Am Fallstein befi ndet sich das älteste Fördergebiet Sachsen-Anhalts
Osterwieck ● Die Kanadier betreten am Nordharzrand kein bergbauliches Neuland. Im Gegenteil: Am Fallstein bei Osterwieck
befindet sich das älteste Erdöl- und Erdgas-Fördergebiet in Sachsen-Anhalt.
Am 9. April 1934 wurde durch die Abteilung Bohrverwaltung Schönebeck/Elbe der "Preußischen Bergwerks- und Hüttenaktiengesellschaft" – besser bekannt als Preussag – ein Betriebsplan zur Aufsuchung von Erdöl am Fallstein eingereicht. Das Vorhaben konnte sich der Förderung der nationalsozialistischen Diktatur sicher sein, bildete doch die Erkundung einheimischer strategischer Rohstoffe im ersten Vier-Jahres-Plan einen wesentlichen Schwerpunkt.
Die Arbeiten an der Bohrung "Fallstein I" begannen im Mai 1934. Mit einem 40 Meter hohen Bohrturm sollte eine Tiefe von 2200 Metern erreicht werden. Im Januar 1935 ereignete sich ein plötzlicher starker
Gasausbruch. Das Bohrloch musste daraufh in mit Hochdruck-
Sicherheitsschiebern geschlossen werden. Man ging davon aus, dass zu Beginn etwa 5000 Kubikmeter Gas pro Stunde ausgetreten sind. Am 18. Januar 1935 konnte erstmals Erdöl abgetrennt werden. Das ursprüngliche Ziel, rund 2000 Meter Tiefe zu erbohren, wurde wegen der Ölförderung zurückgestellt, aber auch später nicht mehr realisiert. Mit 1504 Meter war die Bohrung Fallstein I seinerzeit die tiefste produzierende Bohrung Deutschlands.
In der Folgezeit optimierte die Preussag die Anlagen zur Trennung von Gas und Öl. 1935 erreichte der Preis für eine Tonne Rohöl bis zu 96 Reichsmark, so dass in diesem Jahr Rohöl im Wert von rund 125 000 Reichsmark gefördert wurde. Die Fördermenge muss allerdings im Laufe des Jahres 1935 deutlich zurückgegangen sein. Weder der Einsatz von Säure noch die "Torpedierung", also eine Sprengung, konnten dauerhaft die Fördermenge steigern. Darum informierte die Preussag die Bergverwaltung im April 1937 über die Einstellung ihrer
Förderung.
Parallel zu diesen Arbeiten wurden bis 1945 weitere Bohrungen am Fallstein niedergebracht. In der Bohrung II wurden im Oktober 1936 in 1577 Meter Tiefe nur Gas und Salzwasser festgestellt, kein Öl. Die dritte Bohrung bei Hessen auf braun schweigischem Territorium wurde im November 1936 ohne Ölfund eingestellt. "Fallstein IV" in der
Gemarkung Rhoden wurde im Juli 1938 mit einer Tiefe von 1701 Metern eingestellt. Es konnten dort nur schwache Gas-, jedoch keine Ölspuren nachgewiesen werden.
Die Bohrung "Fallstein V" wurde im März 1939 ergebnislos mit in einer Tiefe von 1829 Metern beendet. Sie war damit die tiefste Bohrung dieses ersten Erkundungsabschnitts. Als letzte Bohrung wurde im März 1944 "Fallstein VI" begonnen. Dass zu diesem späten Kriegszeitpunkt noch Gelder für diese Erkundungsarbeiten bewilligt
wurden, zeigte welche Bedeutung der Suche von Erdöl beigemessen
wurde. Bei anderen ebenfalls kriegswirtschaftlich bedeutenden Vorhaben wie der Erschließung der Eisenerzlagerstätte am Büchenberg bei Elbingerode, mussten die Erkundungsarbeiten schon einige Jahre früher wegen fehlenden Treibstoff s für die Bohrgeräte
eingestellt werden.
Im Februar 1945 erreichte "Fallstein VI" eine Tiefe von 1601 Metern. Zwar waren Ölspuren festgestellt worden, aber eine sogenannte Schöpfprobe brachte nur Salzwasser zutage. Somit wurde auch diese Bohrung ergebnislos aufgegeben. Allerdings konnten die Verfüllarbeiten nicht mehr vor dem Kriegsende beendet werden.
Fallstein erweckt Interesse der rohstoffhungrigen DDR
In der von 1934 bis 1945 dauernden Kampagne wurden auf der Suche nach dem kriegswichtigen Erdöl fast 9700 Bohrmeter in die Tiefe vorangetrieben. Die während dieser Jahre geförderte Menge von 1875,5 Tonnen weist sich dagegen relativ bescheiden aus.
Dennoch erweckte das Vorkommen am Fallstein auch das Interesse der rohstoffhungrigen jungen DDR. 1953 gelingt es, nach dem Einbau einer Schöpfanlage die Bohrung Fallstein I wieder in Förderung zu
bringen. In jenem Jahr wurde auch die neue Bohrung "Fallstein VII" fündig. Insgesamt wurde durch die DDR die Lagerstätte Kleiner Fallstein mit neun weiteren Bohrungen erkundet. Bis zur Einstellung der Erdölgewinnung im Jahre 1986 wurden insgesamt 20 879 Tonnen
Erdöl gefördert.
Im Zuge der Erkundungen am Fallstein wurde 1961 die kleine Erdgaslagerstätte "Deersheim" entdeckt, die mit zwölf Bohrungen untersucht wurde, drei Bohrungen erschlossen den gasführenden
Horizont. Aus der Lagerstätte am Großen Fallstein wurden bis 2002 rund 285 Millionen Kubikmeter Erdgas gefördert. Wenn sich demnächst die kanadische Firma BNK im nördlichen Harzvorland auf
die Suche nach Erdgas begeben will, ist dies die dritte Etappe einer fast 70-jährigen Geschichte der Suche und Förderung von Kohlenwasserstoff en am Fallstein bei Osterwieck.