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Unwetter im Norden Kinder nach Blitzschlag in Lebensgefahr - Zustand ungewiss

Eine Familie wird von einem Gewitter überrascht und sucht Schutz unter einem Baum - mit fatalen Folgen: Zwei Kinder kämpfen um ihr Leben.

Von Mirjam Uhrich und Christina Sticht, dpa 22.07.2024, 14:37
Ein Grillausflug endete lebensgefährlich.
Ein Grillausflug endete lebensgefährlich. Gerrit Schröder/NonstopNews /dpa

Delmenhorst - Unter einem Baum steht noch ein Kugelgrill mit Grillzange, daneben ein umgestürztes Kinderfahrrad und ein Fußball: Ein Familienausflug in Delmenhorst hat am Sonntag in einer Katastrophe geendet. Nach einem Blitzeinschlag mussten zwei Kinder reanimiert werden, wie die Polizei mitteilte. Ihr Gesundheitszustand sei weiter ungewiss. Fünf weitere Familienmitglieder seien verletzt worden. 

Familie von Unwetter überrascht

Die Familie habe am Sonntagnachmittag in der Parkanlage „An den Graften“ gegrillt, sagte ein Sprecher der Polizei. Plötzlich zog ein Unwetter auf und die Familie suchte Schutz. Als die Erwachsenen und Kinder Zuflucht unter einem Baum gefunden hatten, krachte es. „Dort stehen mehrere Bäume, in einem Baum schlug der Blitz ein“, sagte der Sprecher. Ob die Familie direkt darunter stand, könne er nicht sagen.

Experte Thomas Raphael geht davon aus, dass es zu einem sogenannten Blitz-Überschlag gekommen ist. Der Blitz sei in den Baum eingeschlagen und dann auf die Menschen in der Nähe übergesprungen. „Wasser leitet den Strom des Blitzes Richtung Erde. Ein Baum besteht aus Holz und relativ wenig Wasser. Weil wir Menschen aus Wasser bestehen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zu einem Überschlag kommt“, erklärte der Elektroingenieur. Ein Blitz könne überspringen, auch wenn man sich in drei Meter Entfernung zu einem getroffenen Baum befinde. 

Mutter und Tochter schwer verletzt

Nach dem Eingang des Notrufs in Delmenhorst wurde der sogenannte Massenanfall von Verletzten ausgerufen, also ein Notfall mit einer großen Anzahl an verletzten Menschen. Alle acht Familienmitglieder seien verletzt worden, hieß es von der Polizei. Ein fünfjähriger Junge und ein 14-jähriges Mädchen wurden reanimiert. Beide wurden mit lebensgefährlichen Verletzungen in Kliniken geflogen. Die 38-jährige Mutter und ihre neunjährige Tochter seien schwer verletzt worden. 

Mehr Glück hatten nach Angaben der Polizei die anderen Familienmitglieder. Der 40-jährige Vater, ein 12-jähriger Sohn, eine 2-jährige Tochter sowie ein 31-jähriger Verwandter erlitten leichte Verletzungen. Einsatzkräfte fuhren alle zur Behandlung in Krankenhäuser. Ein Kriseninterventionsteam betreute die Angehörigen und die Einsatzkräfte. Zwei Rettungshubschrauber, sechs Notarzteinsatzfahrzeuge, fünf Rettungswagen und eine Großzahl an Feuerwehrkräften waren im Einsatz.

Nach einer Auswertung des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) gibt es durch Blitzeinschlag bundesweit jährlich etwa 7 Todesfälle und 120 Verletzte. „Die Überlebenden haben oft schwere Schäden, die sie das ganze Leben beeinträchtigen“, Thomas Raphael. Sie kämpfen mit Nervenschäden, Persönlichkeitsveränderungen, Gedächtnisverlust und Störung des Kalt-Wärme-Empfindens.

Rechtzeitig Schutz bei Unwetter suchen

Schon der erste Blitz eines Gewitters könne zu Schaden führen, warnt Raphael. Daher sollte sich jeder vor einer Outdoor-Aktivität über die Wetterlage informieren und auch währenddessen das Wetter im Blick behalten, meinte der Elektroingenieur. „Ich muss mir frühzeitig überlegen, wo ich Schutz finde.“ Raphael beobachtet, dass die Menschen immer weniger Respekt vor der Naturgewalt haben und dann trotz der Gefahr zum Beispiel in einem Park grillen.

Die meisten Blitzunfälle in Deutschland ereignen sich nach Angaben des Experten im Zusammenhang mit Bäumen. „Menschen suchen unter Bäumen Schutz vor Regen und unterschätzen die Gefahr bei Gewittern“, beobachtet auch Andreas Walter, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD). Manche würden dabei sogar auf die Baumart achten, denn sie denken an den Volksmund: „Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen.“ Dabei gebe es keine Unterschiede zwischen Baumarten, sagte Walter. „Das ist ein Mythos.“