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Nach Solingen Woidke für schärfere Asylpolitik - Mehr Schutz für Feste

Der Brandenburger Landtag kommt zu einer Sondersitzung nach der Attacke in Solingen zusammen. Nicht nur Regierungschef Woidke fordert Konsequenzen. Für Feste im Land hat der Anschlag bereits Folgen.

Von Oliver von Riegen, dpa 29.08.2024, 12:49
Dringt auf Konsequenzen nach Anschlag in Solingen: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (links).
Dringt auf Konsequenzen nach Anschlag in Solingen: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (links). Michael Bahlo/dpa

Potsdam - Die Sicherheitsvorkehrungen in Brandenburg sind nach der Messerattacke in Solingen mit drei Toten erhöht worden. Das sagte Innenminister Michael Stübgen (CDU) bei einer Sondersitzung des Landtags. Für öffentliche Veranstaltungen und Volksfeste seien sie „umgehend an die derzeitige Lage angepasst“ worden. Es gebe einen stärkeren polizeilichen Schutz. „Die traurige Wahrheit lautet: Wir können nicht ausschließen, dass es Personen auch in Brandenburg gibt, die Taten wie in Mannheim oder Solingen nachahmen wollen.“

Woidke will Verschärfung des Asylrechts

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dringt nach dem Anschlag eines mutmaßlichen Täters der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Solingen auf ein schärferes Asylrecht. „Es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die eine Gefahr für uns und unsere Mitmenschen sind, hier in unserem Land Schutz beanspruchen“, sagte der SPD-Politiker. Das müsse auch für Afghanistan oder Syrien gelten.

Woidke forderte eine „ähnlich umfassende tiefgreifende Veränderung“ wie beim Asylkompromiss in den 1990er Jahren. Damals war das Asylrecht eingeschränkt worden. „Die Migrationspolitik der letzten zehn Jahre muss überprüft werden.“

Woidke kündigte überraschend eine Konferenz mit den Landräten für nächste Woche an. Flüchtlinge, die in ein anderes europäisches Land abgeschoben werden sollten und untertauchten, sollten zur Fahndung ausgeschrieben werden und den Schutzstatus verlieren.

Die Bundesregierung verständigte sich unterdessen am Nachmittag auch auf ein Sicherheitspaket als Konsequenz aus Solingen. Dazu zählt ein generelles Messerverbot im Fernverkehr in Bussen und Bahnen und auf Volksfesten. Außerdem sollen Menschen einfacher ausgewiesen werden können, wenn sie eine Straftat mit einer Waffe begangen haben. „Es ist gut, dass sich die Bundesregierung auf konkrete Punkte verständigt hat“, sagte Woidke dazu der dpa. Konkret nannte er die geplante Kürzung von Leistungen für diejenigen, für die ein anderes EU-Land zuständig ist.

Minister prüft Messerverbotszonen

Der Innenminister betonte: „Unsere öffentliche Sicherheit und Ordnung ist bedroht.“ Die Einrichtung von Messerverbotszonen bei Volksfesten oder öffentlichen Veranstaltungen werde geprüft. Stübgen forderte außerdem mehr Befugnisse für die Polizei bei der Umsetzung des Waffenrechts sowie mehr Verantwortung des Bundes bei Rückführungen ausreisepflichtiger Ausländer.

Am Freitag vergangener Woche waren bei einem Stadtfest in Solingen in Nordrhein-Westfalen drei Menschen mit einem Messer getötet worden. Acht Menschen wurden verletzt. Der mutmaßliche Täter ist ein 26-jähriger Syrer. Er hätte eigentlich im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden sollen - das gelang aber nicht. Bei einer Messerattacke in Mannheim Ende Mai kam ein Polizist ums Leben.

Appell der Landtagspräsidentin: Kein Wahlkampf

Die Debatte stand im Zeichen des Wahlkampfes. Am 22. September wird ein neuer Landtag gewählt. Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke warnte die Abgeordneten vor einer Instrumentalisierung des Themas für Wahlkampfzwecke und vor falschen Schuldzuweisungen. „Unsere Antwort auf Terror und Gewalt muss eine starke, geeinte und demokratische Gesellschaft sein“, sagte Liedtke und forderte Zusammenhalt und entschlossenes Handeln gegen Gewalt.

Die Landtagspräsidentin meinte mit ihrem Appell indirekt vor allem die AfD-Fraktion, die die Sondersitzung beantragt hatte. In einem Antrag fordert die AfD ein Betretungsverbot öffentlicher Veranstaltungen für Asylberechtigte, ukrainische Kriegsflüchtlinge, vollziehbar ausreisepflichtige und geduldete Ausländer sowie Asylantragsteller. AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt wandte sich gegen eine Politik von Vielfalt und Toleranz: „Ihr Regenbogen ist das Tor zur Hölle“, sagte Berndt.

SPD-Fraktionschef wirft AfD Faschismus vor

Woidke nannte die Forderungen der AfD bodenlos. SPD-Fraktionschef Daniel Keller bezeichnete den Antrag als verabscheuungswürdig und warf der AfD eine Zwei-Klassen-Gesellschaft vor: „Das ist purer Faschismus.“

CDU-Fraktionschef Jan Redmann verlangte mehr Abschiebungen von Straftätern und mehr Kompetenzen der Polizei. Das geplante Paket der Ampel-Regierung nannte er enttäuschend. „Zur Bekämpfung irregulärer Migration enthält es keine Maßnahmen. Außerdem fehlen wesentliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus.“

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Benjamin Raschke wandte sich gegen die Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz nach einem generellen Aufnahmestopp von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan. „Das wird es mit uns Grünen nicht geben.“

Linksfraktionschef erinnerte an Rassegesetze der Nazis 

Linksfraktionschef Sebastian Walter attackierte die AfD für die Forderung nach einem Betretungsverbot von Festen. „Dieser Vorschlag, den sie hier machen, der stinkt gewaltig – und der stinkt gewaltig nach Nürnberger Rassegesetzen“, sagte Walter. Mit den 1935 erlassenen Gesetzen verfolgten die Nationalsozialisten vor allem den Zweck, die jüdischen Staatsbürger zu entrechten.

Der Sprecher der Gruppe BVB/Freie Wähler, Péter Vida, forderte die Abschiebung von Straftätern und Mittätern auch in Länder mit Kriegsgebieten. Er hält die Debatte über ein schärferes Waffenrecht bei einer bestimmten Messerlänge für wirkungslos.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) forderte, den Schutzstatus für Straftäter abzuerkennen und sie sofort abzuschieben. Das von der AfD geforderte Teilnahmeverbot für bestimmte Personengruppen sei empörend. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Brandenburg forderte ein schärferes Waffenrecht zur Reglementierung des Tragens gefährlicher Messer, mehr öffentliche Videoüberwachung und mehr Aussteigerprogramme. Die FDP forderte Abschiebehaftplätze vor allem für Gefährder.