Arbeitsgericht zu verordneter Mehrarbeit Gericht stoppt Extra-Stunde für Lehrerin
In einem Rechtsstreit zur vom Land eingeführten Extra-Stunde für Sachsen-Anhalts Lehrer hat das Land eine Niederlage kassiert. Weitere Pädagogen klagen bereits.
Magdeburg - In einem Rechtsstreit um die von der Landesregierung eingeführte zusätzliche Pflicht-Unterrichtsstunde pro Woche für Sachsen-Anhalts Lehrer hat das Land eine Niederlage kassiert. Das Arbeitsgericht Stendal gab einer Pädagogin Recht, die im Zusammenhang mit der Extra-Stunde geklagt hatte.
„Es wird festgestellt, dass die Weisung des beklagten Landes Sachsen-Anhalt betreffend das Ableisten einer Vorgriffstunde pro Schulwoche ab April 2023 bis 31.07.2028 unwirksam ist“, urteilte das Gericht am 11. Januar. Darüber informierte am Freitag ein Sprecher des Landesarbeitsgerichts auf Anfrage der Volksstimme.
Zuletzt landesweit sechs Klagen / Nächster Prozess im Februar in Stendal
Ob das Urteil zur Klage, die sich im Kern um die Auswirkungen der Zusatz-Stunde auf eine Teilzeitbeschäftigung drehte, auf andere Fälle übertragbar ist, blieb vorerst unklar. Insgesamt mussten laut Bildungsministerium von Eva Feußner (CDU) zuletzt knapp 12.600 Lehrer die Extra-Stunde erteilen. Dabei waren landesweit sechs Klagen gegen die Maßnahme anhängig.
Es wird festgestellt, dass die Weisung des beklagten Landes Sachsen-Anhalt betreffend das Ableisten einer Vorgriffstunde pro Schulwoche ab April 2023 bis 31.07.2028 unwirksam ist.
Aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Stendal vom 11. Januar zur Einzelklage einer Lehrerin
Das Bildungsressort wollte sich am Freitag auf Anfrage noch nicht zum Richterspruch äußern, da noch keine Urteilsbegründung vorliege, wie es hieß. Das Land erhält laut Landesarbeitsgericht Gelegenheit, Berufung gegen die Entscheidung einzulegen. Nach Urteilseingang gilt dafür eine Frist von einem Monat.
In den nächsten Wochen und Monaten sind auch in anderen Klageverfahren in Verbindung mit der Extra-Stunde Verhandlungen angesetzt. So behandelt das Arbeitsgericht Stendal am 15. Februar die Klage einer Grundschullehrerin aus der Altmark. Das Land hatte der Pädagogin nach fast 40 Arbeitsjahren fristlos gekündigt, nachdem sie sich wiederholt geweigert hatte, die Extra-Stunde zu erteilen. Ein Kammertermin in einem weiteren Prozess ist für den 28. Juni vor dem Arbeitsgericht Halle angesetzt. Zwei Lehrer im Land hatten außerdem vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Normenkontrollverfahren gegen die Zusatzstunde angestrengt. Termine für deren Behandlung stehen bislang nicht fest.
Lehrergewerkschaft GEW begrüßt Stendaler Urteil / Linke sieht sich bestätigt
Die Lehrergewerkschaft GEW, die die Verfahren vor dem OVG unterstützt, bewertet das Stendaler Urteil positiv: „Wir begrüßen alles, was sich gegen die Vorgriffstunde richtet und die damit verbundene höhere Belastung der Lehrkräfte“, sagte Landeschefin Eva Gerth. Die GEW hoffe, dass die Landesregierung sich mit den Gewerkschaften zusammensetze, um bessere Lösungen zu finden.
Es rächt sich, wenn Dinge grundsätzlich nicht ausreichend vorbereitet werden.
Katja Pähle, SPD-Fraktionschefin
Zustimmung zum Urteil kommt auch aus der Opposition: Es sei absehbar gewesen, dass „dieses Kartenhaus einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würde“, sagte Linke-Bildungspolitiker Thomas Lippmann. Auch Katja Pähle, Fraktionschefin des Koalitionspartners SPD, sagte: „Es rächt sich, wenn Dinge grundsätzlich nicht ausreichend vorbereitet werden.“ Auch in Kenntnis der zahlreichen Urteile zu den freien Schulen bestehe hier „offensichtlich erheblicher Nachbesserungsbedarf“.
Die Landesregierung hatte die Vorgriffstunde im Ergebnis eines Bildungsgipfels vom Januar 2023 eingeführt. Lehrer an Gymnasien und Sekundarschulen müssen seit April vergangenen Jahres 26 statt 25 Stunden pro Woche, Grundschullehrer 28 statt 27 Stunden unterrichten. Ziel des zunächst bis 2028 begrenzten Schritts ist es, die Personalnot in den Schulen zu mildern. Tatsächlich hat sich die Unterrichtsversorgung durch die Extra-Stunde laut Ministerium verbessert. Demnach hat sie ein Arbeitsvolumen freigesetzt, das rechnerisch fast 500 Stellen entspricht. Kritik an der Vorgabe hatte das Land zuletzt mit dem Hinweis auf teils höhere Unterrichtsverpflichtungen in anderen Bundesländern zurückgewiesen.