Zweiter Weltkrieg Bombenangriffe: Wie das heutige Sachsen-Anhalt beim Kriegsende in Schutt und Asche lag
Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts glichen viele Städte einer Trümmerlandschaft.

Wann die ersten Bomben fielen, ist nicht akkurat rekonstruierbar. Zeitzeugen datierten den Beginn der Attacke auf 4.37 Uhr, die Einsatzmeldung der Angreifer vermerkt dagegen 5.37 Uhr. Unstrittig ist hingegen, welches Gebäude zuerst in Flammen aufging: Das Allerheiligen-Krankenhaus. Kurz darauf detonierten die Sprengsätze in der gesamten Innenstadt. Geschätzt wird, dass 1.200 der 16.000 Einwohner starben. Ebenso lebhaft wurde über den Hintergrund der Attacke gestritten. Lange hielt sich die Legende eines Versehens. Wegen dichten Nebels sei das eigentliche Ziel - eine militärische Einheit – nicht genau zu identifizieren gewesen. Mittlerweile gehen Historiker von einem anderen Motiv aus: Die Verbände der deutschen Wehrmacht wollten in der polnischen Kleinstadt Wielún am 1. September 1939, dem ersten Tag des Zweiten Weltkrieges, wichtige Erkenntnisse sammeln. Denn Nazi-Deutschland entfesselte nicht nur den Zweiten Weltkrieg im Allgemeinen, sondern auch den Luftkrieg im Speziellen.
Ob man in Mitteldeutschland von Vorgängen im Osten Notiz nahm, ist eher unwahrscheinlich. Die Bombardierungen und ihre fatalen Folgen blieben im Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts zunächst eher abstrakt. Das Geschehen spielte sich in den von Deutschland überfallenen Ländern ab.
Als das Pendel mit den ersten Angriffen der britischen Royal Air Force (RAF) zurückschlug, hatten Ziele in Nord- und Westdeutschland Priorität. Die Reichweiten der Flugzeuge waren schlicht zu gering, als dass großangelegte Angriffe in Mitteldeutschland sinnvoll gewesen wären. Auswirkungen hatte der Bombenkrieg auf einer anderen Ebene gehabt. In Antizipation der Bedrohung aus der Luft waren kriegswichtige Industrien wie der Flugzeugbau oder die Benzinerzeugung bereits seit Mitte der 30er Jahre hier gezielt angesiedelt worden.
Allerdings wurden die Fabriken zu den ersten Zielen zwischen Frühjahr 1940 und Oktober 1941. Bomben fielen auf Betriebe in Magdeburg, Dessau und in Leuna. Allzu großen Schaden richteten die britischen Flieger wegen der geringen Durchschlagskraft der Munition nicht an. Jedoch forderten sie zivile Opfer, weil es wegen schlechten Wetters und technischer Defizite zu Ungenauigkeiten beim Bombenabwurf kam.
Im Anschluss an diese erste Phase verlor die RAF Mitteldeutschland aus dem Fokus. Erste Flächenbombardements trafen im Laufe der Jahre 1942 und 1943 Städte wie Lübeck, Hamburg, Rostock oder Köln. Doch spätestens ab dem November 1943 war die Ruhe vorbei. Die Gründe dafür waren verschiedener Art. Zu allererst hatte die Fliegerflotte der Alliierten technische Fortschritte gemacht.
Die britischen Lancaster-Maschinen beispielsweise konnten bedeutend besser bewaffnet werden. Parallel stieg die Reichweite erheblich. Nicht zuletzt machte sich der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten im Dezember 1941 extrem bemerkbar. Ihre Flieger waren ebenfalls in Großbritannien stationiert. Die Schlagkraft erhöhte sich entsprechend.
Während die Amerikaner am Tage flogen, übernahmen die Briten die Angriffe in der Nacht. Dabei verfolgten sie unterschiedliche Ansätze. Die Amerikaner konzentrierten sich anfangs auf industrielle Ziele aus großer Höhe, die RAF verlegte sich auf Flächenbombardements der Innenstädte. Opfer unter der Zivilbevölkerung wurden gezielt in Kauf genommen, um die Moral der Menschen zu brechen. Damit folgten die Piloten der Richtlinie des seit 1942 amtierenden RAF-Chefs Arthur Harris („Bomber Harris“).
Schwerste Attacken ab 1944
Als erste ostdeutsche Großstadt neben Berlin bekam Leipzig die neue Kompromisslosigkeit zu spüren. Dort fielen im Oktober und Dezember 1943 mehrere tausend Tonnen Bomben und zerstörten große Teile der Innenstadt. Es sollte dies aber nur der Auftakt sein für weit größere Zerstörungen.
Im Sommer 1944 gingen erst einmal die Chemieanlagen in Böhlen oder Leuna in Flammen auf, um die Benzinherstellung auszuschalten und der Wehrmacht zu schaden. Ein weiterer Schwerpunkt: Das dichte Eisenbahnnetz in Mitteldeutschland. Zu diesem Zeitpunkt hatte die deutsche Abwehr den alliierten Bomberflotten kaum noch etwas entgegenzusetzen. Die Widerstandskraft schwand von Monat zu Monat, ehe sie ab dem Januar 1945 fast vollständig zusammenbrach. Die Folgen waren für viele Orte im heutigen Sachsen-Anhalt verheerend. Davon waren nicht nur die städtischen Zentren wie Magdeburg betroffen. Besonders tragisch daran: Ein Großteil der Städte versank im Bombenhagel, als die militärische Lage für das Deutsche Reich sowieso aussichtslos und die Kapitulation allenfalls eine Frage der Zeit war. In Zerbst wehrten sich die verbliebenen Einheiten der Wehrmacht verbissen gegen die anrückenden Amerikaner. Die reagierten mit mehreren heftigen Bombardements. Das schwerste fand am 16. April statt. Am Ende waren 1.433 von 3.485 Häusern zerstört. Die Innenstadt mit zahlreichen Kulturbauten wie der Sankt Nikolai-Kirche lag komplett in Trümmern. Die offizielle Zahl der Todesopfer der Angriffe wird mit 574 angegeben.
Ein ähnliches Bild bot sich in Halberstadt. Dort hatten die Amerikaner am 8. April gezielt die Innenstadt mit Ziel der maximalen Vernichtung angegriffen. In der dicht bebauten Altstadt mit vielen Fachwerkhäusern entwickelte sich ein Feuersturm. Gut ein Drittel der 1.500 Fachwerkbauten überstand die Brände nicht. Es dauerte mehrere Tage, bis die Feuer gelöscht waren. Geschätzt wird, dass etwa 25.000 Halberstädter obdachlos wurden. Gut 42 Straßenzüge waren dem Erdboden gleichgemacht. Es kamen 289 Menschen ums Leben.
Als Heimat der Junkers-Flugzeugwerke war Dessau seit 1940 mehrfach aus der Luft attackiert worden. Bis 1944 war die Stadt aber relativ glimpflich davongekommen. Dann häuften sich bis zum März 1945 die heftigen Angriffe, bis am Kriegsende gut 80 Prozent der Stadt zerstört waren. Damit war Dessau einer der am härtesten getroffenen Orte in Mitteldeutschland. Insgesamt geht man davon aus, dass auf der Fläche der ehemaligen DDR fast 25 Prozent der Wohnungen nicht mehr bewohnbar waren. Die Folgen der Bombardements sind bis heute spürbar.


