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Baden trotz Piranha Mit dem Buschflieger in den Regenwald in Suriname

Im kleinsten Land Südamerikas steht relativ zur Fläche des Staates so viel Primärregenwald wie nirgends sonst auf der Welt. Doch das bedeutet nicht, dass Reisende besonders einfach wilde Tiere beobachten können. Eine Spurensuche im Dschungel.

Von Steven Hille, dpa 25.09.2018, 09:24

Paramaribo (dpa/tmn) - Nur wenige Zentimeter beträgt die Sichtweite auf dem Suriname-Fluss. Das schlammige Wasser platscht im Takt gegen den Rumpf des hölzernen Fischerbootes. Am Himmel das gleiche Trauerspiel. Im Regenwald ist es einfach immer bewölkt.

Schlechte Bedingungen für außergewöhnliche Fotos. Doch dann springen plötzlich verspielte Guyana-Delfine mit rosafarbenen Bäuchen aus dem Brackwasser. Das merken auch die jungen Freiwilligen an Bord. Seit 2005 ist der Green Heritage Fund Suriname (GHFS) jeden Sonntagmorgen mit einigen Helfern auf dem Fluss unterwegs. Die Aktivisten erfassen vor der Hauptstadt Paramaribo den gefährdeten Bestand an Delfinen. Sie werden chauffiert von Fischern und gelegentlich begleitet von Touristen.

Monique Pool ist jeden Sonntag dabei. Die nachdenkliche Frau mit schwarz gelocktem Haar ist die Gründerin des GHFS. Der Schutz der Delfine im Bereich der Flussmündung hat sich zu einem Vorzeigeprojekt für nachhaltigen Tourismus entwickelt. Inzwischen werden mehrmals pro Woche Touren angeboten - für die wenigen Urlauber im Land.

Kleinstes unabhängiges Land Südamerikas

Suriname ist einer der letzten weißen Flecken auf der touristischen Landkarte. Die Staatsangehörigkeit sagt hier wenig über die Menschen aus. Das kleinste unabhängige Land Südamerikas ist multikulturell wie kein anderes, wegen der Kolonialgeschichte. Heute leben Menschen mit Vorfahren in Westafrika, Indien, Java, China, Europa und dem Libanon in Suriname. Die Küche des Landes ist entsprechend vielfältig.

In den tiefen Regenwald geht es nur über den Luftweg. Ronald Nowee und seine Frau Els steigen am Inlandsflughafen Zorg en Hoop in einen kleinen Buschflieger. Wenige Minuten nach dem Start verschwindet Paramaribo aus dem Blickfeld. Das Ehepaar aus den Niederlanden ist schon zum zweiten Mal in Suriname unterwegs. Viele Niederländer bereisen die ehemalige Kolonie, erzählt Reiseführer Espanyo nach der Landung im Dorf Palumeu. Espanyo ist ein Enkel des Dorfältesten. Im Amazonas-Gebiet Surinames aufgewachsen, arbeitet er seit dem 16. Lebensjahr als Tourguide.

Dutzende Indigene aus den drei Stämmen Trio, Wayana und Akurio treten nun aus dem Schatten der Bäume und entladen das Flugzeug. Nur fünf Holzhütten mit jeweils zwei abgetrennten Wohnbereichen für insgesamt 20 Personen wurden für Touristen geschaffen. Insgesamt 300 Einheimische wohnen im Dorf. Ein gesundes Gleichgewicht.

Die Papageien-Insel

Ohne Verschnaufpause geht es ins motorisierte Kanu. Nächster Halt: die Papageien-Insel. Gezückte Kameras, Vorfreude. Vor Ort dann große Enttäuschung. Keine Papageien. Aber die Guides bereiten ein Picknick vor, mitten im Regenwald: vom grünen Salat bis zum gegrillten Anjumara, dem größten Raubfisch Südamerikas. Bis zu 40 Kilo wiegen die Fische im Tapanahony River, der zu einer Erfrischung einlädt. "Das Schwimmen im Fluss ist ungefährlich", sagt Espanyo. Er holt eine Schnur hervor, befestigt Wasserpflanzen am Haken, wirft die improvisierte Angel ins Wasser und holt sie wieder ein. Das geht eine ganze Weile so, bis er zur Überraschung seiner Beobachter einen Piranha fängt. Eilig laufen alle Badegäste aus dem Wasser. Wer möchte schon mit Piranhas schwimmen?

