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Austauschjahr Die wissensdurstigen Jordanier

Lorine und Mohammad sind zwei Jordanier, die an der Hochschule Magdeburg-Stendal als Sachsen-Anhalter auf Zeit studieren.

Von Steffen Honig 08.12.2017, 00:01

Magdeburg l Wer immer auf dieser Welt den Nutzen der Sonne für die Energie-Erzeugung preist, liegt mit dem Beispiel Jordanien richtig. in dem nahöstlichen Wüstenland scheint die Sonne zwischen durchschnittlich zwölf Stunden im Sommer und acht Stunden im kühleren Winter.

Der junge Jordanier Mohammad Abu Alulla richtet daher sein Elektro- und Energie-Technik-Studium auf erneuerbare Energien aus. In der Nähe der Hauptstadt Amman geboren, lernt er dort an der German-Jordanian University, der Deutsch-Jordanischen Universität. Einen festen Platz im Studien-Programm hat ein Austauschjahr der Partner-Hochschule Magdeburg-Stendal. Gegliedert sind die zwölf Monate in ein Theorie- und ein Praxissemester.

„Ich war zur praktischen Ausbildung in Bayern und arbeitete bei Badcon in Kitzingen, wo Steuerugen für Photovoltaik-Kraftwerke entwickelt und hergestellt werden“, berichtet Mohammad in gutem Deutsch. Große Unterschiede zwischen Sachsen-Anhalt und Bayern hat er nicht festgestellt – grün ist es im Gegensatz zu Jordanien in Deutschland überall. Aber neue Wörter schnappte er auf – „Servus“ zum Beispiel.

Weil bei Mohammad die Leistung stimmt, darf er ein Extra-Semester in Magdeburg dranhängen. Bis zum Frühjahr will er seine Bachelor-Arbeit schreiben.

So weit ist seine Landsfrau Lorine Hadadin aus Amman noch längst nicht. Die anmutige 21-Jährige studiert Dolmetscherin, die Fachrichtung an der Hochschule heißt „Internationale Kommunikation“ und ist erst seit ein paar Wochen in Magdeburg. Eine ganz schöne Stadt, wie sie findet, aber nach den ersten Herbsterfahrungen hadert sie mit dem „kalten, ekligen Wetter“.

Lorine würde vielleicht auch als Südeuropäerin durchgehen, denn ein Kopftuch trägt sie nicht. Die Studentin gehört zur christlichen Minderheit in Jordanien, die etwa fünf Prozent der Bevölkerung in ihrem muslimischen Heimatland ausmacht. Die junge Jordanierin hält das obligatorische Austauschjahr für die Verbesserung der Sprachkenntnisse hervorragend geeignet.

Die beiden Studenten weisen lächelnd auf eine Besonderheit innerhalb der jordanischen Community an der Hochschule hin, die in Magdeburg 17 und in Stendal sieben Kommilitonen zählt. Ganz bewusst wird der Kontakt zu anderen Nationalitäten gesucht, um nicht im eignen Saft zu schmoren – sprachlich wie fachlich.

Lorine hat überhaupt noch keine Vorstellungen, was genau sie nach dem Studium machen wird. Ihre Gastsemester will sie in Magdeburg verbringen und den praktischen Teil gern in der Ausländerbehörde absolvieren. Die kommunalen Behörden in Magdeburg würden diese Unterstützung gewiss gut gebrauchen können. Zumal die Studenten in jedem Fall nur ein schmales Salär erhalten. Das schwankt nach Unternehmen und Behörde, 450 Euro im Monat sind schon ein Spitzenwert, sagt Monica Heitz, Chefin des GJU-Projektbüros an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Für die Praktikumsplätze, die sich die Studenten selbst suchen müssten, gebe es deutschlandweit 300 Partnerschaften und 1100 weitere Kontakte, berichtet Heitz. Das weit ausgespannte Netzwerk des Akademischen Auslandsdienstes ist hier hilfreich. Während die Jordanier beim Praktikum auf einen Verdienst hoffen können, müssen sie die übrigen Kosten des Auslandsjahres in der Regel komplett selbst tragen.

Es gibt nur sehr wenige Stipendien. Das bedeutet, dass die Eltern für die jordanischen Studenten aufzukommen haben. So bleibt das Studium an der GJU eine Angelegenheit für die Elite des Königreiches.

Wie Mohammad sein deutsch-jordanisches Studium nach dem Abschluss nutzen wird, weiß er noch nicht genau. Im Auge hat er ein Projekt seiner bayerischen Praktikumsfirma in Jordanien. „Das ist schließlich mein Land. Ich würde gern helfen, dass es sich weiter entwickelt. Aber auch einen Berufseinstieg in Deutschland kann er sich vorstellen.

Auf Mohammad Abu Alulla trifft übrigens in Jordanien ein in Deutschland sehr gängiger Begriff zu: Er hat Migrationshintergrund. Seine palästinensische Familie stammt, dem von den Israelis besetzten Westjordanland.

Deutschland gefällt ihm, doch eines stört den Jordanier sehr: „Die Leute haben Angst vor Arabern.“ Er moniert: „Der Unterschied zwischen Flüchtlingen und Studenten wird nicht gesehen.“ Das war vor Jahren noch ein bisschen anders.