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Prozesse Der Geiger mit dem Rattengift erneut vor Gericht

Ein Orchestermusiker versucht, seine Mutter zu vergiften. Auch zwei Kollegen soll er das Rattengift gegeben haben. Eines aber verneint er im Revisionsprozess vehement.

Von Thomas Strünkelnberg, dpa Aktualisiert: 18.03.2025, 15:38
Im Revisionsprozess gegen einen 64-Jährigen wegen versuchten Mordes weist der Angeklagte eine Tötungsabsicht zurück.
Im Revisionsprozess gegen einen 64-Jährigen wegen versuchten Mordes weist der Angeklagte eine Tötungsabsicht zurück. Moritz Frankenberg/dpa

Hannover - Der Verteidiger kündigt die Erklärung seines Mandanten mit großen Worten an: „Die Wahrheit“ habe der 64 Jahre alte Ex-Orchestermusiker aufgeschrieben, sagt Anwalt Matthias Waldraff im Revisionsprozess am Landgericht Hannover. 

Der Musiker, früher Geiger eines renommierten Orchesters in Schleswig-Holstein, verliest die Erklärung selbst - zwar akzeptiere er seine Strafe aus einem früheren Prozess, weil er „in Verblendung viel zu weit gegangen“ sei. Aber er habe seine Mutter nicht töten wollen, ebenso wenig zwei Kollegen, deren Vergiftung ein „folgenschweres Missgeschick“ und ein „fataler Fehler“ gewesen sei. 

Bundesgerichtshof hebt erstes Urteil teilweise auf

Was wird ihm vorgeworfen? Der Musiker mischt im September 2022 in einem Seniorenheim in Hannover Rattengift in Lebensmittel seiner damals 93 Jahre alten Mutter. Erst habe er das Pulver auf Pflaumenkuchen streuen wollen, es dann aber in eine Süßspeise gemischt, sagt er in seiner Erklärung. Einige Tage später reicht er laut Anklage zwei Kollegen auf einer Konzertreise einen Frischkäse-Dip mit dem Gift. Die Opfer erleiden Blutgerinnungsstörungen, an denen sie hätten sterben können.

Im Oktober 2023 wird der Geiger wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Aber: Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil teilweise auf. Die Verurteilung wegen des versuchten Giftmordes an seiner Mutter wird rechtskräftig. Das Urteil bezüglich der zweiten Tat aber - der Musiker soll zusätzlich versucht haben, die beiden Kollegen zu vergiften - wird auf Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben. Im neuen Prozess ist er wegen versuchten Mordes an den Musikern angeklagt.

War es ein Denkzettel?

Denn der Bundesgerichtshof stellt fest, dass die früheren Erwägungen des Landgerichts, das im Falle des Giftanschlags auf die beiden Musiker keinen Tötungsvorsatz sah, der rechtlichen Prüfung nicht standhalten. Grund sei, dass das Landgericht von Annahmen ausgegangen sei, für die es keine Anhaltspunkte gebe. 

Im Fall des vergifteten Frischkäse-Dips vermutet das Landgericht ursprünglich einen Denkzettel für die Kollegen wegen fehlenden Beistands in einer Lebenskrise. Der heute 64-Jährige fühlt sich damals von einem Konkurrenten im Orchester angegriffen und gemobbt. Er gibt zu, das Gift Brodifacoum bestellt zu haben, um diesem Kollegen zu schaden. Er habe aber nicht geplant, ihn zu töten, sagt er nun. Die Vergeltungsfantasien hätten sich dann „Gott sei Dank verflüchtigt“.

Angeklagter: „Keine bewusste Tat“

Zur Ursache der Vergiftung der beiden Kollegen sagt der 64-Jährige, ihm sei beim Hantieren mit dem Rattengift „offenbar“ ein Missgeschick unterlaufen, es sei ihm „keine bewusste Tat vorzuwerfen“. Er bitte beide um Verzeihung - und betont, er sei froh, dass sie vollständig genesen seien. Dass in dem Frischkäse-Dip Gift gewesen sei, habe er nicht gewusst. Den Dip und darüber hinaus eine vergiftete Süßspeise für seine Mutter habe er nebeneinander zubereitet, dabei müsse Gift in das falsche Gefäß gelangt sein. 

Seine Mutter wiederum habe er mit dem Gift ebenfalls nicht töten, sondern ihre dauerhafte Unterbringung in einem Pflegeheim in Hannover erreichen wollen, wozu sie sich nicht habe überreden lassen. Er habe Tatsachen schaffen wollen - mit einem vorübergehenden gesundheitlichen Problem. Er sagt: „Sie tat mir unendlich leid.“ Er habe seine Mutter „über alle Maßen geliebt“, sagt er unter Tränen und mit brechender Stimme. „Ich hatte gegenüber meiner Mutter ein sehr schlechtes Gewissen, dachte aber in meiner Verblendung, dass es zu ihrem Besten sei.“ Der Gesundheitszustand der alten Frau verschlechtert sich damals rapide. 

Urteil möglicherweise am 31. März

Er habe große Angst gehabt, als die Polizei eingeschaltet wurde, sagt der 64-Jährige. „Ich hatte das Gefühl, in einen Albtraum zu geraten.“ Als dann bei den beiden Kollegen auch Rattengift als Ursache der Beschwerden festgestellt wird, weiß er: „Irgendetwas war schiefgelaufen.“ Er habe geschwiegen und abgewartet, auch bei seinen Verteidigern sei er nicht in der Lage gewesen, die Karten auf den Tisch zu legen. Nun habe er sich dazu durchgerungen.

Fragen möchte er zunächst aber nicht beantworten. Der Prozess wird fortgesetzt, ein Urteil könnte am 31. März gesprochen werden.