Volkspartei nennt. Das wurde in den Redebeiträgen von Mitgliedern deutlich, die Denkanstöße boten oder auf Versäumnisse hinwiesen.
Ohne Umschweife tat dies auch der Kreisvorsitzende Tobias Kascha. Angelehnt an seine Rede, die der Wernigeröder im November vergangenen Jahres hielt, zog er kritisch Bilanz. Schwerpunkt war ganz klar die Organisation eines schlagkräftigen Wahlkampfes für Eberhard Brecht. „Es ist uns gelungen“, betont Kascha und dankte dafür dem engagierten Kandidaten aus Quedlinburg sowie dem ebenso engagierten Wahlhelfer-Team. Die rund 80 anwesenden Mitglieder im Haus der Vereine in Ilsenburg applaudierten, später bei Brechts Rede gab es Ovationen.
Nüchtern betrachtet, so Kascha weiter, habe zwar die SPD im Harz im Vergleich zur Landtagswahl das Ergebnis leicht verbessert, auch Brecht habe gepunktet, wo er persönlich mitgewirkt habe, doch sei das Resultat der Bundestagswahl insgesamt nicht zufriedenstellend. Aber, so Kascha, „wir haben etwas gelernt“. Der Kreisverband sei zusammengewachsen, kampagnefähig und: „Wir können Wahlkampf.“
Bei der Analyse sei ganz klar das Nachwuchsproblem offensichtlich gewesen. „Wir brauchen neue Gesichter, die sich kommunal verankern“, sagt Tobias Kascha und fordert dazu auf, mehr mitzumischen und mutig zu sein, junge Mitstreitern in die Funktionen zu bringen und darauf zu achten, dass „die, die nachkommen, nicht unter einer Vielzahl an Ämtern ihre Motivation verlieren“. Ein wenig, so schien es, sprach er aus eigener Erfahrung.
Seit November 2016 führt der 37-Jährige die Kreis-SPD an. Selbstkritisch gab er zu, im Umgang mit dem politischen Mitbewerber CDU nicht so „mutig und frech“ zu sein, wie es durchaus sein sollte. Was er umgehend forcieren wolle, sei ein professionelles Agieren mit den neuen Medien. Es sei nicht hilfreich, sich als SPD auf Landes- und Harzebene gegenseitig in den sozialen Netzwerken „zu zerlegen“ oder mit vermeintlichen Strategiepapieren zuerst an die Presse zu gehen, statt zunächst inhaltlich den Diskussionprozess zu führen.
Für Letzteres gab es auf dem Kreisparteitag genügend Anlass, in den Debatten zu verschiedenen Anträgen. Beschlossen wurde unter anderem ein Antrag für eine bessere Unterrichtsversorgung und gegen Lehrermangel. Sozialdemokraten wie Andreas Steppuhn wollen deshalb auch den Protest gegen Lehrermangel am Montag in Wernigerode unterstützen.
Ergänzend zum zweiten Schwerpunkt „Nachwuchs“ hob Tobias Kascha hervor, dass es gelungen sei, die drei kleinen Ortsvereine im Oberharz zu einer großen SPD-Gemeinschaft zusammenzuführen. Die Fusion mit Anbindung an die Stadt Oberharz soll in Kürze offiziell verkündet werden. In Hinblick auf die Kommunalwahl 2019 „meine Hoffnung, im Oberharz schlagkräftiger zu werden“, so der Kreischef.
Im Fazit zum dritten Schwerpunkt „Öffentlichkeitsarbeit“ gab der Kreischef zu, noch Reserven zu sehen. Wie wichtig dies in einer Wahlkampfzeit sei, davon wusste Bundestagskandidant Eberhard Brecht in seiner Auswertung zu berichten. So habe beispielsweise die Bundes-SPD im Wahlkampf die Ost-Themen ausgespart. Und die Medien insgesamt hätten sich sehr zurückgehalten oder eine „normale Abgeordnetentätigkeit“ von deren Eifer im Wahlkampf nicht unterschieden. Kurzum. Eberhard Brecht fühlte sich gegenüber der CDU-Kandidatin Heike Brehmer benachteiligt. Und im Stich gelassen fühlte sich der Quedlinburger von den Sozialdemokraten aus Thale - „ein Totalausfall“.
Nach vorn blickend nannte Brecht Konsequenzen, die die Sozialdemokraten beherzigen sollten. Dazu zählte er die Bürgernähe wieder mehr zu suchen, die Angst vor Überfremdung ernst zu nehmen und in dieser Hinsicht mehr Aufklärung zu betreiben. Auch sollten sich die Sozialdemokraten Verbündeten suchen, ob Kirche, Vereine, Gewerkschaften.
Zum Parteitag gehörte auch die Wahl des Harzer Vertreters auf Landesebene. Das Votum fiel auf Armin Willingmann. Der Wernigeröder und Minister für Wirtschaft und Wissenschaft in Magdeburg tritt die Nachfolge von Tobias Kascha an, der „wegen der Vielzahl der Aufgaben im Harz“, nicht kandidierte. Willingmann berichtete zu Beginn der Tagung über seine Arbeit als Minister, ebenso gab es Grußworte vom Bundestagsmitglied Burkhard Lischka und dem Europa-Abgeordneten Arne Lietz.