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Naturschutz Barleben: Wasserbüffel bald im Technologiepark?

Für mehr Einklang von Natur und Technologie sollen in Barleben Wasserbüffel sorgen. Was die Pläne des Naturschutzbundes vorsehen.

Von Sebastian Pötzsch 25.09.2023, 16:43
Im Rahmen der Vertreterversammlung des Landesverbandes des Nabu Sachsen-Anhalt in Barleben haben Teilnehmer unter Führung des Ortsgruppenvorsitzenden Jörg Brämer (rechts) einen Ausflug durch den Technologiepark Ostfalen gemacht. Thema war die naturnahe Pflege von Grünflächen entlang der Ufer der "Kleinen Sülze", die durch das Gewerbegebiet fließt.
Im Rahmen der Vertreterversammlung des Landesverbandes des Nabu Sachsen-Anhalt in Barleben haben Teilnehmer unter Führung des Ortsgruppenvorsitzenden Jörg Brämer (rechts) einen Ausflug durch den Technologiepark Ostfalen gemacht. Thema war die naturnahe Pflege von Grünflächen entlang der Ufer der "Kleinen Sülze", die durch das Gewerbegebiet fließt. Foto: Sebastian Pötzsch

Barleben - Wer in Barleben Ruhe und Entspannung sucht, wird hier fündig: Ob am Adamsee oder in der Feldflur rund um den Ort nördlich von Magdeburg findet man zahlreiche Gelegenheiten, sich bei einem Spaziergang zu erholen. Möglich ist das auch entlang der „Kleinen Sülze“. Das Flüsschen entspringt bei Hohenwarsleben in der Gemeinde Hohe Börde, durchfließt die Gemeinde Niedere Börde sowie Ebendorf und Barleben, um nach mehr als 13 Kilometer Flusslänge westlich vom Barleber See im äußersten Norden der Landeshauptstadt in die Schrote zu münden.

Naturparadies an der „Kleinen Sülze“

Ein ganz besonderen Flussabschnitt bildet jener durch den Westen von Barleben. Die Wiesen links und rechts des Flussbettes riechen nach Kräutern. Tatsächlich finden sich hier Pflanzen die wilde Möhre, Spitz- und Breitwegerich, Wiesen-Schaumkraut, Schlüsselblume, Schafgarbe... Es blüht - obwohl schon Herbstanfang - links und rechts der „Kleinen Sülze“. Insekten schwirren über den Bachauen, gepflegte Kopfweiden säumen die Ufereiche und zahlreiche Vogelarten bevölkern weitere Bäume ganz unterschiedlicher Arten. Sogar Biber haben sich hier angesiedelt. Davon zeugen mindestens vier von ihnen gebaute Dämme.

Wunsch des Nabu Barleben ist es, die Kräuterwiesen entlang des Flüsschens im TPO künftig durch Wasserbüffel beweiden zu lassen.
Wunsch des Nabu Barleben ist es, die Kräuterwiesen entlang des Flüsschens im TPO künftig durch Wasserbüffel beweiden zu lassen.
Archivfoto: Gudrin Billowie

Kaum vorstellbar, denn der besagte Flussabschnitt befindet sich inmitten des Technologieparkes Ostfalen (TPO). Mehr als 140 Unternehmen haben sich hier angesiedelt und weit mehr als 2300 Arbeitsplätze geschaffen – vorrangig im technischen Bereich.

Wasserbüffel bleiben die meiste Zeit auf dem Trockenen und suchen Wasserstellen nur temporär auf. Gefahren für Uferbereiche sehe ich nicht.

Experte Martin Schulz

Dass es im Umfeld einer derart industrialisierten Landschaft auch Raum für Natur gibt, darüber staunten die Teilnehmer der Landesvertreterversammlung des Naturschutzbundes (Nabu) Sachsen-Anhalt, als der Ortsvorsitzender Jörg Brämer jüngst die Auenlandschaft inmitten des TPO vorstellte. Seit dem Jahr 2011 arbeiten Nabu, der Zweckverband des Technologieparkes und der Landkreis Börde gemeinsam an der Umsetzung eines Projektes, das die Artenvielfalt auf den Grünflächen erhöhen soll.

