Nach dem Anschlag in Magdeburg Trauer und Anteilnahme im gesamten Landkreis Börde
Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt am Freitag wirkt sich auch auf die Menschen im Landkreis Börde aus. Wie sie damit umgehen.
Wolmirstedt/Haldensleben - Mit der gemütlichen Atmosphäre auf dem kleinen Weihnachtsmarkt vor der Schaubäckerei in Calvörde ist es am Freitag gegen 19.15 Uhr schlagartig vorbei. Die Polizisten, die die Veranstaltung absichern, laufen hektisch zu den Feuerwehrleuten vor Ort und fragen sie, ob sie die Lage im Griff hätten, sonst müsste die Veranstaltung aufgrund der Straßensperrung beendet werden. In Magdeburg habe es einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt gegeben, sie müssten sofort abrücken, erklären die Polizisten.
Nur kurze Zeit bestätigen sich die schlimmsten Befürchtungen: Ein Auto ist über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast, es gibt Todesopfer und zahlreiche Verletzte. Fassungslosigkeit und Trauer machen sich allerorts breit.
52 Einsatzkräfte aus der Börde vor Ort
Nicht nur Polizisten, auch Rettungskräfte aus dem Landkreis sind nach dem Attentat in der Landeshauptstadt im Einsatz. Insgesamt seien 52 Einsatzkräfte aus der Börde in Magdeburg im Einsatz, heißt es aus der Leitstelle des Landkreises. Darunter sind der Fachdienst Sanität 2, der vom DRK-Kreisverband Wanzleben besetzt ist, das THW und die Feuerwehr Wanzleben. Der Landkreis hat einen sogenannten Meldekopf gebildet, eine elfköpfige Arbeitsgruppe, welche die Einsätze koordiniert hat.
Weitere 79 Einsatzkräfte sind in Bereitschaft versetzt worden, darunter Schnell-Einsatz-Gruppen des ASB, der Johanniter, der Malteser, die Notfallrettung Börde, der DRK-Rettungsdienst Börde und der DRK-Kreisverband Börde.
Auch die medizinischen Einrichtungen im Landkreis sind alarmiert. Verletzte des Anschlags werden sowohl im Ameos-Klinikum Haldensleben als auch in der Helios-Bördeklinik in Neindorf bei Oschersleben versorgt.
Adventsmärkte abgesagt
Der Anschlag hat auch Auswirkungen auf das gesamte Umland von Magdeburg. „Das ist unfassbar und uns allen unbegreiflich. Da können wir nicht hier stehen und feiern“, sagt Glindenbergs Ortsbürgermeisterin Gerhild Schmidt zum Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Der für den 21. Dezember geplante Adventsmarkt im Wolmirstedter Ortsteil fiel deshalb aus. Am Sonnabend hatte sich dazu gleich in der Früh das Organisationsteam getroffen und beschlossen, die Veranstaltung abzusagen. „Wir sind alle schockiert und mussten uns erstmal sammeln“, sagt Schmidt.
Denn der Magdeburger Weihnachtsmarkt ist auch für die Einwohner der Börde ein beliebtes Ausflugsziel. Sie selbst habe Besuch aus Hessen da und hatte geplant, am Sonntag die Lichterwelten zu besuchen. Auch eine Seniorin aus dem Organisationsteam war Schmidt zufolge zum Zeitpunkt des Anschlags auf dem Weihnachtsmarkt. Sie habe nur einen lauten Knall gehört und dann seien sie auch schon zu einer geöffneten Absperrung geschoben worden.
Trauercafé eingerichtet
Dass nun kurzfristig alles auf Eis gelegt wurde, dafür hätten viele Glindenberger aber sofort Verständnis gezeigt. „Wir sind alle in unseren Gedanken bei den Betroffenen und deren Familien“, sagt Schmidt.
