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Öffentliche Erinnerung Die Unsichtbaren: Nach Frauen benannte Straßen fehlen

Eine Goethestraße gibt es in fast jeder deutschen Stadt, doch weibliche Straßennamen sind selten. Bei Schulen ist die Situation ähnlich. Doch es gibt auch positive Beispiele.

Von Christina Sticht, dpa Aktualisiert: 06.03.2025, 15:22
Der Platz vor dem niedersächsischen Landtag wurde im April 2015 in Hannah-Arendt-Platz umbenannt. (Symbolbild)
Der Platz vor dem niedersächsischen Landtag wurde im April 2015 in Hannah-Arendt-Platz umbenannt. (Symbolbild) Julian Stratenschulte/dpa

Hannover - Gut die Hälfte der Menschen in Deutschland sind Frauen, doch als Namensgeberinnen von Straßen oder öffentlichen Plätzen sind sie klar in der Minderheit. In Braunschweig zum Beispiel sind 474 Straßen nach Männern und nur 58 Straßen nach Frauen benannt. Ebenfalls lediglich elf Prozent weibliche Straßennamen gibt es in Osnabrück: Hier sind in 384 Fällen Männer die Namensgeber und nur 49 Mal Frauen. Hannover hat 1204 Straßen mit Männer- und 215 mit Frauennamen, das ist ein Frauenanteil von 15 Prozent. 

In Göttingen sind immerhin 17 Prozent der nach Personen benannten Straßen Frauen gewidmet. Das teilten die Städte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. An diesem Samstag (8. März) wird der Weltfrauentag gefeiert. 

Historikerin: „Städte auch durch Frauen geformt“

Darüber hinaus fehlten Schulen und Hochschulen, die Frauen in ihrem Namen tragen, sagt die Hamburger Historikerin Rita Bake. Außerdem: „Nach wie vor gibt es viel zu wenig Denkmäler, die an konkrete Frauen erinnern.“ Ehrenbürgerinnen seien ebenfalls extrem selten.

„Städte und Kommunen sind auch durch Frauen geformt“, betont die Wissenschaftlerin, die eine Datenbank mit Hamburger Frauenbiografien ins Leben gerufen hat. Dass im öffentlichen Raum an Frauen so selten erinnert werde, sei eine Fortführung der Diskriminierung von Frauen, sagt Bake. Gemeindevorsteher und Bürgermeister würden mit Straßennamen gewürdigt, aber zum Beispiel nicht herausragende Altenpflegerinnen oder Dorfhelferinnen.

Weibliche Angehörige können ergänzt werden

Naturgemäß sei es schwierig, mehr Straßen nach Frauen zu benennen, wenn keine neuen Straßen entstünden, sagt Bake. Allerdings könne bei bestehenden Namen recherchiert werden, ob es weibliche Angehörige gab. Bake nennt ein Beispiel: So ist die Mönckebergstraße in Hamburg seit 2023 nicht mehr nur dem ehemaligen Bürgermeister Johann Georg Mönckeberg, sondern auch Vilma Mönckeberg-Kollmar gewidmet, die sich nach dem Krieg in der Frauenfriedensorganisation W.O.M.A.N. engagierte.

In Hannover wurde im April 2015 der Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz vor dem niedersächsischen Landtag in Hannah-Arendt-Platz umbenannt. Der Hintergrund: Niedersachsens erster Ministerpräsident Kopf war wegen seiner NS-Vergangenheit in die Kritik geraten. Die jüdische Philosophin Hannah Arendt (1906-1975) wurde im heutigen Stadtteil Hannover-Linden geboren. 2023 wurde aus der Hindenburgstraße die Loebensteinstraße. Sie erinnert an die Bewohnerin Lotte-Lore Loebenstein, die 1943 im Alter von nur zehn Jahren im Holocaust ermordet wurde.  

Bei Umbenennungen kommen manchmal Frauen zum Zug

Wenn nach Männern benannte Straßen aufgrund von NS-Verstrickungen der Namensgeber umbenannt werden, kommen auch an anderen Orten zuweilen Frauen zum Zuge. 

So wurde zum Beispiel 2005 in Göttingen der Saathofplatz in Ingeborg-Nahnsen-Platz umbenannt. In Osnabrück wurde 2018 die Giesbert-Bergerhoff-Straße im Stadtteil Atter umbenannt, weil der Namensgeber das nationalsozialistische Regime aktiv unterstützt habe. Die Straße heißt jetzt Frida-Schröer-Straße, benannt nach einer Bewohnerin, die 1943 mit 29 Jahren Opfer der sogenannten Krankenmorde wurde. Mehr als 100.000 Menschen mit Behinderungen oder psychischen Krankheiten wurden in der NS-Zeit systematisch ermordet. 

Im Land Bremen hat sich nach Angaben des Bremer Frauenmuseums der Frauen-Anteil bei nach Personen benannten Straßen und Plätzen auf etwa 23 Prozent erhöht. Das Museum setzt sich seit 1991 für die öffentliche Sichtbarmachung von Bremer Frauen mit ihrem Leben und Wirken ein. 

Neubaugebiet erinnert an Frauen aus Gesundheitswesen

2008 beschloss der Bremer Senat, dass die für Straßennamen zuständigen Stadtteilbeiräte bei der Namensfindung Frauennamen bevorzugen sollten. „Auch wenn vor allem männliche Beiratsmitglieder immer wieder versuchen, diese Vorgabe zu umgehen, haben die Bremer Frauen doch inzwischen gute Erfolge erzielt“, sagt Marion Reich, Vorsitzende des Vereins Bremer Frauenmuseum. 

Dies gelte vor allem für Neubaugebiete, die durch den Abriss alter Fabrik- oder Klinikgebäude entstanden seien. Im Hulsbergviertel - ehemals Klinik Bremen-Mitte - weisen alle Namen auf Frauen hin, die sich um das Gesundheitswesen verdient gemacht haben. 

Bei Namen von Schulen ist das Männer-Frauen-Verhältnis mancherorts noch schlechter als bei Straßen. In Wolfsburg beispielsweise sind elf Schulen nach Männern und eine nach einer Frau benannt. Das Verhältnis in Göttingen lautet 13 zu 1. In Braunschweig sind immerhin 5 Schulen nach Frauen benannt und 14 nach Männern, in Osnabrück sogar 7 nach Frauen und 13 nach Männern.