Verkehr Tübinger Votum gegen Innenstadtbahn bringt Palmer in Not
Die Idee von Tübingens Oberbürgermeister Palmer, eine im Umland geplante Regionalbahn durch die Innenstadt führen zu lassen, ist gescheitert. Wie es nun weitergeht, will er unter anderem über eine Nachwahlbefragung herausfinden.
Stuttgart/Tübingen - Nach dem klaren Nein der Tübinger beim Bürgerentscheid über eine Stadtbahnstrecke durch die Innenstadt will Oberbürgermeister Boris Palmer mögliche Alternativen diskutieren. „Soll die Idee einer Schienenanbindung der Tübinger Nordstadt vollständig aufgegeben werden, oder müssen wir neue Trassenvarianten untersuchen? Soll die erfolgreiche Strategie der letzten 15 Jahre, in Tübingen neue Arbeitsplätze zu schaffen, fortgesetzt oder das Wachstum gestoppt werden?“, schrieb der Grünen-Politiker am Montag unter anderem auf seiner Facebook-Seite. Der Plan Palmers, Tübingen bis 2030 zu einer klimaneutralen Stadt zu machen, rückt mit dem Votum in weitere Ferne. Das Nein beim Bürgerentscheid ist klar und gesetzlich für drei Jahre verbindlich.
Am Sonntag hatte eine Mehrheit von 57,39 Prozent gegen das Millionen-Projekt gestimmt. Für das Vorhaben sprachen sich 42,61 Prozent der rund 69.000 stimmberechtigten Wählerinnen und Wähler aus. Die Wahlbeteiligung in der Universitätsstadt betrug 78,41 Prozent.
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) beklagte am Montag in Stuttgart den Ausgang des Entscheids. „Es ist außerordentlich bedauerlich, dass im Bürgerentscheid in der Stadt Tübingen, die von der Regionalstadtbahn Neckar-Alb den größten Nutzen hätte, das Projekt Innenstadtstrecke mit Mehrheit abgelehnt wurde.“ Es werde nun wohl einige Jahre dauern, bis ein neuer Anlauf mit einem weiterentwickelten Konzept gemacht werden könne, betonte Hermann.
Auch der Zweckverband Regional-Stadtbahn Neckar-Alb reagierte enttäuscht. „Unsere Planungen laufen weiter wie gehabt“, sagte der Verbandsvorsitzende Eugen Höschele der Deutschen Presse-Agentur. Man konzentriere sich nun auf den Bau der verbliebenen 198 Kilometer langen Strecke. Die Tübinger Innenstadtstrecke wäre 7,1 Kilometer lang gewesen. Sollten es sich die Tübinger noch anderes überlegen und in einigen Jahren eine Innenstadtstrecke doch noch befürworten, wäre eine Anbindung an das Gesamtprojekt technisch möglich, betonte Höschele.
Die Stimmbezirke, die sich für die Bahn ausgesprochen hatten, sind laut Palmer entweder direkt an der Trasse oder Quartiere, in denen das Auto bereits eine untergeordnete Rolle spielt. „Die größte Ablehnung gab es in den Bezirken, die gar nicht von der Bahn betroffen wären und sie nicht mal gesehen hätten: Pfrondorf, Hagelloch, Hirschau. Das sind Bezirke, in denen das Auto das dominierende Verkehrsmittel ist und die Leute für sich keine Vorteile erwarten.“ Im Falle von Tübingen komme auch hinzu, dass man eine Einpendlerbahn bauen wollte. „Diejenigen, die einen direkten Nutzen für sich sehen, konnten nicht abstimmen: die Pendler aus der Region“, betonte Palmer.
Um weitere Fragen zu beantworten, wird Palmer dem Gemeinderat den Vorschlag machen, eine Nachwahlbefragung durchzuführen. „Wir müssen besser verstehen, was die Motive des Neins gewesen sind. Von den Resultaten sollten weitere Schritte abhängig gemacht werden“, schrieb er im Nachgang der Veröffentlichung des Ergebnisses vom Sonntag.
Der Plan einer Innenstadtstrecke der Regional-Stadtbahn Neckaralb war von Beginn an umstritten. Die Strecke sollte vom Hauptbahnhof über die Neckarbrücke über die Innenstadtklinik und den Botanischen Garten bis in den Osten der Stadt führen. Die Regional-Stadtbahn ist das größte Infrastrukturprojekt der Region Neckar-Alb mit etwa 700.000 Menschen. Dabei sollen die im Umland bestehenden Eisenbahnstrecken genutzt und über Straßenbahnstrecken mit den Innenstädten verbunden werden. Zum Bau der Innenstadtstrecke Tübingen wären nach aktuellem Planungsstand Investitionen in Höhe von rund 230 Millionen Euro zuzüglich Planungskosten notwendig. Die Kosten für Planung und Bau der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb betragen etwa 2,1 Milliarden Euro.