Aber auch ein zweiter Börde-Weihnachtsmarkt wurde kurzfristig abgesagt. Der von den Vereinen und der Feuerwehr in Jersleben organisierte Markt hat nicht stattgefunden, teilen die Organisatoren mit. „Dafür haben wir aber kurzfristig ein Trauercafé organisiert“, berichtet Ortsbürgermeister Andreas Lange. Um 15 Uhr hat das bei Flocke an der Feuerwehr stattgefunden, wo der eigentliche Markt geplant war. Ein Pfarrer habe tröstende Worte verloren und mit allen Anwesenden zusammen für die Opfer, Verletzten und deren Familien gebetet.
Spendensammlung geplant
In Wolmirstedt und weiteren Gemeinden der Börde hängen zudem wie auch bundesweit die Flaggen auf Halbmast, sind mit einem Trauerflor versehen. Viele Vereine und Unternehmen zeigen im Internet derweil ihre Betroffenheit. Das in Wolmirstedt stattfindende Spiel der SBB Baskets Wolmirstedt gegen die EN Baskets Schwelm am Folgetag des Anschlags wurde aus Respekt vor den Opfern abgesagt, ein neuer Termin wird gesucht.
Auch weitere Sportvereine nehmen Anteil. „Inmitten der Vorfreude auf die besinnliche Zeit wurden unschuldige Menschen Opfer sinnloser Gewalt“, schreibt etwa die Spielgemeinschaft Jersleben/Colbitz. Sie plant deshalb ein Benefiz-Fußballturnier, dessen Erlös vollständig den Opfern des Anschlags zugute kommen soll. „Wir möchten als Gemeinschaft ein Zeichen der Solidarität setzen und den Betroffenen unsere Unterstützung zukommen lassen“, teilt das Organisationsteam mit. Sechs Mannschaften können am geplanten Turnier teilnehmen. Am Sonntag, 29. Dezember, wird ab 10 Uhr in der Heide-Sporthalle in Colbitz gespielt. Auszeichnungen werden am Ende nicht vorgenommen. Es soll Speisen und Getränke geben, ebenso wird eine Spendenbox für private Spenden aufgestellt.
Bis zum 27. Dezember können sich Mannschaften für das Turnier unter der Mailadresse: Fabian.mueller@bw90-jersleben.de anmelden. „Gemeinsam können wir einen Beitrag leisten, um den Opfern und ihren Familien in dieser schweren Zeit beizustehen“, heißt es weiter.
Spontane Gedenkveranstaltungen
In Niederndodeleben sollte am Sonnabend der Lebendige Adventskalender auf die Weihnachtszeit einstimmen. Doch die Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ließ keinen Gast des Abend kalt. „Wir sind traurig und wütend zugleich über die Ereignisse in Magdeburg. Wir haben lange gegrübelt, ob wir unsere Kalendertür öffnen, denn es ist nicht die Zeit für Musik und Feiern. Doch es ist Zeit, sich zu treffen und innezuhalten, zu reden und beisammen zu sein“, schrieb Florian Pötzsch, einer der Gastgeber des 21. Türchens, via Facebook an die Niederndodeleber. Und die kamen zum gemeinsamen Gedenken an die Opfer und Verletzten, legten im Kerzenschein eine Schweigeminute ein und würdigten den großen Einsatz der Helfer.
„Nach diesem schrecklichen Anschlag wollte ich in Gedanken bei den Opfern, Familien und Freunden sein. Ich bin auf Idee gekommen, zu trauern und einen Blumenstrauß vor das Rathaus zu legen. Und weil ich dachte, dass ich nicht die Einzige bin, die nicht nach Magdeburg fahren möchte oder kann, habe ich einen kleinen Post bei Facebook gestartet“, erklärt Leonie Klotz am Sonnabend. Die 25-Jährige ist überwältigt, dass mehr als 80 Menschen ihrem Aufruf gefolgt sind und sich auf dem Marktplatz in Haldensleben versammeln.
Bei Hermes Fulfilment in Haldensleben ist zudem am Sonnabend die Arbeit während der Frühschicht eingestellt worden – aus Anteilnahme, da eine Mitarbeiterin des Unternehmens bei dem Anschlag ums Leben gekommen sein soll.