Gerichtsverfahren Baupfusch ist Schuld an Balkonsturz
Im Balkonsturz-Prozess am Magdeburger Landgericht brachte ein Gutachter neue Erkenntnisse - das Halterungssystem sei ungeeignet gewesen.
Magdeburg l Der Schadenersatz- und Schmerzensgeldprozess vor der 10. Zivilkammer am Landgericht Magdeburg, bei dem es um den Absturz eines Notausstiegpodestes samt Feuerleiter an einem Mietshaus in Magdeburg-Stadtfeld im März 2014 geht, wurde am Freitag mit einem Gutachten fortgesetzt.
Auf dem Podest hatten drei Menschen gestanden, die 14 Meter in die Tiefe gerissen und schwer verletzt worden waren. Bis heute haben die Opfer mit den gesundheitlichen Folgen beziehungsweise dauerhaften Behinderungen zu kämpfen.
Das zweite Gutachten war notwendig geworden, nachdem sich beim Verhandlungstermin am 25. Januar 2017 herausgestellt hatte, dass der damalige Gutachter möglicherweise befangen ist. Das Gericht hatte daraufhin einen anderen für Tragwerke im Stahlbau öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, beauftragt.
Der Bauingenieur kam zum Schluss, dass das verwendete Verankerungssystem (Injektionsmörtelsystem) mit dem das Notpodest in der Hauswand befestigt worden war, für eine maximale Belastung von 170 Kilogramm ausgelegt war. Die Belastung - das Podest und eine Person allein lag bei 224 Kilogramm. Das Halterungssystem sei somit ungeeignet gewesen.
Eine Entscheidung will das Gericht am 15. Mai verkünden. Signalisiert wurde, dass der Handweker, der Podest angebrachte, aufgrund der Baufehler zur Kasse gebeten wird. Wie hoch die Summe sein wird, steht noch allerdings noch nicht fest. Ob auch der Vermieter, der ebenfalls beklagt ist, auch zahlen muss, weil er womöglich nicht ausreichend die Sicherheit des Notausstiegs kontrolliert hat, ist nach der gestrigen Verhandlung eher unwahrscheinlich.
Zum Hintergrund: Die Kläger sind ein zum Unfallzeitpunkt 24-jähriger und ein 26-jähriger Student, die sich auf dem Podest aufgehalten hatten. Der 24-Jährige forderte Schadensersatz in Höhe von knapp 80.000,00 € sowie ein Schmerzensgeld von mindestens 130.000 €. Der damals 26-jährige Student fordert Schadensersatz von rund 53.000 € und Schmerzensgeld von mindestens 110.000 €.
Die Kläger haben zum einen den Vermieter verklagt. Weiterhin den Mann, der das Ausstiegspodest und die Leiter im Jahr 1995 errichtet hatte. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hatte gegen Letzteren am 14. Januar 2015 Anklage erhoben. Das Amtsgericht Magdeburg hatte dann mit Beschluss vom 4. August 2015 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, da die angeklagte Tat der fahrlässigen Körperverletzung verjährt war.