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Anschlag in Halle Der Unauffällige

Der Attentäter von Halle, Stephan B., plante ein Blutbad in einer Synagoge. Wer ist Stephan B.?

10.10.2019, 17:42

Benndorf/Helbra l Benndorf, eine 2000-Einwohner-Gemeinde, wenige Kilometer von Eisleben entfernt. Hier wohnte Stephan B. bei seiner Mutter, Lehrerin an einer Grundschule im Nachbarort Helbra. Am frühen Donnerstagmorgen sichern Polizisten den Eingang des einstöckigen beigefarbenen Wohnblocks. Eine Anwohnerin kommt mit zerknirschtem Gesicht aus dem Nachbarhaus. „Lassen Sie mich in Ruhe, ich hatte eine schreckliche Nacht.“ Am Mittwochabend, nach dem Amoklauf, war die Wohnung B.s in der ersten Etage des Wohnblocks von Spezialkräften durchsucht worden. Bewohner des Hauses mussten ihre Wohnungen verlassen.

Ob er Waffen und Sprengstoff in der Wohnung in Benndorf hergestellt hat, ist unklar. Bei Anwohnern wie Karlheinz Heise hinterlässt der Gedanke daran ein mulmiges Gefühl. „Eigentlich ist das eine sehr ruhige Gegend“, sagt der Rentner. Wenn sich Stefan B. hier radikalisiert haben sollte, sei das eine beängstigende Vorstellung, findet Franziska Lange (30), die gerade mit ihren Hunden eine Runde um den Block dreht.

Kaum jemandem in der Nachbarschaft will der 27-Jährige, der zwei Menschen in Halle erschoss, bewusst aufgefallen sein. „Die Mutter, die kannte ich. Die hat Ethik in der Grundschule unterrichtet. Eine nette Frau“, sagt eine Anwohnerin, die ein paar hundert Meter weiter gerade beim Fleischer um die Ecke einkauft. Unauffällig, zurückgezogen habe er gelebt, sagen die wenigen, die sich an ihn erinnern können. „Wenn er seinen Vater mal besuchen kam und ich ihn sah, ging er mit starrem Blick vorbei“, sagt auch Helga Lebeck. Sie wohnt einen Ort weiter in Helbra. Eine ruhige Straße mit holprigrem Untergrund. Blick ins Grüne. In einem Haus mit bröckelnder Fassade wohnt der Vater des Attentäters. Er und Stephan B.s Mutter ließen sich scheiden, als der Sohn 14 Jahre alt war. Gegenüber „Bild“ sagt der Vater: „Er war weder mit sich noch mit der Welt im Reinen, gab immer allen anderen die Schuld.“ Abitur habe er gemacht, ein Chemiestudium brach er nach zwei Semestern – nach einer Magen-OP – ab. Sein Sohn habe auch in der Bundeswehr gedient. „Eine Nachbarin glaubt zu wissen, B. sei als Rundfunktechniker beschäftigt gewesen. Der Junge war nur online“, sagt B.s Vater.

Zurück in Benndorf. Der Wohnort von B. und dessen Mutter hat eine Tradition im Kupferschieferbergbau. Heute stehen zahlreiche Wohnungen leer. Das Straßenbild prägen Ältere. Bürgermeister Mario Zanirato wohnt 50 Meter Luftlinie von B. entfernt. Er könne sich an ihn nur als kleinen Jungen erinnern, sagt der 73-Jährige. Er denkt neben Opfern und Angehörigen an die Mutter. „Das müssen schlimme Stunden für sie sein. Wenn sie will, werden wir helfen“, so Zanirato.

Wer war Stephan B. wirklich? Dieses Puzzle wird nach und nach zusammengesetzt werden. Fest steht: Der Neonazi wollte mit seiner live ins Internet gestreamten Aktion und mit den Kommentaren in englischer Sprache viele Menschen erreichen. Immer wieder hadert der junge Mann mit Glatze mit sich, als sein Plan nicht aufgeht. Möglich, dass es gerade diese Sequenzen sind, die nähere Einblicke in seine Psyche gewähren.