Rüstige Truppe begeht Jubiläum Zerbster Bollenlatscher genießen seit 30 Jahren das gemeinsame Wandern

Zerbst
„Wir sind ein wilder Haufen“, sagt Irene Morgenthal und lacht. Sie selbst gehört dazu, zu den Zerbster Bollenlatschern, die seit mittlerweile 30 Jahren gut gelaunt zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind. Begeistert unternehmen die Senioren Touren durch Wald und Flur. „Jeden Donnerstag, das ist Pflicht“, erklärt Erika Freudenreich schmunzelnd. Andere Termine gebe es da nicht.
Leider bremst die Corona-Pandemie die muntere Truppe momentan in ihren Aktivitäten aus. Da fehlt nicht nur die Bewegung an der frischen Luft. Vor allem die Gemeinschaft vermissen die Frauen und Männer. „Es ist wie eine Familie“, beschreibt es Erika Freudenreich. „Es haben sich viele Freundschaften gebildet“, erzählt Christa Klatt.
Helmut Klatt ist Begründer der Bollenlatscher
Ihrem Mann Helmut Klatt ist es zu verdanken, dass es die Bollenlatscher überhaupt gibt. Der frühere Kreisturnrat hatte die Idee, Gleichgesinnte zu suchen, die wie er und seine Frau die nähere und weitere Umgebung gern mit dem Fahrrad erkunden. Über eine in der Zeitung geschaltete Anzeige fanden sich die ersten, die sich angesprochen fühlten.
Am 6. Mai 1991 schwangen sich schließlich 13 Radler für einen gemeinsamen Ausflug in den Sattel. Ihr Ziel war der Friederikenberg bei Badetz. Die zweite Tour zum Spitzberg umfasste bereits 37 Teilnehmer. Vor allem durch Mundpropaganda und der Tatsache, dass jeder willkommen war, schnellte die Zahl bald auf über 60 hoch. „Es waren sogar mal über 100, die mitgewandert sind“, erinnert sich Erika Freudenreich.
Singen und Wandern hält die fröhliche Truppe jung
Kein Zipfel im Altkreis Zerbst war vor ihnen sicher. Vergnügt schnürten die Frauen und Männer die Wanderschuhe oder traten eifrig in die Pedale, um die Schönheiten der Region kennenzulernen - die Höhenzüge des Flämings, die Steilufer der Elbe, die Buchenwälder bei Golmenglin. Helmut Klatt, der jede Ecke kannte, brachte sie stets sicher zu ihren Zielen. Mitunter verließen die Bollenlatscher die Heimat, um andere Gegenden von Deutschland kennenzulernen wie den bayrischen Wald, den Harz oder das Erzgebirge.
Das Ausland war ebenfalls nicht sicher vor ihnen. Da finden sich Reisen nach Tschechien, Dänemark und Polen genauso in der Chronik wie nach Österreich, wo sie bei Schnee und Eis bis in 2500 Meter Höhe gewandert sind. Irene Morgenthal erinnert sich zudem, wie sie in Mittelberg im Kleinwalsertal bei den anderen Hotelgästen mit ihrem morgendlichen Gesang für Verwunderung sorgten.
Jede Tour klingt gesellig in einer Gaststätte aus
Das Singen sei neben der körperlichen Betätigung der Grund, dass sie alle noch so rüstig seien, sagt Christa Klatt. Die jüngsten der aktuell etwa 30 Bollenlatscher sind derzeit Mitte 70, der älteste ist stolze 96 Jahre. Und es sind nicht nur Zerbster, die sich der losen Truppe angeschlossen haben.
„Auch aus Dessau, Roßlau und Gommern sind Paare dabei“, erzählt Erika Freudenreich. Als Organisatorin kümmert sie sich unter anderem um die Anmeldung und Vorbestellungen in den Gaststätten, in denen sie stets zum geselligen Ausklang einer Tour einkehren.
Wanderlust weckt Leidenschaft fürs Dichten
Die Route gibt derweil Dieter Piotrowski vor, den die Senioren als Wanderleiter gewinnen konnten. Denn Helmut Klatt verstarb 2017. Bis dahin führte er die fröhliche Gruppe an. „Er hat es mit Lust und Liebe gemacht“, erinnert sich Irene Morgenthal an den Begründer der Bollenlatscher. Zugleich ist sie froh, dass die Gemeinschaft nach wie vor fortbesteht.
Bei ihr und ihrem inzwischen verstorbenen Mann Joachim Morgenthal weckte die Wanderfreude noch eine andere Leidenschaft, und zwar jene fürs Dichten und Schreiben. Unzählige Gedichte und Geschichten entstanden sowie Lieder für die Bollenlatscher, bei denen sich die Seniorin nach wie vor geborgen fühlt.
Hoffen auf baldiges Ende der Pandiem
„Mich beeindruckt, dass die Leute freiwillig zusammenkommen“, sagt sie. Und immer wieder haben sich einzelne ganz uneigennützig aktiv für die Gruppe eingebracht wie Elke Freudenreich, Erich Hellmann, Elsa Werner und Christina Kalina.
Wie die anderen hofft Irene Morgenthal, dass die Corona-Pandemie bald beherrschbar ist. „So dass es wieder losgehen kann“, sagt sie. Denn die Bollenlatscher wollen endlich wieder alle gemeinsam auf Wanderung gehen.

