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Vize-Bürgermeister Umstrittene Personalie im Rathaus Wernigerode

In der nächsten Wernigeröder Stadtratssitzung stehen Personalentscheidungen an. Eine betrifft die Wahl des neuen Vize-Oberbürgermeisters.

Von Dennis Lotzmann 01.12.2020, 00:01

Wernigerode l Überraschung kurz vor dem Weihnachtsfest: Rüdiger Dorff, aktuell Chef des Dezernates Bürgerservice im Wernigeröder Rathaus, soll ab 11. Dezember zusätzlich als offizieller Stellvertreter von Oberbürgermeister Peter Gaffert fungieren. Vorausgesetzt, die Stadträte folgen tags zuvor in der Ratssitzung einer entsprechenden Vorlage. Die Personalie könnte für einige Diskussionen sorgen. Zwar gilt Dorff, der seit 2002 im Wernigeröder Rathaus beschäftigt ist, als fachlich-versierter Mitarbeiter im Leitungsstab der Verwaltung. Allerdings hat der 49-jährige Dorff auch eine Vergangenheit, derer man sich nicht rühmen sollte.

Dorff war vor Jahren Mitglied des Freibundes, einer Gruppierung, die am rechten Rand unterwegs ist. Der heutige Dezernatschef hat das ziemlich genau vor vier Jahren auf Anfrage gegenüber der Volksstimme bestätigt: „Ja, ich war etwa von Ende der 1980er bis Ende der 1990er Jahre beim Freibund.“ Dazu stehe er, das liege aber eben auch schon ziemlich lange zurück.

Folglich stellt sich die Frage, ob dieses damalige Engagement nach gut zwei Jahrzehnten heute überhaupt noch Thema sein sollte. Allerdings: Rüdiger Dorff war damals nicht irgendwer beim Freibund – er war mehrere Jahre Bundesführer, also durchaus auch an dessen Spitze aktiv. Und in dieser Funktion, betont Dorff damals wie heute, sei es in Teamarbeit auch sein Verdienst gewesen, dass sich der Freibund ein gutes Stück von extremen Ansichten distanziert habe.

Nachdem CDU-Mann Dorff vor vier Jahren als Vize-OB nicht zum Zuge kam – OB Gaffert kürte zunächst Volker Friedrich und nach dessen Pensionierung Burkhard Rudo – könnte nun alles auf Dorff hinauslaufen.

Für OB Gaffert ist Rüdiger Dorff der Kandidat der ersten Wahl. „Er ist seit 2002 in der Verwaltung. Er ist Jurist und Beamter, er ist loyal und er genießt mein uneingeschränktes Vertrauen“, so der Verwaltungschef gestern auf Anfrage. Und es gebe entsprechende Signale von Dorff. „Er wird‘s machen, wenn er gewählt wird“, sagt Gaffert und lässt zumindest durchblicken, dass er Dorff auch habe ein wenig zureden müssen.

Und dessen Vergangenheit? Um die wisse er, betont Gaffert, der vor vier Jahren daran erinnert hatte, dass jeder eine zweite Chance verdiene. Heute – mit noch einmal vier Jahren Abstand zu damals und Erfahrung im Umgang – habe er keinerlei Sorgen. „Ich habe lange mit ihm gesprochen – auch über seine Vergangenheit. Das Vertrauen ist da, er vertritt auch soziale Aspekte und den Rechtsstaat.“

Zudem, lässt der Verwaltungschef durchblicken, hätte er auch personelle Nöte, die Stelle anderweitig zu besetzen. Neben ihm als OB gebe es nur Rudo und Dorff als Dezernenten – sowie Christian Fischer. Letzterer leitet seit November 2019 die Harzer Verkehrsbetriebe, ist als städtischer Dezernent bis Ende Juni 2022 beurlaubt. Der jetzige Vize-OB Rudo geht zum 1. April 2021, am selben Tag steige dessen Nachfolger ein.

Mit Blick auf dessen Person hält sich Gaffert noch bedeckt, die Auswahl sei aber bereits erfolgt. Nach Informationen der Volksstimme soll ein Amtsleiter der Kreisverwaltung ins Wernigeröder Rathaus wechseln. Diesen wolle er jedoch nicht sofort zum Vize-OB machen, so Gaffert. Bliebe nur eine Ebene tiefer, auf Amtsleiter-Ebene. „Was nicht glücklich wäre, weil dann bei meiner Abwesenheit ein Amtsleiter plötzlich über dem Dezernenten stünde.“ Also spricht aus Gafferts Sicht alles für Dorff, der sich – wie er durchblicken lässt – heute geehrt fühlen würde, sollte er vom Stadtrat gewählt werden. Und wie sind die Meinungen dort?

Für Matthias Winkelmann, Fraktionschef der CDU, ist Dorff alternativlos. „Dorff kennt sich 1-A aus, was die Verwaltung angeht. Besser als der OB selbst“, so Winkelmann. „Ich schätze seine Arbeit. Er ist eine verlässliche Person. Wir können froh sein, dass wir so einen Dezernenten haben.“ Jeder habe eine zweite Chance verdient, so Winkelmann auf Dorffs Vergangenheit angesprochen. Er spreche allerdings nur für sich persönlich, betont Winkelmann. „Meine Fraktion muss sich erst noch ein Bild machen. Wir tagen nächsten Dienstag.“

Sie sei Ende vergangener Woche „aus allen Wolken gefallen“, als Gaffert sie als Fraktionschefin über seine Pläne informiert habe, sagt Sabine Wetzel (Bündnis 90/Die Grünen). „Der OB wünscht sich natürlich große Zustimmung. Aber die wird es von meiner Fraktion nicht geben.“ Schon jetzt sei Dorffs Rolle innerhalb der Verwaltung „zu groß“. Dorff als Vize-OB wäre „schlimm für die Stadt und geht für uns überhaupt nicht“, sagt Wetzel. Vor allem auch, weil er sich nie richtig von seiner Vergangenheit distanziert habe. Der OB habe signalisiert, dass er „in der Klemme“ sitze, was den vakanten Posten betreffe. „Aber das ist nicht mein Problem“, betont die Fraktionschefin. Vielmehr habe Gaffert dies mit seiner Personalpolitik selbst heraufbeschworen. Eine Alternative zu Dorff sehe sie auch nicht. Zur Not müsse es eben ohne einen Stellvertreter gehen.

Die Reaktion von den Linken ist kurz und bündig. „Wir werden die Kandidatur nicht unterstützen“, heißt es von Fraktionschef Thomas Schatz.

Die SPD werde sich nächsten Montag mit der Personalie Dorff auseinander setzen, sagt SPD-Fraktionschef Kevin Müller. Die Richtung sei für ihn aber klar, auch wenn er noch nicht für alle Fraktionskollegen sprechen könne. „Der Vorschlag kommt vom OB.“ Und der habe die Personalhoheit innerhalb der Verwaltung. „Der OB schart Personen um sich, denen er vertraut.“ Wenn Gaffert sich Dorff als seinen Stellvertreter wünsche, vertraue er auf das Urteil des OB, sagt Müller. „Wir wollen Dorff keine Steine in den Weg rollen.“

Man sollte nicht ständig in die Vergangenheit schauen, heißt es von Kai-Uwe Uebner (AfD). „Menschen sind die Summe ihrer Erfahrungen, und sie ändern sich.“ Dorff sei menschlich und fachlich versiert. „Ich halte ihn für eine gute Wahl.“