Dafür wurde laut Jörg Brämer schon allerhand getan. Um die Vielfalt an Wiesenpflanzen zu erhöhen, haben die zumeist ehrenamtlichen Naturschützer aus Barleben mehrere Arten angesiedelt. Dazu brachten sie beispielsweise Mahd aus zuvor bei Samswegen gemähten Orchideen-Wiese aus. Seither wachsen links und rechte der „Kleinen Sülze“ auch Hahnenfuß und Schaumkraut. „Parallel dazu haben wir Pflanzen aus der Natur entnommen, in Töpfe gepflanzt und gepflegt, um sie hier wieder aussetzen zu können“, erklärt Jörg Brämer seinen interessierten Zuhörern. So kam beispielsweise die „Sibirische Schwertlilie“ an das Flüsschen bei Barleben.

Mahd sorgt für Probleme

Doch weil dieses Pflänzchen und weitere insektenfreundliche Gattungen durch das ufernahe Schilf bedroht sind, muss stets gemäht werden. „Das gehört eben dazu, um die Vielfalt einer Wiese zu erhalten“, hebt der Ortsgruppenvorsitzende hervor. Deshalb hat die Geschäftsführung des TPO den Nabu-Ortsverein über einen Pflegevertrag gebunden. Doch die Mahd, auch wenn sie der Nachhaltigkeit wegen selten vorgenommen werden soll, beinhaltet ein Problem: Sie ist insektenunfreundlich. Außerdem verändert sie den Lebensraum vieler Arten drastisch und zerstört – zumindest zeitweise – Deckung, Brutplätze und Nahrungsangebot ganz unterschiedlicher Gattungen. Außerdem wird der Boden sehr gleichmäßig verdichtet.

Deshalb setzt sich Jörg Brämer für eine naturnahe Beweidung bestimmter Grünflächen entlang der Ufer in dem riesigen Gewerbegebiet ein. „Mein persönlicher Traum ist es, Wasserbüffel für die Pflege einzusetzen“, erklärt er der Runde. Diese Art der „Mahd“ bezeichnet der Naturschützer als ein entscheidendes Instrument für den Erhalt und die Erhöhung der Artenvielfalt.

Unser Ziel ist ja nicht nur die Erhöhung der Artenvielfalt, sondern wir wollen für eine bessere Klimabilanz des Industriegebietes arbeiten.

Nabu-Vorsitzender Jörg Brämer

Deshalb hat der Barleber für sein Vorhaben beim TPO geworben. Doch so ganz überzeugt ist die Chefetage des Industrieparkes wohl nicht, wie Jörg Brämer erklärt. Doch das soll sich ändern. Im November vergangenen Jahres hat der Nabu Wasserbüffel am Kuhbusch bei Wolmirstedt angesiedelt. Seither haben sie ihre elf Hektar große Weide regelrecht umgestaltet und die Biodiversität befeuert. Sie suhlen sich gern in Gewässern und fressen neben Gräsern, Obst und Gemüse auch Schilf. Das hält die Gewässer frei.

Sorgen, dass die asiatischen Rinder das gesamte Schilf wegfressen, hält Martin Schulze für unbegründet. Der Landesvize des Nabu Sachsen-Anhalt steckt voll in der Materie. Er arbeitet in einem Planungsbüro in Halle und untersucht unter anderem die Auswirkungen bei der naturnahen Beweidung mit Wasserbüffeln. Wie der Mensch auch bevorzuge die asiatische Rinderrasse Abwechslung auf dem Speiseplan.

TPO für die Wasserbüffel begeistern

Angst, dass die Tiere die Uferzonen zerstören könnten, seien ebenso unbegründet. „Wir schauen uns das gerade bei einem anderen Projekt genau an. Wasserbüffel bleiben die meiste Zeit auf dem Trockenen und suchen Wasserstellen nur temporär auf. Gefahren für Uferbereiche sehe ich nicht“, erklärt der Fachmann.

Der Barleber Nabu-Chef wiederum kann sich vorstellen, dass eine Büffelweide sogar touristische Vorteile biete – zumindest im kleinen Rahmen. „Sicherlich würden die außergewöhnlichen Rinder die eine oder andere Familie und noch mehr Spaziergänger in den TPO locken“, meint Jörg Brämer. Skeptikern schlägt er die Errichtung von Holzzäunen vor – zusätzlich zu den Weidezäunen. Diese würden Hunde davon abhalten, auf die Wiese zu rennen. Außerdem böten sie Schutz für kleine Kinder.

Nun wollen die Barleber Naturschützer den TPO von ihrer Idee der naturnahen Beweidung überzeugen, wenn nicht sogar begeistern. „Unser Ziel ist ja nicht nur der Erhalt und die Erhöhung der Artenvielfalt“, begründet Jörg Brämer. „Wir wollen für eine bessere Klimabilanz des Industriegebietes arbeiten.“