Stolz erklärt Espanyo der Reisegruppe, dass dies ein vegetarischer Piranha sei. Er zeigt auf die spitzen Zähne des Tieres. War das ein Witz? Nein! Diese Art gehört zu den sogenannten Sägesalmlern. Der Fisch ernährt sich nur von Pflanzen.

Ein Jägervolk

Im Dorf ernährt sich kaum jemand vegetarisch. Am Abend landet der Piranha in einem Kochtopf. Das geht hier vielen Tieren so. Die Bewohner Palumeus sind ein Jägervolk. Seit Espanyo laufen kann, ist er mit den Männern des Dorfes zur Jagd gegangen, hat Spuren lesen gelernt, Bogenschießen und die Jagd mit dem Gewehr. "Ich habe schon fünf Jaguar erlegt", erzählt er beim Abendessen.

In Palumeu sieht man keine Tiere, sie haben sich aus Angst tief in den Wald zurückgezogen. Anders in Kabalebo. "Wir haben dort Hunderte wilde Tiere gesehen", erzählt Ronald Nowee. Das Kabalebo Nature Resort wurde mitten im Regenwald nur für Touristen geschaffen. Die Tiere werden dort nicht gejagt.

Bedrohte Tierart

Zurück zur Küste. Viele Reisende wenden sich an Monique Pools Organisation, wenn sie vor der Abreise noch einen Blick auf Ameisenbär oder Faultier werfen wollen. Faultiere sind durch die Abholzung des Regenwalds bedroht. Während andere Tiere bei Gefahr fliehen, ist ein Faultier einfach zu langsam, um zwischen Bulldozern und Kettensägen das Weite zu suchen. Wenn ein Baum umstürzt, fällt das Faultier mit zu Boden. Es bricht sich die Knochen oder stirbt.

Das Team von der Faultier-Rettung ist jeden Tag im Einsatz. Es liest Tiere auf, bringt sie ins Rettungszentrum und päppelt sie für die Rückkehr in den Regenwald wieder auf. Bis Juli 2017 befand sich das Herzstück des Zentrums in Moniques privater Wohnung. Dutzende Faultiere okkupierten oft wochenlang die Räume der 54-Jährigen, ehe mit Spendengeldern ein modernes Rettungs- und Besucherzentrum aus alten Schiffscontainern in Misgunst gebaut werden konnte, eine Stunde westlich von Paramaribo.

Fragt man die Umweltschützerin nach ihrem größten Traum, gesteht sie, dass sie gerne Millionärin wäre. Damit würde sie den letzten verbliebenen Regenwald in Paramaribo kaufen und unter Naturschutz stellen. Sie freut sich aber auch schon über eine Spende über die Welttierschutzgesellschaft.

Welttierschutzgesellschaft

Reise- und Sicherheitshinweise für Suriname

Suriname

Anreise: Surinam Airways, KLM und Tuifly fliegen von Amsterdam direkt zum Johan Adolf Pengel International Airport (PBM) in Paramaribo. Günstiger sind Flüge ab Deutschland mit mehreren Zwischenstopps, beispielsweise in Miami und Trinidad und Tobago.

Einreise und Formalitäten: Deutsche Staatsangehörige benötigen für die Einreise kein Visum, müssen am Flughafen in Paramaribo aber für 30 Euro eine Touristenkarte kaufen, die für eine einmalige Einreise gültig ist. Wer auf dem Landweg kommt, muss die Karte vorab erwerben. Eine Gelbfieberimpfung ist nötig.

Gesundheit: Neben den Standardimpfungen wird eine Impfung gegen Hepatitis A empfohlen, bei Langzeitaufenthalt auch gegen Hepatitis B, Tollwut und Typhus. Ganzjährig hohes Übertragungsrisiko von Malaria. Mückenstiche durch lange Kleidung, Netze und Insektenspray vermeiden.

