Landgericht Oldenburg Mutter wegen Mordes an ihrem Sohn zu Haftstrafe verurteilt
Der Mordprozess befasste sich mit einem außergewöhnlichen Fall: Eine Frau sieht keine Perspektive für ihren schwerstbehinderten Sohn und trifft eine düstere Entscheidung - für ihren Sohn und für sich.
![Im Prozess um die Tötung eines schwerstbehinderten 23-Jährigen ist die Mutter des Mannes wegen Mordes verurteilt worden. (Archivbild)](https://bmg-images.forward-publishing.io/2025/02/07/3278274a-1a1f-4193-86a7-4a3f5232f448.jpeg?w=1024&auto=format)
Oldenburg - An der Tat gab es keine Zweifel. Im Juni 2023 tötete die heute 57-jährige Angeklagte ihren schwerstbehinderten 23-jährigen Sohn. Vor dem Landgericht Oldenburg wurde die Frau nun wegen Mordes zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Urteil solle klarstellen, dass niemand über das Leben eines anderen Menschen verfügen dürfe, sagte der Vorsitzende Richter. „Es ist ein Mord aus Heimtücke.“ Da die Frau laut einem Gutachten zur Tatzeit unter einer Anpassungsstörung litt, ist sie vermindert schuldfähig. In solch einem Fall liegt der Strafrahmen für Mord bei drei bis 15 Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Revision ist möglich.
Tod im Wohnwagen
Die Deutsche stellte im Juni 2023 in Wilhelmshaven in einem abgedichteten Wohnwagen einen angezündeten Holzkohlegrill auf. Sie gab ihrem Sohn, der nicht sprechen konnte, ein Beruhigungsmittel und fütterte ihn mit Schokoladenkuchen. Dann verloren beide das Bewusstsein. Während die Frau planwidrig nach einiger Zeit wieder erwachte, starb der 23-Jährige. Hintergrund der Tat war, dass die Frau keine Perspektive mehr für ihren stark hilfsbedürftigen und teils sehr aggressiven Sohn sah - weder im Heim noch in der Psychiatrie. Die Frau hatte nach eigenen Angaben auch Angst, dass der junge Mann andere erheblich verletzen würde.
Starkes Leiden und viele Einschränkungen
Der Tat sei ein starkes Leiden vorausgegangen, sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Der junge Mann, der geistig und körperlich sehr stark beeinträchtigt war, habe ein schwieriges Leben mit vielen Einschränkungen gehabt. „Es war nicht nur schwierig für ihn, sondern für seine gesamte Umgebung“, so der Richter. Dass der junge Mann im Heim zunehmend nur verwahrt, statt betreut wurde, sei für die Frau eine große Belastung gewesen. Nach der Kündigung seines Pflegeplatzes habe sie keine Perspektive mehr gesehen. Aber: Es sei falsch gewesen, über das Leben des jungen Mannes zu entscheiden. Dass die Angeklagte ihren Sohn in eine sichere und ruhige Umgebung brachte, damit er keinen Widerstand leistete, sei heimtückisch gewesen. Daher sei die Tat juristisch als Mord zu werten.
Drei Jahre Haft für Mord ist ungewöhnlich
Der Vorsitzende Richter zeigte zugleich Mitgefühl für die Angeklagte, die nach der Tat vorübergehend in die Psychiatrie gebracht wurde und unter den Folgen ihres Handelns leidet. Sie habe schweren Schaden erlitten, sagte er. „Sie haben aber auch Leid und Unglück über Ihre Familie gebracht“, ergänzte er. Es sei wichtig, Verantwortung zu übernehmen und zu verstehen, dass sie falsch gehandelt habe. Nun gebe es die Aussicht, dass sie ihr Leben weiter führen könne. Dass ein Mord nur mit drei Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird, ist dem Richter zufolge sehr ungewöhnlich. Die Frau hatte keine Vorstrafe und berichtete von Anfang an offen über ihre Tat.
Mit dem Urteil folgte die Kammer dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die ebenfalls drei Jahre Haft wegen Mordes gefordert hatte. „Ich habe nicht das Bedürfnis, Sie zu bestrafen“, sagte der Staatsanwalt zur Angeklagten und sprach von einem Grenzfall. „Ich erkenne Ihre Not, aber ich erkenne auch, dass hier ein Menschenleben ausgelöscht wurde.“ Ihm sei während der Verhandlung klar geworden, was für eine große Belastung die Frau erfahren habe und wie engagiert sie als Mutter war. Und dass sie am Ende nicht weitergekommen sei, sich alleingelassen und überfordert fühlte. Aber: Die Angeklagte habe vorsätzlich und heimtückisch einen Menschen getötet, der nicht sterben wollte. Daher sei die Tat als Mord zu werten.
Verteidigung sieht kein Mordmerkmal
Die Verteidigung forderte für die 57-Jährige eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen Totschlags. In ihrem Plädoyer argumentierte die Anwältin, dass eine Verurteilung wegen heimtückischen Mordes nicht in Betracht komme. Sie verwies darauf, dass der Täter oder die Täterin bei einer heimtückischen Tötung die Arglosigkeit und Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzt. Der 23-Jährige sei aber aufgrund seiner geringen intellektuellen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen, arglos zu sein. Sie verwies auf Zeugenaussagen, nachdem der junge Mann keine Angst hatte oder haben konnte. Nach den Worten der Verteidigerin hatte die Angeklagte zur Tatzeit auch keine Feindseligkeit, sondern meinte, sie täte ihrem Sohn etwas Gutes und wollte gemeinsam mit ihm aus dem Leben scheiden.