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Wirtschaftspolitik Pflanzenanbau unter Solardächern: Habeck besucht Testzentrum

Bundeswirtschaftsminister Habeck will die Solarenergie in Deutschland schneller ausbauen. Dabei soll ein Modell für die Landwirtschaft zum Zug kommen: Unten Gemüse- oder Obstanbau - oben Photovoltaik.

Von dpa Aktualisiert: 25.07.2023, 19:25
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) isst Himbeeren beim Besuch der SUNfarming GmbH.
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) isst Himbeeren beim Besuch der SUNfarming GmbH. Soeren Stache/dpa

Rathenow - Die Kühe muhen so laut, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nur schwer zu verstehen ist. Er geht zu Obststräuchern und Gemüse, pflückt ein paar Himbeeren und beißt in Tomaten. Doch bei der Stippvisite des Ministers auf dem Land geht es am Dienstag längst nicht nur um Landwirtschaft und ein paar Kostproben. Er besuchte das Unternehmen Sunfarming im brandenburgischen Rathenow, das sogenannte Agri-Photovoltaik-Anlagen entwickelt. Kohlrabi, Tomaten und Früchte wachsen dort in einer Versuchsanlage unter Solarmodulen.

Diese Form der Doppelnutzung - oben Solaranlagen und unten Tierhaltung oder Gemüseanbau - soll es bald mehr und mehr auf deutschen Äckern geben, wie Habeck hofft. Er sehe darin auch ein Zukunftsmodell, die Kombination aus Ernte-Ertrag und Solarstrom auf einer Fläche soll ihm zufolge Standard werden.

Der Deutsche Bauernverband sieht in der Technologie ein großes Potenzial, weil der Landwirtschaft anders als bei herkömmlicher Freiflächen-Photovoltaik kein Land zur Bewirtschaftung verloren geht. Noch gibt es aber erst wenige solcher Anlagen. „Wir stehen noch am Anfang der Entwicklung von Agri-PV“, sagte der stellvertretende Generalsekretär des Bauernverbandes, Udo Hemmerling. Nach Verbandsangaben gibt es in Deutschland bislang 20 solcher Anlagen. In Bayern ging vor kurzem eine Hopfen-Agri-PV-Anlage in Betrieb. In Rheinland-Pfalz etwa wachsen Apfelbäume unter waagrecht aufgestellten Solarflächen.

Solarstrom soll nach dem Willen der Bundesregierung zu einem großen Teil zur Energiewende beitragen. Mit Agri-PV, wie die Systeme kurz genannt werden, soll der umstrittene Flächenverbrauch - wie er bei herkömmlichen Photovoltaik-Feldern besteht - geringer werden. Im November 2022 waren rund 2,5 Millionen Photovoltaikanlagen mit einer Nennleistung von fast 64 Gigawatt auf Dächern und Grundstücken von Haushalten und Unternehmen installiert. Das waren 14 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, während die installierte Energieleistung um 13 Prozent zulegte. Zum Vergleich: Die Bundesregierung plant für 2030 mit einer verdreifachten Kapazität von 215 Gigawatt.

Für einen solchen Ausbau entsteht laut Bauernverband ein Flächenbedarf von etwa 80.000 Hektar Freiflächen-Photovoltaik. „Die politischen Rahmenbedingungen sollten so gesetzt werden, dass ein möglichst großer Teil davon Agri-PV wird und wenig Fläche dauerhaft der Landwirtschaft entzogen wird“, sagte Hemmerling.

Die Förderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sei für Agri-PV aber noch nicht ausreichend, hieß es. Doppelte Ernte bedeute nicht doppeltes Geld, da diese technischen Systeme teurer seien. Im Baurecht werden solche Anlagen teils bereits privilegiert. Das Unternehmen Sunfarming, das mehrere Projekte entwickelt, ist überzeugt, dass Agri-PV in Zukunft zum Standard wird.

Sunfarming berichtete am Dienstag, es habe Anlagen für eine insgesamt fast 6000 Hektar große Fläche in Vorbereitung, darunter sei auch ein Projekt in Fürstenwalde. Firmengründer Peter Schrum sieht eine Nachfrage für die Anlagen bei Landwirten. „Um die Landwirtschaft vor Klimawandel-Folgen zu schützen und zudem Agrarflächen effizient für Erneuerbare-Energie-Produktion zu nutzen, sind Agri-Photovoltaik-Anlagen ideal geeignet“, sagte Schrum, der auf eine höhere staatliche Förderung hofft. In Frankreich und Italien werde die Technologie bereits seit Jahren eingesetzt. Auch in Südafrika hat Sunfarming nach eigenen Angaben bereits eine Anlage errichtet, zudem in Madagaskar und der Türkei.