Attraktion für Naturliebhaber: gewaltiger Tropenbaum im Regenwald von Suriname. Foto: Steven Hille
Attraktion für Naturliebhaber: gewaltiger Tropenbaum im Regenwald von Suriname. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Spektakel in der trüben Brühe: Auf einer Bootstour auf dem Suriname-Fluss lassen sich Guyana-Delfine beobachten. Foto: Steven Hille
Spektakel in der trüben Brühe: Auf einer Bootstour auf dem Suriname-Fluss lassen sich Guyana-Delfine beobachten. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Palumeu kurz vor der Landung mit dem Flugzeug: Suriname komplett auf eigene Faust zu bereisen, ist wegen mangelnder Infrastruktur schwierig bis unmöglich. Foto: Steven Hille
Palumeu kurz vor der Landung mit dem Flugzeug: Suriname komplett auf eigene Faust zu bereisen, ist wegen mangelnder Infrastruktur schwierig bis unmöglich. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Faultiere sind langsam. Wird Regenwald gerodet, fallen die Tiere einfach zu Boden - und sterben dabei nicht selten. Foto: Steven Hille
Faultiere sind langsam. Wird Regenwald gerodet, fallen die Tiere einfach zu Boden - und sterben dabei nicht selten. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Faultierrettungszentrum in Misgunst: Die Regenwald-Bewohner sind durch Rodungen bedroht. Foto: Steven Hille
Faultierrettungszentrum in Misgunst: Die Regenwald-Bewohner sind durch Rodungen bedroht. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Taxifahrer Rudi plaudert gerne mit Gästen aus dem Ausland - allzu viele Reisende besuchen Suriname jedoch nicht. Foto: Steven Hille
Taxifahrer Rudi plaudert gerne mit Gästen aus dem Ausland - allzu viele Reisende besuchen Suriname jedoch nicht. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Illegaler Goldabbau, fotografiert aus der Luft. Eingesetzt wird Quecksilber, was die Gewässer Surinames an vielen Stellen verseucht. Foto: Steven Hille
Illegaler Goldabbau, fotografiert aus der Luft. Eingesetzt wird Quecksilber, was die Gewässer Surinames an vielen Stellen verseucht. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Das niederländische Paar Ronald und Els Nowee ist bereits zum zweiten Mal in Suriname. Foto: Steven Hille
Das niederländische Paar Ronald und Els Nowee ist bereits zum zweiten Mal in Suriname. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Monique Pool ist die Gründerin des Green Heritage Fund Suriname (GHFS), einer Naturschutzorganisation. Foto: Steven Hille
Monique Pool ist die Gründerin des Green Heritage Fund Suriname (GHFS), einer Naturschutzorganisation. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Guide Espanyo ist schon als Jugendlicher zum Jagen in der Wald gegangen - er kennt sich aus in der Natur Surinames. Foto: Steven Hille
Guide Espanyo ist schon als Jugendlicher zum Jagen in der Wald gegangen - er kennt sich aus in der Natur Surinames. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Paramaribo ist die Hauptstadt des kleinen südamerikanischen Landes Suriname - eine ehemalige niederländische Kolonie. Foto: Steven Hille
Paramaribo ist die Hauptstadt des kleinen südamerikanischen Landes Suriname - eine ehemalige niederländische Kolonie. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Die Fischer wurden mit ins Boot geholt - und lernen, dass sie mit behutsamem Tourismus Geld verdienen können. Foto: Steven Hille
Die Fischer wurden mit ins Boot geholt - und lernen, dass sie mit behutsamem Tourismus Geld verdienen können. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Suriname ist eines der unbekanntesten Länder Südamerikas - und fast vollständig von Regenwald überzogen. Die Tierwelt ist phantastisch, aber nur schwer zu erkunden. Foto: dpa-infografik
Suriname ist eines der unbekanntesten Länder Südamerikas - und fast vollständig von Regenwald überzogen. Die Tierwelt ist phantastisch, aber nur schwer zu erkunden. Foto: dpa-infografik
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Spitze Zähne, doch dieser Piranha ist ein Vegetarier. Er gehört zu den sogenannten Sägesalmlern. Foto: Steven Hille
Spitze Zähne, doch dieser Piranha ist ein Vegetarier. Er gehört zu den sogenannten Sägesalmlern. Foto: Steven Hille
dpa-tmn
Wanderung durch den Regenwald rund um Palumeu - Tiere sind dabei äußerst selten und nur mit Glück zu sehen. Foto: Steven Hille
Wanderung durch den Regenwald rund um Palumeu - Tiere sind dabei äußerst selten und nur mit Glück zu sehen. Foto: Steven Hille
dpa-tmn